Misslungenes Jurastudium: Wissenschaftler fordern Paradigmenwechsel in der Lehre
Die deutschen Universitäten können deutlich mehr dafür tun, dass es weniger Studienabbrecher im Fach Jura gibt. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) in Hannover äußern in einer Studie über die Ursachen des Studienabbruchs viel Kritik an der Betreuungssituation – Motivation und gezielte Hilfen zur Leistungsverbesserung sind Fehlanzeige.
Die Studienabbruchquote in Jura (Staatsexamen) beträgt für die Studienanfängerjahrgänge 2007 bis 2009 24 Prozent, so die Wissenschaftler. Das liege zwar deutlich unter den Studienabbruchquoten von 32 Prozent, die im universitären Bachelorstudium bestehen, falle aber weitaus höher aus als die betreffenden Quoten in anderen Staatsexamens-Studiengängen wie etwa Medizin. Die DZHW-Studie entstand im Auftrag des NRW-Justizministeriums.
Bildungsweg und Herkunft entscheiden
Der schulische Bildungsweg und die Herkunft spielen eine wichtige Rolle für Erfolg oder Misserfolg. Ohne Verwurzelung im akademischen Milieu sind Studienanfänger gerade in den Rechtswissenschaften deutlich benachteiligt, so die Studie: „Sie verfügen nicht nur über weniger materielle Ressourcen und elterliche Unterstützung, sondern sind auch weniger eingeführt in akademische Kulturen.“ Nach Ansicht der DZHW-Wissenschaftler gelingt es den Unis nicht, diesen Nachteil im Studium auszugleichen.
Die Verantwortlichen dafür sind vor allem unter den Professoren zu suchen. Das DZHW konstatiert eine „sehr geringe Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden“. Es gebe eine beträchtliche Distanz: „Im Jurastudium hat sich bislang keine Tradition eines lebendigen Diskurses zwischen Lehrenden und Studierenden weder in noch neben den Lehrveranstaltungen entwickelt.“ Um das Verhältnis zwischen beiden Gruppen zu verbessern, sei nicht weniger als ein Paradigmenwechsel in der Lehrkultur erforderlich.
Geringe Identifikation mit dem Fach
Ein weiterer Nachteil entsteht den Studienanfängern, wenn sie über juristische Inhalte und Tätigkeiten keinerlei Vorwissen haben. Sie verfügen in diesem Fall nur über eine schwache Identifikation mit dem Fach Rechtswissenschaften und schätzen sowohl die Inhalte und Ansprüche des Studiums als auch die späteren Berufsmöglichkeiten unrealistisch ein. Auch hier könnte man beinahe von einem Versagen der Hochschulen sprechen, denn laut DZHW ist auch die Fachidentifikation bei vielen Absolventen vergleichsweise gering: „Studium und Lehre haben nicht zu einer festen Verbundenheit mit einer juristischen Tätigkeit geführt.“
Die Einsicht der unglücklichen Studenten in ihre fehlende Eignung kann lange dauern. Im Schnitt, so die Forscher, vergehen bei den Einzelnen beinahe anderthalb Jahre, bis sie ihr Jurastudium tatsächlich aufgeben. Über ein Viertel der Studienabbrecher haben bereits zehn Semester absolviert. Im Durchschnitt exmatrikulieren sich Jura-Abbrecher erst nach rund sieben Fachsemestern – ein Problem nicht nur für die Aussteiger. Auch die Hochschulen könnten ihre Kapazitäten sinnvoller einsetzen und zum Beispiel Lehrveranstaltungen in kleineren Gruppen abhalten. Denn auch die bereits exisitierenden Betreuungsangebote der Jurafakultäten schneiden in der DZHW-Bewertung nicht gut ab: Mentorenprogramme, Erstsemestertutorien und zum Teil auch die Kurse zur Studiengestaltung und zum wissenschaftlichen Arbeiten müssten verbessert werden, damit sie den Studienerfolg positiv beeinflussen könnten. (Markus Lembeck)