Unter Volldampf in der Private-Equity-Beratung

Für die Private-Equity-Branche läuft es derzeit rund – die Fondsvermögen ­erreichen immer neue Rekorde, die Investoren kämpfen härter denn je um die besten Deals. Davon profitieren nicht zuletzt die Rechtsberater. Doch bietet dieser Sektor auch dauerhaft gute ­Chancen?

Irgendwann wird es richtig hart. Meistens spät nachts, wenn die Verhandlungen endlich abgeschlossen sind und der Adrenalinspiegel wieder sinkt. Wenn man eigentlich nur noch schlafen will und trotzdem hoch konzentriert bleiben muss, damit beim Korrekturlesen der ausgehandelten Verträge keine Fehler durchrutschen. „Ich habe mir angewöhnt, dabei durch die Gänge zu gehen“, sagt Dr. Dominik Massing. „Beim ­Gehen schläft man nicht ein.“

Der 40-Jährige hat schon eine Menge Trans­aktionen gesehen, als Associate in internationalen Großkanzleien und in einer Hamburger Spezialkanzlei, später als Inhouse-Anwalt bei dem Private-Equity-Haus Aurelius. Inzwischen ist Massing sein eigener Chef. ­Anfang 2022 gründete er gemeinsam mit seinem ­Aurelius-Kollegen Dr. Stephan Werner in München die Transaktionskanzlei Massing Werner. Spezialität: Private-Equity-, kurz: PE-Deals. Denn so anstrengend dieses Geschäft manchmal auch ist – die positiven Seiten überwiegen, findet Massing.

Selbstständig seit Jahresbeginn: Dominik Massing von der neuen Münchner Kanzlei Massing Werner. (Foto: Massing Werner)

Zum Beispiel vergangenes Jahr kurz vor Weihnachten, als ein Deal in der Schweiz doch noch schnell ins Ziel gebracht werden sollte. „Wir sind am 20. Dezember mit einem komplett unverhandelten Kaufvertrag gestartet, und die Anwälte der Gegenseite meinten schon, das sei vor Heiligabend überhaupt nicht zu schaffen. Aber am Ende haben wir es geschafft“, ­berichtet Massing.

Als er am 24. Dezember morgens aus Zürich ­zurückkam, hatte er 38 Stunden durchgearbeitet.
Eine Zumutung? „Klar, aber eine positive!“ Der ­Vergleich, den Massing zieht, ist so einfach wie ­einleuchtend. „Es ist Hochleistungssport“, erklärt er. „So etwas geht nicht jede Woche – das würde der Belastbarste nicht aushalten.“ Wie Marathonläufer, die für das Glücks­gefühl beim Zieldurchlauf alle ­Qualen ab Kilometer 30 ignorieren – so kann man sich die Private-Equity-Spezialisten in diesen Situationen ­vorstellen.

Investitionsboom trotz Corona

Zumal Private Equity inzwischen fast schon zum ­Breitensport geworden ist. Anders als ursprünglich befürchtet, brachte die Corona-Pandemie nicht den Niedergang der PE-Investments mit sich, sondern einen Boom, der manche Branchenkenner nur ungläubig den Kopf schütteln ließ. Besonders die Investitions­objekte – neudeutsch: Targets – aus wachstumsträchtigen ­Sektoren wie IT, Gesundheit, E-Commerce oder ­online-tauglichen Dienstleistungen waren bei den Investoren heiß begehrt.

