Bonus statt Lockstep: Associate-Gehälter werden unübersichtlicher.

Höhere Einstiegsgehälter sind nur die halbe Wahrheit. Denn zugleich verabschieden sich viele Kanzleien von starren Vergütungsmodellen für ihre Associates. Das kann man als Flexibilisierung verstehen, aber auch als Warnung.

Seit neun Monaten rumort es in den Partnerversammlungen und Personalausschüssen. Nachdem Willkie Farr & Gallagher im Frühjahr 2021 ein neues Spitzengehalt von 155.000 Euro plus Bonus für Berufseinsteiger ausgerufen hatte, gerieten die Wettbewerber unter Zugzwang.

Zum Jahreswechsel haben noch einmal zahlreiche Kanzleien nachgezogen – nicht zuletzt, weil zwischenzeitlich mit CMS Hasche Sigle (360 Associates) und Freshfields Bruckhaus Deringer (400 Associates) auch die größten Sozietäten in Deutschland Gehaltssteigerungen verkündet hatten. Mehr Geld bieten seit Januar weitere große Einheiten wie etwa Noerr, Görg oder Taylor Wessing, aber auch etliche kleinere, bei denen der Vergütungsaufschlag nicht gleich hundert oder mehr Associates betrifft. Denn für die Großkanzleien muss jede Erhöhung ja multipliziert werden: Bei Noerr zum Beispiel gibt es rund 220 Associates, bei Taylor Wessing rund 180, bei Görg 160. Hinzu kommen jeweils zahlreiche Salary-Partner oder Counsel, die bei der Erhöhungsrunde nicht übergangen werden, und meistens bekommen auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter sowie Referendare mehr. Zurecht ist schon darauf hingewiesen worden, dass sich der Kanzleimarkt die Erhöhungen rein finanziell durchaus leisten kann – die Honorarumsätze steigen Jahr für Jahr, die Volatilität des Beratungsgeschäfts ist gering.

Associate-Lockstep unter Druck

Trotzdem zwingt das Thema Geld die Sozietäten zu einem Eiertanz: Passt es zu einer seit Jahren erhöhten Honorarsensibilität bei den Mandanten? Passt es zu einer stärker auf ‚Purpose‘ ausgerichteten Juristengeneration? Die Ideen der Kanzleimanager fallen differenziert aus, doch sind zwei Trends erkennbar. Erstens: Der automatische Anstieg der Gehälter, der auch als Associate-Lockstep bezeichnet wird und so etwas wie Marktstandard war, wird zunehmend modifiziert. Immer öfter gibt es nicht automatisch Jahr für Jahr ein sattes Plus, sondern nur noch ein etwas höheres Festgehalt. Mehr Gewicht bekommt stattdessen eine Leistungskomponente – ein Bonus, der in der Regel die persönliche Leistung berücksichtigt. Am stärksten ist diese Tendenz traditionell bei Poellath ausgeprägt: Angestellte Anwälte werden dort mit Ernennung zum Senior-Associate an allen selbst erwirtschafteten Umsätzen beteiligt. Dieser prozentuale Anteil steigt mit den Jahren nun schneller als bisher, dafür verharrt das – massiv erhöhte – Grundgehalt ab dem vierten Berufsjahr bei 165.000 Euro.
Görg gewichtet die flexible Gehaltskomponente ebenfalls stärker. Das Gehalt steigt bis zum fünften Berufsjahr nur langsam, allerdings sind jährlich wachsende Bonuszahlungen von bis zu 55.000 Euro möglich. Bei SZA Schilling Zutt & Anschütz sieht es ab April ähnlich aus: Zum Einstieg zahlt die Kanzlei dann 140.000 bis 150.000 Euro statt bisher 110.000 bis 120.000 Euro. Dazu kommt ein Bonus, der ab dem dritten Berufsjahr bis zu 10.000 Euro betragen und bis zum achten Berufsjahr um jeweils 10.000 Euro pro Jahr ansteigen kann. In der Spitze liegt der Bonus damit bei 60.000 Euro.

Die Differenzierung zwischen Associates durch individuell bemessene Boni verweist auf den zweiten Trend: Viele Kanzleien lassen sich und ihren Angestellten mehr Spielraum bei der Ausgestaltung ihrer Arbeitszeiten und beseitigen damit verbundene Ungerechtigkeiten auf dem Partnertrack. Beispiel Hengeler Mueller: Regulär stehen Hengeler-Associates nach sechs Berufsjahren zur Aufnahme in die Partnerschaft an, bei Teilzeittätigkeit oder Auszeiten verlängert sich der Track auf maximal acht Jahre. Nun rechnet Hengeler Teilzeitarbeit zu mindestens 80 Prozent mit maximal drei Jahren Dauer wie Vollzeit auf den Partnertrack an, ebenso bis zu drei Monate Elternzeit pro Kind.

Freizeit gegen Geld

Andere Kanzleien bieten ihren Anwälten ganz explizit an, eine von zwei Gangarten auszuwählen. Nach Vorreitern wie Baker McKenzie, Linklaters und McDermott Will & Emery bietet nun auch Schalast ein alternatives Arbeitszeitmodell an: Unter der Überschrift ‚Basic‘ zahlt die Kanzlei ein Einstiegsgehalt von 75.000 Euro, erwartet aber nur rund 1.300 abrechenbare Stunden und ermöglicht so zum Beispiel viel Familienzeit oder ein berufsbegleitendes Studium. Im Modell ‚Intensive‘ liegt das Einstiegsgehalt bei 95.000 Euro und der Zielwert der Billables bei 1.800 Stunden. Anders als bei den meisten anderen Alternative-Track-Angeboten sind die restlichen Konditionen bei Schalast aber für alle gleich: die volle Durchlässigkeit zwischen beiden Modellen, die identische Partnerperspektive und ein individueller Bonus. So soll der Eindruck vermieden werden, dass es mit dem Basic-Modell Associates zweiter Klasse gäbe. Angesichts der vielen Bonus- und Belastungsvarianten steuert der Markt aber gar nicht so sehr in Richtung einer Zweiklassengesellschaft, sondern in eine neue Unübersichtlichkeit. Die unterschwellige Botschaft an Associates: Fühlt euch nicht zu komfortabel mit den neuen, hohen Festgehältern. Das unternehmerische Risiko wird geteilt und liegt ab sofort nicht mehr allein bei den Partnern.


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