Quereinstieg in die Justiz in Sachsen-Anhalt
Junge Juristinnen und Juristen sind nicht nur in Kanzleien gefragt. Auch die Justiz bemüht sich sehr um Nachwuchstalente. Das Justizministerium in Sachsen-Anhalt will ab sofort mindestens 40 Proberichterinnen und Proberichter pro Jahr einstellen und bietet Berufsanfängerinnen wie Quereinsteigern nun flexiblere Bedingungen an. Größte Erleichterung: Neulinge müssen während der Probezeit nicht mehr zwingend den Ort wechseln.
Im Wettbewerb um hochqualifizierte junge Juristinnen und Juristen kann die Justiz nicht mit den hohen Gehältern konkurrieren, die viele Wirtschaftskanzleien bezahlen. Trotzdem benötigt sie viele Neueinsteiger, um die anfallende Arbeit zu bewältigen. Gerade in den neuen Bundesländern ist der Bedarf an neuen Richterinnen und Richtern groß, denn hier steht bald ein Generationswechsel an, der auf den Neuaufbau der Behörden nach der deutschen Wiedervereinigung zurückgeht. Gleichzeitig kommen nicht genug Nachwuchskräfte nach. Dieser Mangel hängt nicht zuletzt auch mit der Einstellung der Staatsexamensstudiengänge in einigen ostdeutschen Städten zusammen. Der Abschluss mit Staatsexamen wird in den neuen Bundesländern mittlerweile noch an sechs Universitäten (Frankfurt an der Oder, Greifswald, Halle, Jena, Leipzig und Potsdam) angeboten.
Angebote für Quereinsteiger und Berufsanfänger
Um die Stellen in der Justiz ausreichend zu besetzen, hat das Justizministerium in Sachsen-Anhalt sogar die eigene Organisation umgekrempelt: Alle mit Personalwesen befassten Referate wurden in der neuen Stabsstelle „Strategisches Personalmanagement der Justiz“ vereint, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Personalsuche wird gewissermaßen Chefsache, denn diese Stabsstelle untersteht Staatssekretär Steffen Eckold. Erstes Projekt ist eine Einstellungsoffensive. Sachsen-Anhalt will ab sofort mindestens 40 Proberichterinnen und Proberichter pro Jahr einstellen. Das Ministerium wendet sich dafür nicht nur an Berufsanfänger, sondern auch an Quereinsteigerinnen aus anderen juristischen Berufen. Anwältinnen und Anwälte, die sich einen Wechsel in den Staatsdienst vorstellen können, sind in Sachsen-Anhalt mehr als willkommen. Um die Zahl der Bewerbungen zu erhöhen, bietet das Land besonders attraktive Bedingungen und mehr Flexibilität.
Individuelle Bedingungen für Proberichter
Eine echte Erleichterung für ortsgebundene Einsteiger ist die Abschaffung der Ortswechsel. Neulinge im Richteramt müssen während der Probezeit nicht mehr rotieren, sondern können von Anfang an dort arbeiten, wo die spätere Verwendung auf Lebenszeit geplant ist. Die Vorbereitung auf den späteren Dienst wird zudem individualisiert. Bewerbende dürfen sich in Sachsen-Anhalt aussuchen, ob sie in der ordentlichen Gerichtsbarkeit, an Verwaltungsgerichten, Arbeitsgerichten oder in der Staatsanwaltschaft eingesetzt werden möchten. Quereinsteiger mit Berufserfahrung in anderen juristischen Berufen können in einzelnen Fällen auch mit weniger als 16,0 Punkten in der Summe beider Staatsprüfungen eingestellt werden. Die genauen Bedingungen und Voraussetzungen für die neuen Proberichter finden sich in der neuen Stellenausschreibung für das Richteramt auf Probe.
Das Angebot des Justizministeriums ist interessant für junge Juristinnen und Juristen, die in der Mitte Deutschlands wohnen oder sich einen Wechsel dorthin vorstellen können. Gezielt spricht es auch Berufserfahrene an, die mit ihrer juristischen Tätigkeit in Kanzleien oder Unternehmen nicht zufrieden sind. Die Besoldung für Richter liegt zwar deutlich unter den Gehältern der Associates in Top-Kanzleien. In die Justiz wechseln junge Anwältinnen und Anwälte jedoch häufig, weil sie sich eine bessere Work-Life-Balance, mehr Planungssicherheit und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wünschen.
Digitalisierung im Referendariat
Auch für angehende Referendare ist die Einstellungsoffensive in Sachsen-Anhalt interessant. Im Jahr 2020 befanden sich dort 181 Personen im Vorbereitungsdienst (Statistik des Bundesamtes für Justiz). Das Land unterbreitet nach eigenen Angaben allen geeigneten Absolventinnen und Absolventen nach der zweiten Staatsprüfung ein Einstellungsangebot. In Sachen Digitalisierung ist das kleine Bundesland zudem Vorreiter. Als erstes Bundesland führte Sachsen-Anhalt 2019 das elektronische Staatsexamen ein. Referendarinnen und Referendare schreiben die zweite juristische Staatsprüfung seitdem am Laptop anstatt mit der Hand. Auch in anderen Bundesländern ist dies mittlerweile möglich. Doch Sachsen-Anhalt will bald auch das erste Staatsexamen digitalisieren.
Weitere Besonderheiten des Vorbereitungsdienstes in Sachsen-Anhalt sowie anderen Bundesländern finden sich in unserer Übersicht zum Rechtsreferendariat in den Bundesländern.