Noch mehr Gehalt? Kein Problem!

Der anhaltende Mangel an hoch qualifiziertem juristischem Nachwuchs bringt immer wieder Bewegung in die Associate-Gehälter. Neben US-Kanzleien zahlen auch zunehmend spezialisierte Boutiquen Gehälter der Spitzenklasse.

Insgesamt 18 Kanzleien zahlen inzwischen ein Einstiegsgehalt von mindestens 150.000 Euro und mehr. Ganz oben stehen noch immer die US-Kanzleien: Spitzenreiter bleibt mit 180.000 Euro Milbank. In der markführenden Gruppe sind ihr die US-Wettbewerber Willkie Farr & Gallagher, Skadden Arps Slate Meagher & Flom und Kirkland & Ellis auf den Fersen. Und seit Juli ist auch Gibson Dunn & Crutcher Teil dieser Top 5. Sie zahlt ihren First-Year-Associates nun 20.000 Euro mehr und damit ein Gehalt von 165.000 Euro im Jahr.

Dass sich die Gehälter bei den US-Kanzleien so entwickeln, ist nicht überraschend, wenn nicht sogar erwartbar. Sie beschäftigen in Deutschland vergleichsweise wenige Associates und rechnen in ihrem oft an den US-Markt orientiertem Geschäft höhere Stundensätze ab. Bei einer integrierten Partnerschaft können die US-Kanzleien in Deutschland somit sehr profitabel arbeiten. Außerdem erhalten die Associate-Kolleginnen und -Kollegen in den USA ebenfalls sehr hohe Gehälter, so bezahlt Kirkland im US-Heimatmarkt bereits 200.000 US-Dollar für Berufsanfängerinnen und -anfänger. Dies erhöht den Druck auf die internationalen Kanzleien. Denn die deutschen Associates orientieren sich letztendlich an dem, was ihresgleichen in den USA verdient.

Auch kleinere Kanzleien bieten mit

Neuerdings finden sich zwei Boutiquen, also auf bestimmte Rechtsgebiete fokussierte Kanzleien, zwischen den US- und Großkanzleien der Top-Zahler. Eine davon ist die auf Transaktionen spezialisierte Hamburger Kanzlei Renzenbrink. Sie beschäftigte zuletzt ein kleines Team von 9 Associates. Nun zahlt sie ihren Berufseinsteigern 160.000 Euro. Darüber hinaus bietet Renzenbrink ihnen jetzt die Teilnahme an einem berufsbegleitenden LL.M.-Studium in Corporate & Business Law. Auch Secondments sollen ermöglicht und weitere Ausbildungsmaßnahmen in Kooperation mit anderen Boutiquen angeboten werden.

Die andere Boutique mit Spitzengehalt ist die auf IP-Recht spezialisierte Einheit Arnold Ruess mit einem Associate-Team von zuletzt 12 Anwältinnen und Anwälten. Zum Juli erhöhten die Düsseldorfer ihr Einstiegsgehalt auf 150.000 Euro. Ein Signing-Bonus in Höhe von 15.000 Euro ist dabei inbegriffen. Beide Kanzleien entwickeln zudem das Bonussystem in den höheren Berufsjahren weiter. Bei Arnold Ruess etwa orientiert sich der Bonus in einem Stufenmodell nach den abgerechneten Stunden. Je nach Leistung können Associates somit zwischen 15.000 und 35.000 Euro zusätzlich verdienen. Es gibt aber auch Kanzleien, die sich direkt zum Start an der Marktspitze orientieren: So lockt ein erst im Juni gegründeter KI- und Tech-Spin-off von Noerr, Aitava, ihren Nachwuchs ebenfalls mit 150.000 Euro Einstiegsgehalt.

Wenige Associates mit Spitzengehalt

Für diese Boutique-Kanzleien gilt am Ende wohl das gleiche Rezept wie für die US-Kanzleien: Sie stellen nur wenige Associates ein, diese sollen aber bestens qualifiziert sein. Dafür dürfen sie dann auch viel kosten. Gerade in einer kleinen Kanzleistruktur ist es einfacher möglich, diese Gehaltssummen zu finanzieren. Nicht nur zahlen Mandanten für Spezialisten, die Boutiquen auf ihrem Gebiet jeweils sind, oft höhere Stundensätze. Zusätzlich halten kleine Kanzleien ihre Kosten wegen ihrer schmal aufgestellten Struktur deutlich niedriger. Der administrative Aufwand ist geringer als in einer großen, mehrere hundert Anwältinnen und Anwälte zählenden Einheit.

Und da am Ende alle aus demselben Pool an juristischem Nachwuchs fischen, können die Boutiquen über die Gehälter bei Bewerbern auf sich aufmerksam machen. Das müssen sie auch, denn sie stehen im Wettbewerb mit den viel bekannteren Großkanzleien wie Hengeler Mueller oder Gleiss Lutz, die mindestens 150.000 beziehungsweise 140.000 Euro zahlen. Neben Freshfields Bruckhaus Deringer, die zuletzt Ende 2022 auf ein Gesamtgehalt von 155.000 Euro im ersten Berufsjahr erhöhte, sind die direkten Wettbewerber mit UK-Ursprung ebenfalls nicht weit entfernt: Linklaters bietet 150.000 Euro, auch Allen & Overy erhöhte zum Mai diesen Jahres auf den Betrag. Clifford Chance zahlt 140.000 Euro.

Wettbewerb mit weitreichenden Folgen

Längst spielt sich das Gehälterspektakel nicht mehr nur in den oberen Gehaltsklassen ab. Auch die mittelständisch orientierten Kanzleien passen die Vergütung ihrer Anwältinnen und Anwälte dem Geschäft an. So erhöhte zuletzt die Essener Einheit Kümmerlein um 20.000 Euro auf nun 100.000 Euro für Associates im ersten Berufsjahr. Diese Summen werden überhaupt erst möglich, weil auch dieses Kanzleisegment zunehmend lukrativere Mandate gewinnen kann. Eine Partnerschaft, die einem ausgeprägteren Management unterliegt, arbeitet fachübergreifend zusammen. Durch größere Mandate nimmt der Verwaltungsaufwand im Verhältnis ab, und es kommt mehr Geld in die Kasse.

Dass immer mehr Kanzleitypen in hohe Gehaltsphären vordringen, beweist einmal mehr den Druck, unter dem sie bei der Personalgewinnung stehen. Gleichzeitig können die Erhöhungen ganz neue Probleme mit sich bringen: Ein Partner aus einer Großkanzlei berichtete etwa von zahlreichen Associates, die kurz nach der letzten Erhöhungsrunde ihre Stunden reduzierten. Das heißt, obwohl eine Kanzlei unterm Strich mehr ausgibt, schmolzen die personellen Kapazitäten unter solchen Bedingungen sogar. Umso wichtiger ist das, wonach viele Associates weiterhin suchen: attraktive Angebote abseits der sich aufwärts drehenden Gehaltsspirale.


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