Effizienz, Wachstum und Gewinn: Frank Thiäner und Angelina Seelbach von Poellath müssen als Juristen das Potenzial der Investitionsobjekte verstehen – als wären sie selbst die Unternehmer. (Foto: Eva Kubinska)

Die günstigen Zinsen für den traditionell großen Fremdfinanzierungsanteil am Kaufpreis trieben die Gebote ebenso in die Höhe wie der enorme Anlagedruck, unter dem die PE-Branche stand und steht. Denn allein 2021 sammelten die PE-Häuser mit dem Versprechen hoher, oft zweistelliger Renditen weltweit über 730 Milliarden US-Dollar neues Fondsvermögen von Investoren ein, wie die Branchenpublikation ‚Private Equity International‘ berichtet. Die Prognose für 2022 lag Anfang des Jahres sogar bei 930 Milliarden Dollar. „Dieses Geld muss investiert werden“, sagt Dr. Frank Thiäner trocken.

Fulminante Entwicklung

Der 53-jährige Poellath-Partner ist seit seinem Berufs­einstieg im PE-Markt aktiv und hat schon sämtliche Konjunkturphasen erlebt. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hält er schlicht für „fulminant“. Dass den externen Beratern in Anwalts- und Steuerkanzleien die Arbeit ausgeht, ist entsprechend unwahrscheinlich, im Gegenteil: Der enorme Bedarf der PE-Praxen an hoch qualifizierten Nachwuchsjuristen löste 2021 wieder einmal einen Wettlauf um das höchste Einstiegsgehalt aus. Die Spitzengebote stammen fast allesamt von Kanzleien, die ihr wichtigstes Standbein im PE-Geschäft haben.

Doch die Motivation für den Einstieg ins PE-Geschäft ist meistens nicht das Geld, sondern etwas anderes: die Kombination von Jura und Unternehmertum. Schließlich verdienen die PE-Investoren ihr Geld damit, Effizienz- oder Wachstumspotenziale ihrer Portfolio­unternehmen zu heben, um diese am Ende mit möglichst viel Gewinn wieder zu verkaufen. „Man muss wirtschaftlich und unternehmerisch mitdenken und die Ziele des Mandanten sehr genau verstehen, auch in den Details der Kaufpreisberechnung. Das macht den Charme der Arbeit aus – und den Mehrwert für den Mandanten“, sagt Angelina Seelbach (33), die Mitte 2021 als Associate bei Poellath eingestiegen ist.

Dass sie PE-Anwältin werden würde, war für Seelbach nach dem Examen noch gar nicht ausgemacht. Den Ausschlag gab die Begegnung mit Anwälten bei Freshfields, wo sie nach der Referendarsstage als Associate einstieg, und bei Kirkland & Ellis, wo sie nach dem LL.M.-Studium an der Columbia University in New York anfing – und der Gegensatz zu anderen Praxen. „Man hat ein positives Ziel vor Augen, das prägt den Alltag und die Stimmung im Team stärker, als man meint“, sagt Seelbach. „Der größte Kontrast war für mich der Prozessführungsbereich. Dort ist die andere Seite der Gegner, und es geht viel mehr um Abwehr und Schadensbegrenzung.“

„Wenn man schon um 16 Uhr mit der Gegenseite streitet, wird es nachts richtig anstrengend.“

Für Dr. David Negenborn liegt der Reiz noch mehr bei den Personen, die im PE-Markt unterwegs sind, sowohl bei den Mandanten als auch in den PE-Praxen der Kanzleien. „Die Leute sind locker, schnell und meistens jünger als in anderen Bereichen, unglaublich ­professionell und hoch motiviert“, erklärt der 34-jährige Associate aus dem Münchner Büro von Hengeler Mueller. „Wenn man ähnlich tickt, findet man zu den meisten sehr schnell einen persönlichen Draht.“ Dem langjährigen Feldhockeyspieler Negenborn liegt der Teamsport als Analogie näher als der individuelle Kampf mit der Marathondistanz. Doch im Ergebnis ist er sich einig mit den meisten anderen PE-Anwälten: Was diesen Bereich so speziell macht, ist der gute Umgang miteinander. Das liegt einerseits daran, dass in den Teams oft recht ähnliche Temperamente versammelt sind, andererseits aber auch an ganz pragmatischem Kalkül. „Kollegialität und Freundlichkeit sind entscheidend, nicht nur im eigenen Team, sondern auch am Verhandlungstisch“, erläutert Dominik Massing. „Wenn man schon um 16 Uhr anfängt, sich zu streiten, wird es nachts richtig anstrengend.“

