Familiäre Prägungen sind ein Hindernis für Diversität
Erstaunliche Parallelen zwischen Anwaltsberuf und Unternehmertum: Wer Eltern hat, die im juristischen Bereich arbeiten, ergreift häufig den Anwaltsberuf. Genauso gründen Kinder von Unternehmern häufiger Start-ups. Das zeigt eine aktuelle Studie über soziale Herkunft und Unternehmertum.
Trotz vielfältigem Zugang zu ganz unterschiedlichen Bildungswegen werden bestimmte Positionen oder Berufswege immer noch vererbt. Dabei sind eigene Interessen und Fähigkeiten viel wichtiger als früher. Trotzdem spielen familiäre Prägung und Akademisierung immer noch eine entscheidende Rolle. Das zeigt unter anderem eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung und des Startup-Verbands, in der 1.800 Start-up-Unternehmer befragt wurden.
Eltern als Vorbilder
60 Prozent der in der Studie befragten Jungunternehmer kommen aus einem Akademikerhaushalt. Diese Zahl liegt über dem Durchschnitt: Rund die Hälfte aller Studierenden in Deutschland stammt aus einem Akademikerhaushalt. Insgesamt liegt die Akademisierungsrate unter allen Erwerbstätigen nur bei 23 Prozent.
Auch bei Anwältinnen und Anwälten ist der familiäre Hintergrund bei der Berufswahl wichtig. Das stellte die größte Anwaltsstudie Deutschlands fest, für die JUVE zusammen mit der London School of Economics (LSE) vor einiger Zeit rund 3.000 Anwältinnen und Anwälte aus den 100 umsatzstärksten Kanzleien befragte.
70 Prozent der Berufsträger kamen aus Elternhäusern mit akademischem Hintergrund. Etwa 20 Prozent der in der LSE-Studie befragten Anwälte wuchsen in Juristenfamilien auf. Die Vorbildrolle der Eltern wirkt auch bei den Gründern. So hat ein Viertel der befragten Start-up-Gründer Eltern, die selbst schon Unternehmen mit Angestellten geführt haben.

Die sogenannte Vererbungsrate im Unternehmertum sowie im Anwaltsberuf ist demnach vergleichbar. Sowohl Jungunternehmer als auch angehende Anwältinnen und Anwälte profitieren in der Ausbildung sowie später im Berufsalltag vom Netzwerk ihrer Eltern. Diese besorgen vielleicht begehrte Praktikums- oder Studienplätze oder vermitteln dem Nachwuchs Kontakte zu Investoren und Kunden beziehungsweise Mandanten.
Finanzieller Rückhalt
Auch die finanzielle Unterstützung durch die Familie spielt in beiden Bereichen eine große Rolle für die Karrierechancen. Wer ohne finanzielle Sorgen durch das lange Jurastudium geht, kann sich ganz aufs Lernen konzentrieren und das Studium schneller absolvieren. Außerdem wagen sicherlich mehr Studierende die Investition in ein LL.M.-Jahr im Ausland, wenn sie finanziellen Rückhalt von den Eltern haben.
Bei den Start-up-Gründern spielt das elterliche Portemonnaie eine besonders große Rolle. So ist das finanzielle Risiko für Start-up-Gründer aus Arbeiterfamilien deutlich höher als für Kinder aus gut situierten Familien. Nur 14 Prozent der Gründer aus Arbeiterfamilien gaben in der Umfrage der Bertelsmann Stiftung und des Startup-Verbands an, sich in schwierigen Zeiten auf finanzielle Unterstützung ihrer Eltern verlassen zu können. Bei den Gründern mit Unternehmereltern waren es 70 Prozent, bei Gründern mit Beamteneltern 57 Prozent. Gründer mit Unternehmereltern sammelten außerdem häufiger externes Kapital, was auf einen besseren Zugang zu finanziellen Mitteln und Netzwerken hinweist, die durch ihre Eltern vermittelt wurden.
Förderbedarf für mehr Diversität
So unterschiedlich die Chancen je nach sozialer Herkunft sind, allen Start-up-Gründern gemein ist laut der Umfrage ein ähnliches Mindset. Neun von zehn wollen erneut ein Start-up aufbauen und alle zeigen eine ähnliche Bereitschaft, „groß zu denken“. Der Startup-Verband sieht Start-ups daher als besonders wichtige Aufstiegsmöglichkeit. Talente aus nichtakademischen Haushalten müssten jedoch stärker gefördert werden.
Das Gleiche trifft auf die Kanzleiwelt zu. Das Management großer Kanzleien hat die Vorteile einer divers aufgestellten Anwaltschaft erkannt. So will eine neue Initiative von Arbeiterkind.de, mehreren Kanzleien und der EBS Universität Studierende und Berufseinsteiger aus nichtakademischen Haushalten fördern. Unterstützer der Initiative sind die Kanzleien Linklaters, A&O Shearman sowie Kapellmann und Partner, zentraler Teil der Initiative ist ein Mentoringprogramm. Die Online-Auftaktveranstaltung fand am 6. Mai statt.
Auch der Bundesverband rechtswissenschaftlicher Fachschaften e.V. (BRF) setzt sich dafür ein, die Diversität in der juristischen Ausbildung zu verbessern. In einer Diversitätsresolution forderte der BRF im März unter anderem niedrigschwellige Informationen zum Jurastudium in Schulen, Unterstützungsprogramme für die Teilnahme an Moot Cours und für Auslandsaufenthalte durch die Fachbereiche. Außerdem sollten die Jurafakultäten Diversitätsbeauftragte einsetzen.
Mehr zur Methodik der Anwaltsstudie von JUVE und der London School of Economics (LSE) liest du hier. Die genauen Ergebnisse der Studie zu Unternehmen findest du hier.