LL.M.-Studium an der Südspitze
Ganz weit weg aus Deutschland, aber ohne Zeitverschiebung. Mittendrin in einem Urlaubsparadies, und trotzdem jeden Tag was Neues lernen. So läuft das LL.M.-Studium in Südafrika.
Die Kontraste sind stark. „Der Lebensstil ist sehr locker, eher westlich geprägt“, erzählt Christopher Grawe (40), der vor zehn Jahren in Kapstadt ein LL.M.-Studium absolviert hat. „Aber Südafrika ist ein Land mit extremer Ungleichheit. Eine pauschale Beurteilung ist kaum möglich.“ Grawe arbeitet jetzt als Counsel für die Kanzlei Addleshaw Goddard in München. Ihm hat es in Südafrika so gut gefallen, dass er mindestens einmal im Jahr dorthin reist – mit seiner Frau, die er während des Studiums dort kennengelernt hat.
Wer nicht in Kapstadt, sondern in Stellenbosch studiert, erlebt vielleicht ein ganz anderes Südafrika – obwohl nur eine Dreiviertelstunde Autofahrt zwischen den Städten und ihren Universitäten liegt. Sowohl an der University of Cape Town (UCT) als auch an der Stellenbosch University (SUN) sind gut 30.000 Studierende eingeschrieben. Stellenbosch ist aber keine Großstadt, sondern viel kleiner, studentisch geprägt und die Umgebung ist pittoresk. Die Grenzen innerhalb der Gesellschaft sind aber überall dieselben. „Wahrscheinlich hat man in Südafrika eine längere Eingewöhnungsphase als in anderen Ländern“, sagt Dennis Pethke (31), Associate in der Kölner Kanzlei Loschelder, der für sein Masterstudium in Stellenbosch war. „Die Apartheid wirkt überall nach, etwa wenn man Tag für Tag sieht, wer welche Arbeit macht; alle Service-Jobs werden von People of Colour erledigt.“ Das ist eine etwas bittere Erkenntnis: Wer als deutscher Jura-Absolvent eine wirklich spannende LL.M.-Erfahrung machen will, reist nach Südafrika – und findet ein großes und schönes Land vor, das in puncto Chancengleichheit und Wohlstandsgefälle einige größere Probleme hat als andere beliebte LL.M.-Ziele wie Großbritannien oder die USA. Aber wer weiß, wie sehr das Renommee der USA als vorbildlicher Rechtsstaat noch leidet.
Als englischsprachiges Land mit einer vielfältig beeinflussten Rechtstradition bietet Südafrika einen echten Mehrwert. „Ich wollte immer ein LL.M.-Studium im englischsprachigen Ausland machen, nicht zuletzt, um meine Sprachkenntnisse zu festigen. Nach dem Zweiten Staatsexamen wollte ich dann ganz dringend mal raus, den großen Examensstress erstmal hinter mir lassen. Großbritannien schien mir dafür zu nah, ich wollte weiter weg – Australien, Neuseeland, oder eben Südafrika.“ Dorthin brach er im Sommer 2014 auf. „Eingeschrieben hatte ich mich zunächst für einen General LL.M., also einen fachlich nicht spezialisierten LL.M.-Abschluss. Kurz nach Beginn bin ich jedoch auf den ‚Master of Commercial Law‘- Studiengang gewechselt. Die Universität ist grundsätzlich sehr aufgeschlossen für Anpassungen bei der Kurswahl, sie haben Vieles möglich gemacht.“ Als Anwalt ist Grawe heute auf Immobilien- und Baurecht spezialisiert und Mitglied der Africa Business Group.
