Gute Bewerberlage in der Justiz

Junge Juristinnen und Juristen wollen weiterhin in den Richter- oder Staatsanwaltsberuf. Dies lässt sich aus der guten Bewerberlage schließen, die eine Umfrage der Deutschen Richterzeitung ergab. Doch auch der Weg in die Wirtschaftskanzlei bleibt weiterhin attraktiv und somit der Wettbewerb um guten Nachwuchs hoch.

Die Sorge vor einem Mangel an Richtern und Staatsanwältinnen mit Blick auf die Pensionierungswelle ist offenbar unbegründet. In allen Bundesländern überstieg in den vergangenen Jahren die Zahl der Bewerbungen die Zahl der Neueinstellungen. Für ein genaueres Bild befragte die Deutsche Richterzeitung (DRiZ) die Justizverwaltungen aller Bundesländer und hat nun die Zahlen für den Zeitraum von 2018 bis 2022 miteinander verglichen.

Zahl der Studienabschlüsse konstant

Die Zahl der Absolventinnen und Absolventen mit bestandenem zweiten Staatsexamen ist seit 2018 überwiegend stabil geblieben. In NRW etwa legten im vergangenen Jahr 1.926 Studierende das zweite Staatsexamen erfolgreich ab. Auch in anderen Ländern wie Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg war ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. Dieser lag teilweise bei über 20 Prozent. Nur in Berlin und Brandenburg waren die Absolventenzahlen im Vergleichszeitraum rückläufig: in Berlin sank die Zahl von 700 im Jahr 2018 auf nur noch 543 vier Jahre später.

Hoch qualifizierte Bewerber

Aus diesem stabilen Pool an juristischem Nachwuchs gelingt es der Justiz, die hoch qualifizierten Juristinnen und Juristen für sich zu begeistern. Zwischen 2018 und 2022 haben die Bundesländer Stellen mit Personal besetzt, das durchschnittlich sehr gute Ergebnisse in ihrem zweiten Staatsexamen vorweisen konnte.

Folgende Bundesländer haben Bewerber mit durchschnittlich neun Punkten oder mehr eingestellt:

  • Baden-Württemberg: zwischen 9,13 und 9,42 Punkte
  • Bayern: zwischen 9,37 und 9,74 Punkte
  • Hamburg: zwischen 9,52 und 9,91 Punkte
  • Niedersachsen: zwischen 9,05 und 9,66 Punkte
  • Nordrhein-Westfalen: 60-70 Prozent mit Prädikat im zweiten Staatsexamen, alle anderen hatten die Note befriedigend
  • Rheinland-Pfalz: zwischen 8,57 und 9,33 Punkte

Aus Nachwuchssorgen Notenanforderungen gesenkt

Einige Bundesländer haben allerdings in der jüngeren Vergangenheit ihre Notenanforderungen gesenkt, um mehr Bewerberinnen und Bewerber anzusprechen. In Brandenburg können sich seit 2019 beispielsweise Absolventen ab acht Punkten im zweiten Staatsexamen auf den höheren Dienst in der Justiz bewerben. Mecklenburg-Vorpommern erwartet mindestens zwei befriedigende Examina, Sachsen lädt ab 14 Punkten und Sachsen-Anhalt ab 16 Punkten in Summe zum Bewerbungsgespräch ein. In Berlin liegt die Untergrenze bei einer Summe von 15 Punkten in beiden Examen. Als einziges Bundesland im Westen hatte Hessen zuletzt 2022 die erforderliche Summe auf 15 Punkte gesenkt.

Entspannte Bewerberlage

Kein Bundesland meldet eine angespannte Situation bei den Bewerbungen. Die Zahl der Interessenten für Jobs als Richterin oder Staatsanwalt überstieg die Zahl der letztendlich getätigten Neueinstellungen überall. In NRW, Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen lag der Schnitt zwischen 2018 und 2022 bei zwei zu eins oder oder höher. Niedersachsen meldete etwa vier Bewerbungen auf eine Stelle, Berlin drei auf eine für das Jahr 2022. Andererseits ist bei durchschnittlich zwei Bewerbungen auf eine Stelle die Auswahl seitens der Gerichte nicht besonders hoch. Für Bewerbende mit den nötigen Anforderungen bedeutet es aber weiterhin, dass sie gute Chancen auf einen Job als Richter oder Staatsanwältin haben.

Wettbewerb um den hoch qualifizierten Nachwuchs

Trotz der laut DRiZ-Umfrage entspannten Situation bei den Gerichten bleibt der Weg in den gehobenen Staatsdienst für viele Juristinnen und Juristen nicht die erste Wahl. Die azur-Bewerberumfrage ergab, dass ein geringerer Anteil der potenziellen Bewerber in Zukunft ihren ersten Job dort anfangen möchte. Im Vergleichszeitraum von 2018 bis 2022 hat sich dies nur marginal verändert: Lediglich zwischen 7 und knapp 13 Prozent der Befragten können sich vorstellen, ihre berufliche Laufbahn beim Gericht oder der Staatsanwaltschaft zu beginnen. Im Vergleich dazu können sich zwischen 70 und knapp 85 Prozent vorstellen, ihren ersten Job in der Kanzlei anzunehmen.

Egal, ob junge Juristinnen und Juristen eine Laufbahn im öffentlichen Dienst, eine Karriere in einer Wirtschaftskanzlei oder eine Laufbahn als Inhouse-Jurist in einem Unternehmen anstreben, überall wird um den hoch qualifizierten Nachwuchs gebuhlt.

Gerade mit Blick auf die Gehälter können die wenigsten Arbeitgeber mit den Summen mithalten, die immer mehr Kanzleien ihren Berufseinsteigern inzwischen bieten. Letztlich fördert die Konkurrenz aber Initiativen für die Nachwuchsgewinnung. So haben viele Länder zuletzt mehr Flexibilität bei den Laufbahnen im gehobenen Dienst zugelassen.

In einigen Bundesländern können angehende Juristinnen und Juristen nun während ihres Referendariats als Justizassistenz einer Nebentätigkeit nachgehen. Auch viele Kanzleien bieten die Möglichkeit, als wissenschaftliche Mitarbeiter den Kanzleialltag kennenzulernen. In Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wird seit Kurzem auf die übliche Rotation während der Probezeit zu Beginn der Richterlaufbahn verzichtet. Neben Baden-Württemberg haben auch weitere Länder daran gearbeitet, ein modernes Arbeitsumfeld zu schaffen und etwa die elektronische Akte, flexiblere Arbeitszeiten und mobiles Arbeiten eingeführt.


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