Die Königsdisziplin

Dass die PE-Spezialisten allem Stress und aller Anspannung zum Trotz meistens recht locker miteinander umgehen, bringt manche Kollegen aus anderen Fachbereichen zu dem Schluss, dass hier der rein kommerzielle Deal im Zentrum steht, nicht die gründliche, ­präzise juristische Arbeit. Ein Vorurteil, das viele PE-­­Anwälte fast schon ehrenrührig finden. „Es ist eigentlich sogar die Königsdisziplin“, meint Poellath-­Associate Angelina Seelbach. „Man muss nicht nur die gesellschaftsrechtliche Mechanik eines Deals verstehen, sondern auch die wesentlichen steuer-, arbeits-, kartell-, marken- oder patentrechtlichen Aspekte. Am Ende muss die Private-Equity-Anwältin alle losen ­Enden zusammenbekommen.“

Die Mandanten wollen schnell entscheiden: Für David Negenborn und Elisabeth Kreuzer von Hengeler Mueller in München sind die hohen Ansprüche der Investoren ein positiver Ansporn. (Foto: Eva Kubinska)

Dazu kommt noch der permanente Zeitdruck, betont Elisabeth Kreuzer, Partnerin in der Münchner PE-Praxis von Hengeler Mueller. „Wenn man Finanzinvestoren berät, muss man noch etwas schneller und mutiger sein“, erklärt die 37-Jährige. „Der Deal soll durchgehen – nicht um jeden Preis, aber gewisse Risiken wird man dafür in Kauf nehmen. An viele Risiken kann man ein Preisschild machen, auf dieser Basis kann der Mandant dann entscheiden. Da bleibt keine Zeit, umfangreiche Gutachten zu schreiben. Man braucht ein gutes Judiz, und zwar sofort.“ Für die Ausbildung des einzelnen Anwalts sind diese hohen Anforderungen nur positiv, findet Hengeler-Associate Negenborn – wenn man sich darauf einlässt. „Man muss neugierig sein und Lust darauf haben, auch mal ins kalte Wasser geworfen zu werden“, sagt er. „Man wird nie alleingelassen werden, aber man darf auch nicht darauf warten, dass einem jemand sagt, was im Detail zu tun ist.“

Manchmal ist die Herausforderung auch genau das Gegenteil: klarzukommen, wenn kaum etwas zu tun ist. Dafür reicht oft schon die marktübliche Winter­pause nach Weihnachten, weiß Dr. Leopold Riedl. Der 38-Jährige wurde Anfang dieses Jahres Partner im Frankfurter Büro der US-Kanzlei Milbank – und fuhr Mitte Januar erst einmal in Skiurlaub, wenn auch nur kurz.

Neuer Partner in Frankfurt: Leopold Riedl von der US-Kanzlei Milbank. (Foto: Milbank)

Im aktuellen PE-Boom bleibt auch um diese Jahreszeit kaum noch Gelegenheit zum Durchatmen. Neun Jahre zuvor, in Riedls ersten Tagen als Milbank-Associate, war das anders. „Als ich anfing, als Anwalt zu arbeiten, hatte ich meine Familie und Freunde schon vorgewarnt, dass ich bald sehr viel Zeit im Büro verbringen würde“, erinnert er sich. Doch dann passierte das genaue Gegenteil. „Es war praktisch nichts los, die meisten Deals waren fertig verhandelt, viele Mandanten beim Skifahren, von Stress keine Spur. Die Partner schickten mich fast täglich früher nach Hause und meinten, genieß diese Ruhephase, es kommen auch wieder andere Zeiten. Und in der Tat, so war es auch.“ Die Praxen der Milbank-Partner Dr. Norbert Rieger und Dr. Michael Bernhardt, bei denen Riedl das Private-Equity-Handwerk lernte, sind für ihre hohe Schlagzahl bekannt, oft verhandeln sie Deals jenseits der Milliardengrenze.

