Kanzlei und Inhouse im Zufriedenheitsvergleich

Nach dem Referendariat ist vor dem Berufseinstieg und so stehen viele junge Juristinnen und Juristen vor der Frage, wo es hingehen soll. Wirtschaftskanzleien locken mit höheren Gehältern und vielen Karriereperspektiven, während Unternehmen mit einer besseren Work-Life-Balance und Angeboten zur Vereinbarkeit von Karriere und Familie punkten.

Wer die Wahl hat, hat die Qual, so heißt es – und wer will sich schon für den falschen Arbeitgeber entscheiden. Ob ein Einstieg in eine Kanzlei oder in die Rechtsabteilung eines Unternehmens der richtige Schritt ist, hängt von den eigenen Vorstellungen und Erwartungen ab und davon, ob sich diese mit denen des Arbeitgebers decken. Ein Blick auf die Zufriedenheitswerte von Associates in Kanzleien und Unternehmen kann dabei hilfreich sein.

Das Geld und die Gretchenfrage

Verglichen mit Syndikusanwältinnen und -anwälten, jungen Staatsanwälten, Juristen in Behörden oder Richterinnen, verdienen Großkanzlei-Associates bereits in den ersten Berufsjahren sehr viel Geld. An der Spitze zahlen US-Kanzleien bis zu 180.000 Euro im ersten Berufsjahr. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Für viel Geld muss viel gearbeitet werden. Nine-to-five sucht man in den meisten Wirtschaftskanzleien daher vergebens. Ob internationale Großkanzlei, deutsche mittelständische Sozietät oder spezialisierte Boutique. Associates verbringen im Durchschnitt 53 Wochenstunden am Schreibtisch. Knapp 20 Prozent der Associates arbeiten nach eigenen Angaben sogar zwischen 60 bis 75 Stunden pro Woche. Das zeigt eine Auswertung der azur-Associate-Umfrage 2022.

Dagegen fällt die Arbeitszeit von Unternehmensjuristinnen und -juristen moderat aus: Mit rund 45 Wochenstunden arbeiten sie deutlich weniger als ihre Kanzleikollegen. Entsprechend vergeben Inhouse-Anwälte in der azur-Associate-Umfrage 2022 insgesamt bessere Noten für Work-Life-Balance und Vereinbarkeit von Karriere und Familie (siehe Grafik).

Besonders zufrieden zeigen sich etwa die Inhouse-Juristen bei Google. Sie empfinden ihre Arbeit bei dem Tech-Giganten als inspirierend und vergeben auch für die Vereinbarkeit von Karriere und Familie Bestnoten. Von „wirklich flexiblen Arbeits- und Teilzeitmöglichkeiten“ ist in der azur-Umfrage die Rede. Das Energieunternehmen E.on kann mit einem besonders vielfältigen Angebot zur Vereinbarkeit von Karriere und Familie überzeugen, zu dem Jobsharing, mehrmonatige Sabbaticals und Auszeiten für die Betreuung von Angehörigen sowie großzügige Homeoffice-Möglichkeiten zählen. Überdurchschnittlich zufrieden sind auch die Anwälte von Siemens mit der Work-Life-Balance sowie Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Das Unternehmen bietet seinen Angestellten sowohl Teilzeitregelungen als auch Homeoffice-Möglichkeiten.

Karrierebooster Kanzlei

Spätestens seit der Corona-Pandemie existieren auch in den meisten Kanzleien umfassende Homeoffice-Regelungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Associates grundsätzlich verbessert haben. Auch zwingt der Nachwuchsmangel Kanzleien dazu, mit flexiblen Arbeitszeiten, Möglichkeiten zum ortsunabhängigen Arbeiten und Sport- oder Freizeitangeboten um Mitarbeitende zu werben. Dennoch bleiben die Associates aus Kanzleien mit ihrer Work-Life-Balance und der Vereinbarkeit von Karriere und Familie und Freizeit unzufriedener als die Unternehmensjuristen.

Wer auf planbarere Arbeitszeiten und mehr Flexibilität Wert legt, der ist somit in einem Unternehmen grundsätzlich besser aufgehoben. Das Mehr an Freizeit geht jedoch zulasten des Geldes. So liegen die Gehälter von Syndizi deutlich unter den Associate-Gehältern in Top-Kanzleien. Laut der Inhouse-Umfrage des JUVE Verlags, zu dem auch azur gehört, verdienen Inhouse-Juristen ohne Führungsaufgabe im Durchschnitt 85.000 Euro. General Counsel hingegen erhalten im Schnitt 140.000 Euro. Dafür lässt sich in Kanzleien allem Anschein nach besser Karriere machen. Eine Auswertung der azur-Associate-Umfrage zeigt: Der Kanzleinachwuchs schätzt seine Karrieremöglichkeiten insgesamt höher ein als es Associates in Unternehmen tun (siehe Grafik). Letztere bemängeln vor allem fehlende Perspektiven und Transparenz bei der Karriereförderung.

Ob der (Karriere-)Schuh passt, zeigt sich in den meisten Fällen erst nach einigen Jahren. Wer jedoch mit realistischen Erwartungen an den Berufseinstieg herangeht und die eigenen Neigungen und Lebenspläne berücksichtigt, hat gute Chancen, die richtige Wahl zu treffen.


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