Mehr Prüferinnen für geschlechtergerechte Staatsexamen in NRW

Männlich besetzte Prüfungskommissionen bewerten die mündliche Prüfung von Examenskandidatinnen schlechter als ihre schriftlichen Leistungen. Im Vergleich zu männlichen Prüflingen konnte diese Abweichung der Bewertung nicht festgestellt werden. Das zeigt eine Studie des Justizministeriums Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2018. Jetzt will die Landesregierung jede Kommission mit mindestens einer Frau besetzen.

Der Frauenanteil in der Prüfungskommission beim mündlichen Teil des Zweiten Staatsexamens hat Einfluss auf die Notenvergabe. Nehmen ausschließlich Männer die Prüfung ab, so bewerten sie die Leistung weiblicher Prüflinge sowohl im Vergleich zur Note im schriftlichen Teil als auch zur Note im Ersten Staatsexamen schlechter als die Leistung von Männern. Das zeigt eine 2018 vom Justizministerium in Nordrhein-Westfalen beauftragte Studie, welche die Geschlechts- und Herkunftseffekte bei der Benotung juristischer Staatsexamen untersuchte. Schon frühere Regierungen versuchten, mehr Frauen für die Prüfungsabnahmen zu gewinnen. Dennoch waren 2021 in Nordrhein-Westfalen noch mehr als 46 Prozent der Prüfungskommissionen im Zweiten Staatsexamen rein männlich besetzt. Die aktuelle Regierung aus CDU und Grünen in NRW hat sich das Vorhaben in ihren Koalitionsvertrag geschrieben.

Unbewusste Diskriminierung durch Prüfer

Für Frauen ist es laut der Studie um 2,3 Prozent weniger wahrscheinlich, mit der mündlichen Prüfung die jeweils nächste Notenschwelle (4,0, 6,5, 9,0 oder 11,5 Notenpunkte) zu erreichen, wenn die Prüfungskommission nur aus Männern besteht. Die Schwelle zum Prädikatsexamen (9,0 oder 11,5 Notenpunkte) erreichen die Prüfungskandidatinnen mit der mündlichen Prüfung bei gleichen Vornoten sogar um 6 Prozent weniger häufig als männliche Kandidaten. Wie die Studie zeigt, löst sich dieser Unterschied zwischen Frauen und Männern auf, wenn mindestens eine Frau Mitglied der Kommission ist. Für die Autoren der Studie sprechen diese Daten für eine unbewusste Diskriminierung von Frauen durch männliche Prüfer und belegen eine ungerechte Benotung juristischer Staatsexamen.

Auch Menschen mit einem zugeschriebenen Migrationshintergrund, People of Colour oder Menschen mit einem ausländisch klingenden Nachnamen werden laut der Studie in der mündlichen Prüfung tendenziell schlechter bewertet. Frauen, die als nicht weiß oder nicht deutsch gelesen werden, könnten im Staatsexamen sogar doppelt benachteiligt sein.

Noten entscheiden über Karrierewege

Die unterschiedliche Bewertung im Staatsexamen hat laut Landesregierung NRW gravierende Folgen. Denn mehr als bei anderen Studiengängen bestimmt die Staatsexamensnote die Karrieremöglichkeiten von Juristinnen und Juristen. Auch deswegen hat die Regierung von CDU und Grünen in NRW in ihrem Zukunftsvertrag festgelegt, dass jeder Prüfungskommission, die das zweite juristische Examen abnimmt, zukünftig mindestens eine Frau vorsitzen soll. Damit sollen Nachteile in der Notenvergabe künftig aufgelöst werden.

In einer aktuellen Stellungnahme machten CDU und Grüne deutlich: „Die Note entscheidet maßgeblich über den Zugang zu bestimmten Berufsfeldern. So hängt der Erfolg einer Bewerbung etwa in der Justiz und den Ministerien fast ausschließlich von den Staatsexamensnoten ab.“ Das Land NRW will deshalb mehr Prüferinnen aus der Justiz, den Ministerien und der Berufspraxis einstellen. Um Chancengleichheit bei den Karrieremöglichkeiten für Juristinnen und Juristen zu ermöglichen, sollen Prüferinnen und Prüfer außerdem dafür sensibilisiert werden, dass Diskriminierung aufgrund der Herkunft „in jedem Fall zu vermeiden ist“.

Wie genau die Regierung mehr Frauen für die Abnahme der Prüfungen gewinnen will, teilte sie bisher nicht mit. Ein Grund für den niedrigen Frauenanteil in den Kommissionen könnte unter anderem die geringere Anzahl an Juraprofessorinnen sein. Für Anwältinnen, die häufiger als Männer in Teilzeit arbeiten, ist dadurch eine Beteiligung in den Kommissionen ein zusätzlicher Aufwand, der mehr Gewicht einnimmt.

Deutschlandweit sind mittlerweile mehr als die Hälfte aller Juraabsolventen weiblich. So arbeiten auch andere Bundesländer daran, die Prüfungskommissionen mit beiden Geschlechtern zu besetzen. In Berlin setzten sich die Grünen für die Erhöhung des Frauenanteils in Kommissionen ein, um geschlechtergerechte Staatsexamensprüfungen zu ermöglichen. Hamburg führte bereits 2020 eine pauschale Zahlung für im Haushalt lebende Kinder ein, um überproportional belastete Prüferinnen zu entlasten.

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