Neugier auf das nächste Projekt

Was die meisten PE-Anwälte an ihrem Job so lieben, lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: das Projektgeschäft. Die Deal-Spezialisten freuen sich darauf, wenn das nächste Projekt losgeht, wenn es in der ­heißen Phase richtig anspruchsvoll und aufregend wird – und wenn dann schließlich auch alles erfolgreich zu Ende gebracht ist. Wer nicht gerne kommuniziert, wird an dieser Arbeit nicht viel Freude haben. Wer Wert darauf legt, jeden Abend pünktlich Feierabend machen zu können, auch nicht. „Am schwierigsten ist die Planbarkeit“, erläutert Riedl. „Es kommt immer wieder vor, dass man abends bis über beide Ohren mit einem Thema beschäftigt ist, von dem man morgens noch nichts wusste. Umgekehrt kann die Arbeit auch über Nacht wegfallen, wenn ein Deal gestoppt wird.“

Umso wichtiger ist es, zu lernen, wie man sich ­zwischen den einzelnen Projekten regeneriert. Die ­nötigen Grenzen muss jeder für sich setzen. „Am besten fragt man als Berufseinsteiger einfach ganz ­offen, ob das, was man sich an Work-Life-Balance wünscht, auch möglich ist“, sagt Riedl. Auch Poellath-Associate Seelbach empfiehlt Bewerbern, in Praktikum und Referendariat möglichst viele Bereiche ­auszuprobieren und sich vor dem Berufseinstieg umfassend schlau zu machen: „Alle Quellen anzapfen, die es gibt, auch die Associates, Referendare und Ex-Referendare und das Umfeld einer Kanzlei. Und im Bewerbungsgespräch klar sagen, was man will! Viele Arbeitgeber sind nicht so eingefahren und unflexibel, wie man meint.“

Bleibt die Frage, ob der scheinbar endlose Private-Equity-Boom nicht eines Tages doch zu Ende geht, und mit ihm die Zeiten, in denen man keine Berufserfahrung braucht, um 160.000 Euro im Jahr plus Bonus zu verdienen. Schließlich sieht es im Moment nicht so aus, als könnte man sich auch in Zukunft noch auf funktionierende globale Lieferketten und ein günstiges Zinsumfeld verlassen. Langjährig erfahrene ­Partner wie Dr. Georg Schneider (55), Co-Leiter der PE-Praxis bei Noerr, sind trotzdem ­zuversichtlich. „Private-Equity-Investoren sind opportunistisch und sehr gut ­darin, ihre Investmentstrategie sich ­bietenden ­Wachstums- und damit Renditechancen anzupassen“, erläutert Schneider.

Neben klassischen Targets etwa im Mittelstand kommen aktuell immer neue Zukunftsbranchen in ­Frage. Der laufende Strukturwandel, etwa durch ­Digitalisierung und Energie­wende, macht schließlich massive Investitionen nötig, ­während die immensen Fondsvermögen eine Verwendung suchen. „Es wird sicher mehr Geld in ­Infra­struktur-Assets investiert werden“, ­prophezeit Schneider.

Definitiv gute Karrierechancen

Dass PE-Anwälte künftig nicht mehr wissen, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen, ist jedenfalls unwahrscheinlich. „Der Beratungsbedarf ist jetzt schon enorm und wird noch weiter wachsen“, sagt Poellath-Partner Thiäner. „Karrierechancen sind definitiv gegeben und werden das auch in ein paar Jahren sein.“ Dass die schlaflosen Nächte am Verhandlungstisch knapp werden, muss also niemand befürchten.


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