LL.M.-Studium am Kap: Praktische Tipps | |
Bewerbungsfristen Die Bewerbungsfristen sind je nach Universität und Studienprogramm individuell. Es lohnt sich, große Zeitpuffer einzuplanen und nicht nur auf die universitären Vorgaben zu schauen. Die UCT rät zum Beispiel für einen Studienstart Anfang 2026 zu einer Bewerbung bis Ende August 2025. Der Grund: Die Einreisevoraussetzung ist ein ‚International Student Study Permit‘. Diese Erlaubnis zu erhalten, ist nicht teuer, aber umständlich, und die südafrikanische Botschaft lässt sich für die Bearbeitung manchmal viel Zeit. Zeitplanung Der europäische Winter ist der südafrikanische Sommer und umgekehrt. Deshalb beginnt das akademische Jahr eigentlich im Januar/Februar, macht eine Ferienpause im kalten Juni/Juli und geht bis November. Die meisten LL.M.-Programme können aber auch im Sommer begonnen werden. | Kosten Ein LL.M.-Jahr in Südafrika ist günstiger als in vielen anderen Ländern. Pauschal ist eine Spanne von 20.000-30.000 Euro realistisch. Zu Buche schlagen vor allem: – Studiengebühren – Flugtickets – Versicherungen – Lebenshaltungskosten (Miete, Lebensmittel, Mobilität) Weil der Wechselkurs zwischen Euro und Südafrikanischem Rand stark schwankt, sind genaue Berechnungen schwierig. Die Kosten für Lebensmittel und Restaurants liegen rund 40 Prozent unter denen in Deutschland. Sicherheit Das Auswärtige Amt hat eine relativ lange Liste mit ernsten Sicherheitshinweisen für Südafrika angesichts einer hohen Kriminalitätsrate. Allerdings berichten die LL.M.-Absolventen, dass der Alltag gut und sicher funktioniert – wenn man sich an die Regeln hält. |
Gute Betreuung vor Ort
Die Flexibilität der Hochschulen bei der Gestaltung des Studiums, speziell der Kurswahl, hat auch der Kölner Anwalt Pethke in guter Erinnerung – kein Vergleich mit einer deutschen Universität. „Die Betreuung durch die Uni ist wirklich gut. Wir wurden sogar am Flughafen abgeholt. Auch sonst machten die Betreuer sehr vieles möglich, sie waren in meinem Fall auch nach dem Beginn des Corona-Lockdowns sehr engagiert und hilfsbereit.“ Denn Pethke geriet mit der zweiten Hälfte seines LL.M.-Studiums in die Wirren der Covid-Pandemie. Er hatte im Sommer 2019 begonnen und war dann im März 2020 einer der Deutschen, die auf Anraten des Auswärtigen Amtes aus dem Ausland heimkehrten.
Die Ziele, die er mit dem Masterstudium verfolgte, hat er trotzdem erreicht. „Ich wollte unbedingt einen englischsprachigen LL.M. absolvieren und damit den qualifizierten Fremdsprachennachweis erwerben.“ Und er erwartete auch einen Schub für seine persönliche Entwicklung. „Genauso wichtig war mir, mit dem Studium ein eigenes Projekt zu verfolgen und die eigene Unabhängigkeit voranzubringen.“ Großbritannien als beliebtes LL.M.-Zielland war auch ihm zu nah.

Foto: Addleshaw Goddard
In Südafrika beginnt das akademische Jahr Mitte Januar und endet Anfang Dezember. Der Unterricht endet Mitte Oktober, danach folgen bis Ende November die Abschlussprüfungen. Das bedeutet: Die warme Jahreszeit auf der anderen Seite der Erdkugel ist vorlesungsfreie Zeit. Dieser Studienrhythmus bedeutet auch: Wer als deutscher Studierender im selben Takt sein will, sollte im Januar starten. Allerdings sind die südafrikanischen Hochschulen flexibel und nehmen auswärtige Teilnehmer auch im Sommer auf, wenn es für viele deutsche Absolventen besser in ihren Zeitplan passt.
Bei der inhaltlichen Gestaltung des Studienjahrs, speziell bei der Auswahl der Vorlesungen, gewähren beide Unis viel Flexibilität. Besonders erwähnenswert sind zum Beispiel die ganzen Kurse zum Maritimen Wirtschaftsrecht, das für Südafrika offensichtlich eine große Bedeutung hat. Pethke: „Ich habe meinen Kursplan aus verschiedenen Modulen zusammengestellt, zum Beispiel Alternative Dispute Resolution, IP oder Internationales Handelsrecht. Diese Mischung war genau richtig so, es war extrem spannend, ganz unterschiedliche neue Rechtsgebiete kennenzulernen.“ Er habe gelernt, auf neue Themen ganz offen zuzugehen. „Die Kurse sind oft rechtsvergleichend angelegt und umfassen dann zum Beispiel das UK- und US-Recht sowie europäisches Recht.“ Als Anwalt bei Loschelder berät Pethke jetzt im IT- und Datenschutzrecht.
