LL.M.-Studium in den USA
Er ist teuer und erfordert viel Planung. Aber wer seinen LL.M. in den USA abschließt, kehrt mit vielen Eindrücken zurück, die einen persönlich und beruflich weiterbringen.
Jahr 2022 sind mehr als eine Million junge Menschen in die USA gereist, um dort zu lernen. Natürlich auch deutsche LL.M.-Studentinnen und -Studenten, die allerdings eine in jeder Hinsicht kleine Nische belegen: Die meisten Bildungsreisenden kommen aus Asien. Und die wenigsten kommen wegen Jura. ‚Legal Studies‘ taucht unter den populären Studienfächern nicht auf, der Anteil liegt bei rund 1 Prozent. Eine exakte Zahl, wie viele Deutsche pro Jahr für den ‚Master of Laws‘ in die USA gehen, gibt es nicht.
Jonathan Seebach (30), Associate im Frankfurter Büro von Cleary Gottlieb Steen & Hamilton, war 2022 dabei – nicht am Remote-Schreibtisch, wie es während der Corona-Jahre vorgeschrieben war, sondern live vor Ort in New York City. Trotz Pandemie. „Als Mitte August die Einführungskurse begonnen haben, waren die Schutzmasken noch Pflicht“, erinnert er sich. Trotzdem ließen die Covid-Einschränkungen im Laufe seines LL.M.-Studienjahres nach. „Die Maskenpflicht war Ende 2022 vorbei, und kurz darauf fielen auf dem Campus auch alle übrigen Maßnahmen weg.“
Als noch kein Mensch an globale Pandemien denken musste, war Kai Graf von der Recke (51) zum LL.M.-Studium nach Boston gereist. Dort erwischte er einen denkwürdigen, ja schrecklichen Start. Es war der 11. September 2001. „Als ich auf dem Weg war, um in der Universitätsverwaltung meine Studiengebühren einzuzahlen, sah ich auf den Fernsehbildschirmen im Starbucks die Bilder vom Terroranschlag auf das World Trade Center.“ Ob Corona oder Al-Qaida-Terror – jedes Auslandsstudium kann unerwartete Aspekte offenbaren. Letztendlich ist das auch gut so, findet von der Recke, vor allem auf der persönlichen Ebene: „Mein Tipp zum Auslandsstudium ist: So weit weg wie möglich!

Man entwickelt sich unheimlich weiter, kann den eigenen Träumen folgen und bringt ein anderes Mindset mit.“ Nach dem LL.M. bestand von der Recke übrigens auch das ungleich schwierigere Bar Exam und brachte die US-Anwaltszulassung mit – aber das ist eine andere Geschichte. Heute ist er Partner bei Rödl & Partner in Stuttgart und berät vor allem zu M&A-Transaktionen und im Gesellschaftsrecht.
Kursprogramm ganz nach Wahl
Die Vielfalt der amerikanischen Universitätslandschaft ist ein riesiger Pluspunkt. Ob Ostküste, Westküste, Norden oder Süden – die USA beheimatet quer über das ganze Land rund 200 Law Schools mit diversen Besonderheiten und Schwerpunkten. Nicht alle bieten für auswärtige Studierende geeignete LL.M.-Kurse an, aber die Auswahl ist in keinem anderen Land so groß wie dort. Der organisatorische Aufbau des Studiums kann ganz unterschiedlich sein. „Wir haben an der Boston University Law School überwiegend dieselben Seminare und Vorlesungen belegt wie die einheimischen JD-Studenten“, berichtet von der Recke. Der JD (Juris Doctor) ist der grundlegende Studienabschluss für amerikanische Juristen. „Das war nicht ohne. Die Dozenten haben ihre Kurse mit dem üblichen Tempo abgehalten, ohne viel Rücksicht auf die ausländischen LL.M.-Studenten.“
Andere Law Schools bieten spezielle Kurse für die Gäste, manche setzen auch auf eine fachliche Spezialisierung. Weil sich bei Jonathan Seebach beruflich alles um Steuern dreht – bei Transaktionen, im steuernahen Gesellschaftsrecht und als Tax Litigation – entschied er sich für den renommierten LL.M. in International Taxation der New York University (NYU) und war einer von 25 Teilnehmenden aus aller Welt. „Inhaltlich hat es meine Erwartungen voll erfüllt“, so Seebach. „Es ist sicherlich eine der besten Adresse für dieses Thema, und ich habe mich gefreut, als die Zusage von der NYU kam.“ Es gibt heute konkrete Mandate, in denen Seebach sein Wissen anbringen kann – etwa, wenn es um das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Deutschland und den USA geht. Es wird in den beiden Ländern unterschiedlich angewandt, mal gründlich, mal pragmatisch.
