Zukunftshoffnung Wasserstoff als juristische Herausforderung
- Energiewirtschaftsrecht
Unternehmen benötigen in der Umsetzung umfangreiche anwaltliche Begleitung
Wasserstoff soll in der künftigen Energieversorgung Deutschlands eine zentrale Rolle spielen und wesentlich dazu beitragen, bis zum Jahr 2045 das Ziel einer klimaneutralen Volkswirtschaft zu erreichen. Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung zielt daher
insbesondere auf einen beschleunigten Markthochlauf des Energieträgers, indem unter anderem verlässliche Leitplanken für private Investitionen geschaffen werden. Solche Investitionen sind zwingend notwendig, um die immensen Kosten für den Aufbau der nötigen Erzeugungskapazitäten und das Verteilungsnetz zu decken. Diese liegen nach Schätzungen der EU in einem mittleren dreistelligen Milliardenbetrag in Deutschland allein bis 2030.
Offene Fragen trotz regulatorischer Konkretisierung
Die gesetzlichen Voraussetzungen sind in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie 2018/2001 der EU (RED II, nunmehr geändert in die Fassung RED III), dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) festgelegt. Auf regulatorischer Ebene konkretisiert die Bundesregierung die Ziele der Wasserstoffstrategie zunehmend. Durch die Anpassung der 37. BImSchV Wasserstoff darf beispielsweise künftig Wasserstoff der in Raffinerieprozesse eingesetzt wird, bei der Erfüllung verpflichtender Treibhausgasminderungsquoten angerechnet werden. Gleichzeitig verbleibt eine Reihe offener Punkte. So gibt es Interpretationsspielräume und Unsicherheiten hin- sichtlich der Frage, unter welchen Voraussetzungen Wasserstoff als „grün“ eingestuft werden darf. Für Projekte zur Wasserstoffherstellung die sich in der Planung oder Umsetzung befinden ergeben sich daraus erhebliche juristische Herausforderungen.
Vereinbarungen müssen künftige Risiken berücksichtigen
Um betroffene Projekte vor signifikanten Risiken zu bewahren, müssen beteiligte Anwälte die genannten Aspekte insbesondere beim Entwerfen der sog. Power Purchase Agreements oder kurz PPAs berücksichtigen, die die Stromversorgung der Elektrolyseure mit Strom aus erneuerbaren Energien regeln. So könnte zum Beispiel die aktuell diskutierte Aufteilung Deutschlands in mehrere Gebotszonen dazu führen, dass ein Wasserstoffproduzent die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einstufung des Wasserstoffs als „grün“ nicht mehr erfüllt, weil Energieerzeugungsanlage und Elektrolyseur sich plötzlich in unterschiedlichen Gebotszonen befinden Die Unklarheit darüber, ob Strom über Zwischenhändler bezogen werden darf (was nach Auffassung der EU-Kommission nicht der Fall ist), sorgt in der Praxis ebenfalls für Unsicherheit. Noch weitreichender als die regulatorischen Aspekte sind allerdings die Herausforderungen beim Aufbau der Wasserstoff Infrastruktur und speziell die Wechselwirkung zwischen Erzeugungskapazitäten einerseits und Abnahme-zusagen großer Industrieunternehmen andererseits.
Abnahme- und Produktionsmengen bedingen einander
Diese bisweilen als Henne-Ei-Frage bezeichnete Problematik besteht im Kern darin, dass einerseits die benötigten riesigen Investitionen in Herstellungsanlagen erst erfolgen, wenn gesicherte Abnahmemengen zu kalkulierbaren Preisen feststehen. Andererseits zögern potenzielle Abnehmer mit dem Umstieg bspw. von Erdgas auf Wasserstoff weil derzeit die nötigen Produktionsmengen nicht bereitstehen und der regulatorische Rahmen keine verlässliche Abnahmeplanung erlaubt. Der Gesetzgeber ist deshalb gefordert, den regulatorischen Rahmen auch auf der Abnahmeseite klar und eindeutig zu fassen, um verlässliche Planungen entlang der Wertschöpfungskette zu ermöglichen. Zusätzliche Komplikationen schafft der Aufbau des Verteilungsnetzes, den die derzeitigen Betreiber von Gas- und Stromnetzen übernehmen sollen. Der Gesetzgeber verpflichtet sie zu umfangreichen Investitionen, ohne dass belastbare Prognosen darüber vorlägen, welche Mengen an Wasserstoff zu welchen Konditionen überhaupt zu transportieren sind. Damit lassen sich derzeit kaum externe, private Investoren gewinnen.
Verträge besonders sorgfältig verhandeln
Vor diesem Hintergrund benötigt die Entwicklung einer ausreichenden Nachfrage nach grünem Wasserstoff absehbar Fördermittel auf europäischer Ebene, die Finanzierungsrisiken reduzieren und dadurch Investitionsanreize schaffen Auch für den Kernnetzaufbau bleiben Fördermittel bis auf weiteres unverzichtbar, um die Skepsis potenzieller industrieller Kunden zu überwinden und interessierten Investoren tragfähige Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Aus juristischer Sicht bedeutet dies, dass unternehmerische Verträge besonders sorgfältig verhandelt werden müssen, weil die Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung stets mit spezifischen Auflagen verbunden ist. Werden diese vernachlässigt, kann das beispielsweise bei einem Gesellschafter- oder Investorenwechsel kritisch werden und möglicherweise zu Rückforderungen führen.
Generell steht zu hoffen dass EU und Bundesregierung zeitnah einen marktorientierten Rahmen schaffen der privaten Investoren ausreichende Finanzierungssicherheit bietet und Renditen ermöglicht, die im globalen Wettbewerb um Kapital insbesondere im Infrastruktursektor attraktiv sind. Ein erster Schritt in diese Richtung könnte in der Schaffung eines größeren, transnationalen Abnahmemarktes innerhalb der EU bestehen.
So oder so bleibt die umfassende anwaltliche Beratung im Kontext der Wasserstoffstrategie eine hochspannende Aufgabe mit großer Zukunft.