100 Jahre Anwältinnen in Deutschland

Vor einhundert Jahren, am 7. Dezember 1922, wurde die erste weibliche Anwältin in Deutschland zugelassen. Bis dahin war es Frauen nicht möglich, juristische Berufe zu ergreifen. Heute legen seit vielen Jahren mehr Frauen als Männer das Staatsexamen ab. In Partnerschaften von Kanzleien sieht es allerdings noch anders aus.

Bis 1922 konnten Frauen zwar Jura studieren und auch einen Doktortitel erwerben. Den juristischen Vorbereitungsdienst durften sie jedoch nicht absolvieren und somit auch das zweite Staatsexamen nicht ablegen. So konnten sie weder als Anwältin, noch als Richterin, Staatsanwältin oder Notarin arbeiten, denn schon damals hing die Zulassung zu den juristischen Berufen mit der ‚Befähigung zum Richteramt‘ und dem Absolvieren des zweiten Examens zusammen.

Nachdem in der Verfassung der Weimarer Republik eine formelle Gleichberechtigung von Frau und Mann festgelegt wurde, war zumindest die rechtliche Grundlage geschaffen, dies zu ändern. Der in 1914 gegründete Deutsche Juristinnen-Verein e.V. (DJV) kämpfte dafür, dass Frauen der Zugang zum Staatsexamen ermöglicht wurde.

Mit dem ‚Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen in der Rechtspflege‘ vom 11. Juli 1922 (Reichsgesetzblatt 1922 I, S. 573) wurden Frauen schließlich zum ersten und zweiten Staatsexamen zugelassen. Damit war es ihnen erstmals möglich, juristische Berufe zu ergreifen.

Die erste deutsche Anwältin

Maria Otto wurde als erste Anwältin in Deutschland zur Pionierin, Foto: Philipp Kester

Maria Otto, Tochter eines Fabrikbesitzers aus der Oberpfalz, hatte in Würzburg Jura studiert und schloss 1916 das Jurastudium mit der Note ‚gut‘ ab. Der Weg zum juristischen Vorbereitungsdienst war ihr aufgrund der Gesetzeslage zwar noch versperrt, davon ließ sie sich jedoch nicht aufhalten. Im August 1916 beantragte sie die ‚informatorische Beschäftigung‘ bei Gerichten und Verwaltungsbehörden, was ihr auch gestattet wurde. Auf diese Weise leistete sie bis 1919 diese besondere Art des Vorbereitungsdienstes ab und promovierte im Jahr 1920 an der Universität Würzburg.

Ihre Hartnäckigkeit zahlte sich nach dem ersten Weltkrieg aus. Sie wurde für die zweite juristische Staatsprüfung zugelassen – wenn auch unter dem Vorbehalt, dass sie niemals die Befähigung zur Richterin erhalten würde. Schließlich wurde sie am 7. Dezember 1922 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen – als erste Frau in Deutschland überhaupt. Unter anderem aufgrund eines Nazigesetzes, das 90 Prozent der Studienplätze für Männer reservierte, blieb Otto lange Zeit eine von wenigen Rechtsanwältinnen. Sie arbeitete bis zu ihrem Tod im Jahr 1977 als Anwältin in München.

Nachdem der Deutsche Juristinnen-Verein e.V. (DJV) nach der Machtergreifung Hitlers seine Arbeit eingestellt hatte, gründete sich 1948 der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb), dessen Mitglieder sich bis heute für die Gleichstellung aller Geschlechter einsetzen.

Anwältinnen im Jahr 2022

In der Berufswelt und der Justiz hat sich seit 1922 viel geändert. Das Staatsexamen legen seit Jahren schon mehr Frauen als Männer ab, in den vergangenen sieben Jahre bewegte sich der Frauenanteil zwischen 56,5 und 58,5 Prozent (Quelle: Bundesamt für Justiz) und natürlich arbeiten mittlerweile sehr viele Frauen auch als Richterinnen.

In den Top-Wirtschaftskanzleien hingegen ist der Frauenanteil geringer. So zeigte die größte Anwaltsstudie Deutschlands, die JUVE in Zusammenarbeit mit der London School of Economics and Political Science (LSE) durchgeführt hat: Nur 32 Prozent der Anwältinnen und Anwälte in Wirtschaftskanzleien sind weiblich. In der Vollpartnerschaft finden sich sogar nur 16 Prozent Frauen.


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