Die meisten internationalen LL.M.-Studiengänge sind auf ein Jahr angelegt, auch in den USA. Aber das ist sozusagen eine Bruttoangabe, denn mit Start Mitte August und einem Ende Mitte Mai lässt sich der Abschluss bereits in gut neun Monaten erlangen. Aber die Teilnehmenden müssen auch damit rechnen, 100.000 Euro und mehr auf den Tisch zu legen. In jedem Jahr veranstalten viele Law Schools eigene Karrieremessen, um ihre Leute mit potenziellen Arbeitgebern ins Gespräch zu bringen. Die Absolventinnen und Absolventen mit der begehrten Zusatzqualifikation sind bei bestimmten internationalen Sozietäten begehrter als die mit einem Doktortitel.
Manche der deutschen Interessenten gehen nach der ersten Staatsprüfung ins Ausland – also noch vor dem Beginn des Referendariats. Ob das der ideale Zeitpunkt ist, wird immer wieder diskutiert. Einerseits kann man so die in manchen Bundesländern nötige Wartezeit auf den Vorbereitungsdienst sinnvoll nutzen und sich nach dem Prüfungsstress belohnen. Andererseits verlängert man durch ein Extrajahr im Ausland den Abstand zwischen Erstem und Zweitem Staatsexamen. Die intensive Lernphase für die erste Prüfung ist dann lange her. „Erst die Pflicht, dann die Kür“, meint dazu Kai Graf von der Recke. „Ich bin ganz entschieden dafür, das LL.M.-Jahr erst nach dem Zweiten Staatsexamen einzuplanen und es gewissermaßen als krönenden Abschluss der Ausbildung zu betrachten.“

Finanzierung mit dem Arbeitgeber
Es ist bei dieser Variante auch denkbar, das LL.M.-Studium während der ersten Berufsjahre als Wirtschaftsanwältin oder -anwalt nachzuholen – wenn der Arbeitgeber, im Regelfall eine international orientierte Kanzlei, mitspielt und dieses Engagement zu schätzen weiß. Bei Jonathan Seebach von Cleary Gottlieb war das der Fall. Seebach heuerte 2020 dort an, nachdem er die Kanzlei bereits im Referendariat kennengelernt hatte. „Die Möglichkeit eines LL.M.-Studiums war schon im Arbeitsvertrag vorgesehen“, erzählt er. Für Cleary-Anwälte keine Ausnahme, sondern fast schon eine übliche Regelung. Die Vorteile einer solchen Abfolge liegen auf der Hand, denn dann ist neben der Freistellung von der Arbeit auch ein finanzieller Zuschuss oder ein Arbeitgeberdarlehen denkbar. Und meistens hat man schon etwas Geld auf die Seite legen können, um die Finanzierung zu erleichtern.
Der ideale Zeitpunkt hängt von individuellen Gegebenheiten ab. Aber bewerben – und vorbereiten – kann man sich nur im Jahrestakt. Seebach erzählt, dass er im September 2021 die konkrete Planung für sein LL.M.-Jahr in Angriff genommen hat. „Das hätte man anders machen können, vor allen Dingen frühzeitiger“, sagt er lächelnd. „Aber der Alltag als Anwalt war spannend und arbeitsreich, und so fiel meine Vorbereitungszeit eher knapp aus.“ Zwar sind die Bewerbungsfristen der Law Schools oftmals im Dezember, doch für die Reiseplanung, speziell für die Finanzierung, sollten Interessentinnen und Interessenten sich selbst ausreichend Zeit geben. Denn es kann sein, dass bestimmte Finanzierungstöpfe wie Stipendienprogramme schon im Sommer verplant werden. Mit anderen Worten Der einjährige LL.M. braucht insgesamt zwei Jahre Aufmerksamkeit.
