Alle lernen Legal Tech

Eine gute Legal-Tech-Ausbildung in Wirtschaftskanzleien wird immer mehr zum Standard. Bei rund 80 Prozent der azur100 Top-Arbeitgeber gehört dies inzwischen zum Ausbildungsangebot. Mit der Entwicklung rücken zudem verstärkt Projektmanagement-Fähigkeiten in den Fokus von anwaltlicher Mandatsarbeit.

Der Ausdruck Legal Tech ist im Rechtsmarkt schon lange kein Fremdwort mehr. Doch im November 2022 kam neuer Schwung in die Debatte um die digitale Transformation von Kanzleien, Rechtsabteilungen und Co: OpenAI launchte seinen Chatbot ChatGPT auf Basis generativer künstlicher Intelligenz (KI). Seitdem gibt es kaum einen Wirtschaftszweig, der sich nicht mit den Möglichkeiten der neuen Technologie beschäftigt. So bleiben auch die Wirtschaftskanzleien nicht unberührt von der Entwicklung.

Inzwischen ist den meisten Beratern klar, dass sie einen Weg finden müssen, digitale Technologien bestmöglich zu nutzen. Damit dies gelingt, müssen sie ihren juristischen Nachwuchs zum Thema Legal Tech schulen. Solche Schulungen werden immer mehr zum Standard, zeigt eine Auswertung der azur100-Top-Arbeitgeber-Recherche: Darin gaben rund 79 Prozent der Kanzleien an, dass sie ihre Associates in Legal Tech ausbilden. Das sind fast 20 Prozent mehr als 2019, als der Anteil noch bei etwa 61 Prozent lag.

Legal Tech ist also längst im Arbeitsalltag der Kanzleien angekommen und wird zur Bearbeitung insbesondere großer Mandate unverzichtbar. Das liegt auch an der steigenden Relevanz und Menge von Daten, die in der Mandatsarbeit durchforstet werden müssen. „Das lässt sich auf herkömmliche Weise gar nicht mehr abwickeln“, sagt ein Partner einer internationalen Großkanzlei. Der Vorteil von vielen digitalen Tools: Sie erleichtern Arbeitsschritte. Mit ihrer Unterstützung lassen sich deutlich einfacher Dokumente oder Verträge nach bestimmten Eckdaten kennzeichnen oder Inhalte erfassen. Vor allem bei großen Transaktionen oder Massenverfahren bringt Legal Tech echte Vorteile. Kleinere Kanzleien, die sich eher auf die Beratung kleiner oder mittelständischer Unternehmen konzentrieren, sind hingegeben häufig noch zurückhaltender beim Einsatz digitaler Lösungen.

Für die digitale Transformation der Rechtsberatung ist allerdings nicht nur die Technologie wichtig, sondern auch ein Umfeld, in dem sie bestmöglich eingesetzt werden kann. Dafür bauen Kanzleien – genau wie Rechtsabteilungen – seit einigen Jahren interdisziplinär zusammengesetzte Legal-Operations-Teams auf. Sie sollen Abläufe optimieren und professionalisieren – sowohl intern als auch auf Mandaten. Dabei sind längst nicht mehr nur rechtliche, sondern auch kommunika­tive und organisatorische Fähigkeiten gefragt. Insbesondere das Projektmanagement hat in den vergangenen Jahren enorm an Bedeutung gewonnen. Kein Wunder: Für Kanzleien reicht juristische Brillanz heute nicht mehr aus, um Mandanten von sich zu überzeugen. Vielmehr fordern diese zusätzliche Serviceleistungen und eine effiziente Bearbeitung des Mandats ein. Bei all dem kann das Projektmanagement helfen. Deshalb bieten alle großen, aber mittlerweile auch mittelständische Kanzleien Projektmanagement-Kompetenz. Natürlich müssen Anwältinnen und Anwälte nicht alle Kenntnisse in einer Person vereinen. Teamwork ist zielführender. Deshalb arbeiten sie zunehmend eng mit anderen Disziplinen zusammen und profitieren so voneinander. Trotzdem schulen einige Kanzleien den Nachwuchs nicht nur in technischen, sondern auch in anderen Legal-Operations-Fertigkeiten. Zum Beispiel führte Noerr zuletzt ein Projektmanagement-Training für Senior Associates ein, bei dem sie unterschiedliche Methoden auch zum agilen Arbeiten und Tools kennenlernen. Bei einer anderen deutschen Großkanzlei, Gleiss Lutz, steht Legal-Project-Management ebenfalls regelmäßig auf dem Ausbildungsplan der Anwältinnen und Anwälte.


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