Sicherheitsregeln beachten
Deutsche LL.M.-Studenten stellen in jedem Jahrgang eine relativ große Gruppe, auch andere europäische Nationen sind breit vertreten. Grawe hat in einer WG gewohnt, in der Studenten aus Europa und einheimische Studenten untergebracht waren. Die persönliche Sicherheit ist viel eher ein Thema als in europäischen Ländern und deren Großstädten, berichtet er: „Sicher kann jeder, der mal in Südafrika gelebt hat, etwas über seine auch negativen Erfahrungen erzählen.“ Dennoch sei es keineswegs so, dass man permanent hinter Gittern lebe. „Kapstadt ist eine sehr liberale, fast schon europäische Großstadt, die ebenso sicher ist, wenn man einige Grundregeln beachtet. Johannesburg ist sicher ein anderes Pflaster, wobei diese Stadt auch ihre Reize hat.“
Eine der Sicherheitregeln lautet: Auch für ganz kurze Strecken, auf jeden Fall nachts, ein Uber rufen und nicht zu Fuß gehen, schon garn nicht alleine. Um längere Fahrten und Ausflüge zu machen, rät Grawe, sich vor Ort ein Auto zu kaufen und damit herumzureisen. Nicht nur wegen der Sicherheitsaspekte. Die Entfernungen sind andere, als man aus Deutschland gewohnt ist: Vom Kap bis Johannesburg ist es doppelt so weit wie von München nach Hamburg. Der touristische Ausflug entlang der Garden Route von Kapstadt bis Port Elizabeth – ein Klassiker – umfasst locker 700 Kilometer.
Allerdings ist die Freizeit durchaus begrenzt, wie Grawe berichtet: „Das LL.M.-Studium an der UCT war aus meiner Sicht kein Schmalspurstudium. In den Vorlesungen gibt es Anwesenheitspflicht, lange Reading Lists und eine durchaus strenge Benotung, wobei die Durchfallquote eher gering ist. Während der Vorlesungszeit war ich sicher vier bis fünf Tage in der Woche mit dem Studium beschäftigt.“
Manche der deutschen LL.M.-Interessenten gehen nach der ersten Staatsprüfung ins Ausland – also noch vor dem Beginn des Referendariats. So machte es Dennis Pethke, der im November 2018 mit seinen Prüfungen fertig war. Sein LL.M.-Jahr, das von Juli 2019 bis Juni 2020 geplant war, endete im März 2020 mit dem Beginn der Corona-Pandemie. Ob die Phase vor dem Referendariat der ideale Zeitpunkt für das Masterstudium ist, wird immer wieder diskutiert. Einerseits kann man so die in manchen Bundesländern nötige Wartezeit auf den Vorbereitungsdienst sinnvoll nutzen und sich nach dem Prüfungsstress belohnen. Andererseits verlängert man durch ein Extrajahr im Ausland den Abstand zwischen Erstem und Zweitem Staatsexamen. Pethke entschied sich für die erste Variante. „Die Bewerbungsfristen passten gut in meinen Zeitplan nach dem Examen. Stellenbosch ist ganz eindeutig eine Universitätsstadt, es gibt sehr viele Studenten. Deshalb würde ich das LL.M.-Studium dort schon nach der Ersten Staatsprüfung empfehlen, damit man altersmäßig gut hineinpasst.“

Foto: Franziska Eismann
Stellenbosch bietet viel Lebensqualität und ist mit rund 120.000 Einwohnern klein und überschaubar verglichen mit der Metropole Kapstadt, die als Großregion rund 5 Millionen Einwohner zählt. Und die Universität Stellenbosch ist eine Rugby-Hochburg, die Heimspiele der ‚Maties‘ werden euphorisch zelebriert. „Rund um Stellenbosch ist es außerdem wirklich schön – die Gegend ist berühmt für die vielen Weingüter.“
Das Gastland wirklich kennenlernen
Abseits von touristischen Dingen ist es ein offensichtlicher Pluspunkt jedes LL.M.-Studiums im Ausland: Die Teilnehmer öffnen sich für eine andere Kultur, bewähren sich in einem ungewohnten Umfeld und gewinnen Selbstständigkeit. Doch die Universitäten achten auch darauf, dass es konkreter wird, berichtet Pethke: „Die Universität Stellenbosch führt ein Student Engagement Programme durch und legt auch großen Wert darauf, dass ihre Studenten teilnehmen. So kommt man zum Beispiel in die Townships und übernimmt vielleicht einige Schulstunden in einer Grundschule.“
Auch wegen solcher Möglichkeiten hinterlässt Südafrika einen bleibenden Eindruck. Christopher Grawe ist seit einiger Zeit im Vorstand der Deutsch-Südafrikanischen Juristen-Vereinigung aktiv. Die DSJV informiert unter anderem über die Möglichkeiten für Praktika und Referendarstationen und bringt auf ihren jährlichen Mitgliederversammlungen deutsche und südafrikanische Juristen zusammen. Dass Grawe sich engagiert, ist kein Zufall. Er meint, dass sein Leben gewissermaßen zwei Abschnitte habe: Den Teil vor dem LL.M.-Studium und den Teil seitdem. „Die Zeit in Südafrika war für mich durchaus ein Gamechanger. Das Studium, der dortige Lifestyle und auch die Reisen in die benachbarten Länder haben mein Leben sehr bereichert. Bis heute komme ich gerne und häufig nach Südafrika, es ist wie eine zweite Heimat geworden.“