Viele US-Law Schools – auch die der NYU, wo Seebach studierte – nutzen eine gemeinsame Plattform und Zulassungsstelle. Diese Plattform heißt LSAC (Law School Admission Council) und organisiert die Bewerbungsprozesse für viele Jurastudiengänge, einschließlich LL.M.-Programme. LSAC sammelt relevante Dokumente, Empfehlungsschreiben und Testergebnisse etwa über Sprachkenntnisse. Bewerber haben den Vorteil, dass sie ihre Unterlagen nur einmal übermitteln müssen, der LSAC gibt sie dann an die Universitäten weiter. Allerdings gibt es auch Law Schools, die das zentrale Bewerbungsverfahren nicht nutzen. Dort müssen die Interessenten sich separat bewerben.
Der hohe Aufwand für die Vorbereitung ist schnell vergessen, meint von der Recke, wenn man erst einmal vor Ort ist. „Man sollte die Chance nutzen, sich auf die andere Kultur einzulassen und tief in die Sprache einzutauchen.“ Dafür muss es nicht die Ivy League der US-Elite-Universitäten sein, und er warnt vor übertriebenem Ehrgeiz. „Man kann das Studium natürlich verbissen und mit großem Ehrgeiz durchziehen. Meine Empfehlung ist, es ruhig angehen zu lassen, natürlich an der Law School präsent sein und die Assignments zu erfüllen, aber auch Land und Leute kennenzulernen.“ Ähnlich beschreibt es Seebach. „Ich war ein Semester lang wirklich sehr fleißig und habe alles gelesen und geschrieben, was verlangt wurde.“ Im zweiten Semester stellte er dann fest, dass es in und um New York auch andere interessante Dinge zu entdecken gibt. Auch das gehört zum LL.M.-Jahr. Seebach: „Ich würde es definitiv nochmal machen – organisatorisch vielleicht besser vorbereitet, aber es hat mir persönlich unheimlich viel gebracht.“

Karriere-Treffpunkte: Die großen Jobmessen für LL.M.-Absolventen sind eine Art Dienstleistung der Law Schools, die damit den ausländischen Studierenden besonders zielführende Arbeitgeberkontakte ermöglichen. Darunter sind drei Großveranstaltungen – zweimal an der Ostküste, einmal an der Westküste. Regelmäßig reisen Partnerinnen und Partner deutscher Kanzleien in die USA, um vor Ort die begehrten Bewerberinnen und Bewerber kennenzulernen.
Los Angeles: Das UCLA LL.M. Interview Program richtet sich ebenfalls an internationale Arbeitgeber und Studierende. Die UCLA School of Law organisiert das Event, 13 renommierte Law Schools fördern es.
New York: LL.M. International Student Interview Program (ISIP): Dies ist die größte Bewerbermesse für LL.M.-
Absolventen mit internationaler Ausrichtung. Der Termin liegt Ende Januar und hat einen langen Vorlauf. Anfang November endet die Bewerbungsfrist für LL.M.-Studierende. Alle Interviews werden dann vorab fest terminiert, rund 160 Kanzleien nehmen teil. Über 30 Law Schools unterstützen das Programm, Gastgeber ist die NYU School of Law.
New York: Columbia LL.M. Interview Program mit 7 eher elitären Law Schools (inkl. Harvard und Yale), ebenfalls Ende Januar, ebenfalls in New York.
Am 6. November 2023 lädt die DAJV zum LL.M. Day nach Köln ein.
Ein großes Verzeichnis internationaler LL.M.s findest du im Bereich Studium.