Wer hat’s erfunden? – Teil 2/2

Das UPC eröffnet nicht nur neue Wege für Patentstreitigkeiten, sondern auch spannende Karrieremöglichkeiten für Juristinnen und Juristen im internationalen IP-Recht.

Internationaler geht es kaum

Das gilt umso mehr am neuen Einheitlichen Patentgericht (Unified Patent Court, UPC). Das erste paneuropäische Zivilgericht ermöglicht die Durchsetzung von Patenten in allen Unterzeichnerstaaten – aktuell 18 an der Zahl. Seitdem es im Juni 2023 die Tore öffnete, steigt die Anzahl der dort eingereichten Patentklagen – und jede neue Klage trägt zur Gestaltung der einheitlichen Rechtsprechung bei.

Erfolge in Patentstreitigkeiten sind nur im Team möglich: Nina Bayerl, IP-Partnerin bei Freshfields. Foto: Freshfields

Seit Jahren schon werden viele Patentauseinandersetzungen grenzüberschreitend ausgefochten. Patentinhaber klagen oft parallel in verschiedenen Ländern an nationalen Gerichten. Mit dem UPC haben sie jetzt die Möglichkeit, mit nur einem Gerichtsverfahren Patente in mehreren Ländern gleichzeitig zu verteidigen. Besonders häufig wählen Kläger dabei bisher die deutschen Lokalkammern, die in Düsseldorf, Hamburg, Mannheim und München angesiedelt sind. Das UPC führt auch in den Kanzleien, die ohnehin schon grenzüberschreitend beraten, zu einer noch stärkeren internationalen Vernetzung als bisher. Die Juristinnen und Juristen kooperieren in internationalen Teams, unabhängig davon, ob es sich um Großkanzleien mit starken Patentpraxen in unterschiedlichen Jurisdiktionen handelt oder um nationale IP-Boutiquen, die für einzelne Fälle grenzübergreifend kooperieren, wenn es das Mandat verlangt. „Patentstreitigkeiten sind immer eine Teamleistung. Da gibt es nicht den einen Berater, der kluge Tipps gibt. Wir erarbeiten die Argumente gemeinsam mit den Experten und Kollegen aus anderen Jurisdiktionen, die Erfahrungen aus anderen Rechtstraditionen einbringen sowie den technisch spezialisierten Patentanwälten und den Inhouse-Anwälten“, so Bayerl.

Nicht nur die Anwaltsteams sind dabei zunehmend international aufgestellt, auch die Richterbank am UPC ist mit Juristen sowie Technikern aus unterschiedlichen Ländern besetzt. Aus diesem Grunde setzt sich die Verfahrenssprache Englisch zunehmend durch. Gute Englischkenntnisse sind daher von Vorteil. Eine Voraussetzung sind sie nicht. „Wenn bei den Sprachkenntnissen der Associates noch Nachholbedarf besteht, schicken wir sie ins Ausland“, sagt Kanz.

Früh übt sich – nicht unbedingt

Die meisten Berufseinsteiger kommen über das Marken- und Wettbewerbsrecht oder das Urheberrecht zum Patentrecht. „Man muss sich nicht schon im Studium für IP entscheiden“, erklärt Bayerl. Im Referendariat erste Patentluft zu schnuppern, sei noch früh genug – und selbst das nicht zwingend notwendig.

Studierenden beibringen, wie man Innovationen schützt: Maximilian Haedicke, Professor an der Universität Freiburg. Foto: Klaus-Polkowski

Allerdings bieten viele Universitäten den Gewerblichen Rechtschutz als Wahlfach an. Nicht überall steht dabei das Patentrecht so deutlich im Fokus wie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Wer nämlich am Lehrstuhl von Prof. Dr. Maximilian Haedicke das Thema IP belegt, kommt um die Beschäftigung mit dem Patentrecht nicht herum. „Ich mache meinen Studenten und Studentinnen klar, dass sie in diesem Rechtsbereich Innovationen schützen.“ Sofern nicht von Anfang an vorhanden, wächst laut Haedicke bei vielen angehenden Juristinnen und Juristen im Laufe des Studiums das Interesse für den Fachbereich. Rund die Hälfte seiner Studenten wählt später tatsächlich eine Laufbahn im Patentrecht. „Von den Doktoranden sind es sogar rund 75 Prozent.“

Jenseits des Kanzleilebens

Nicht alle landen als Prozessanwälte in Kanzleien. In den IP-Abteilungen vieler Unternehmen nimmt Patentrecht ebenfalls eine große Rolle ein. „Inhouse-Juristen steigen noch tiefer in die Technik des jeweiligen Unternehmens ein als Kanzleianwälte. Sie begleiten schon früh die Markteinführungen neuer Produkte“, so Gabriele Mohsler. Sie selbst ist Patentanwältin und arbeitet eng mit den Rechtsanwälten der IP-Abteilung von Ericsson zusammen, etwa bei Verhandlungen zu Lizenz- und Patentverträgen und – im Fall von Litigation – zur Prozessstrategie.

Diese Kooperation zwischen Juristen und Patentanwälten ist in IP-Abteilungen gang und gäbe. Aufgrund der starken Schnittstelle zur Technik sind diese Einheiten in vielen Unternehmen daher nicht der Rechtsabteilung, sondern der Forschung & Entwicklung angeschlossen. „Wir sind letztendlich auch diejenigen, die entscheiden, wie sinnvoll es ist, ein Patent überhaupt vor Gericht durchzusetzen. Manchmal ist der Patentfrieden wichtiger als ein Produkt“, so Mohsler. Zwar koordiniert sie im Fall der Litigation die Zusammenarbeit der externen Anwälte. „Wer aber selbst vor Gericht vertreten will, muss in die Kanzlei.“

Nicht erst mit dem UPC eröffnet zudem die Justiz eine Möglichkeit, im Patentrecht zu arbeiten. In Deutschland verhandeln seit Jahren spezialisierte Kammern Patentstreitigkeiten. Wie die deutschen Standorte des UPC liegen diese in Düsseldorf, Hamburg, Mannheim und München. Zwar gehen die Zahlen neu eingereichter Klagen an den nationalen Gerichten zurück, gleichzeitig steigen sie jedoch am UPC. Dennoch bieten die genannten deutschen Gerichte jungen Juristen mit Interesse für Patent zumindest für die kommenden Jahre noch die Möglichkeit, als spezialisierter Richter zu arbeiten. Zudem birgt der UPC auf lange Sicht die Chance, auf die europäische Ebene zu wechseln und dort als Richter tätig zu werden.

Patentanwalt oder Rechtsanwalt?

Beide sind „Organe der Rechtspflege“, beide befassen sich mit dem Geistigen Eigentum und dem Gewerblichen Rechtsschutz, doch der Zugang zum Beruf und die juristischen Befugnisse vor Gericht sind unterschiedlich.

Die rund 166.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in Deutschland müssen bekanntlich Jurastudium, Referendariat und zwei Staatsprüfungen absolvieren, um die Anwaltszulassung zu erlangen. Einen Fachanwaltstitel für Gewerblichen Rechtsschutz haben übrigens 1.370 von ihnen.

Die knapp 4.300 Patentanwältinnen und -anwälte brauchen den Hochschulabschluss in einem naturwissenschaftlichen oder technischen Fach und anschließend eine juristische Zusatzausbildung. Ihre Prüfung und Zulassung regelt die Patentanwaltskammer in München.

Hier geht es zu Wer hat’s erfunden? – Teil 1/2: https://www.azur-online.de/beruf-karriere/wer-hats-erfunden-teil-1/


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