Baden-Württemberg führt Verfassungstreue-Erklärung für Referendare ein
Angehende Juristinnen und Juristen in Baden-Württemberg sollen künftig vor Beginn ihres Referendariats eine Erklärung zur Verfassungstreue abgeben. Das sieht eine vom Justizministerium angestoßene Änderung der Juristenausbildungs- und Prüfungsordnung vor. Auch andere Bundesländer verlangen ein Bekenntnis zur Verfassung, doch einheitliche Regelungen fehlen bislang.
Laut der baden-württembergischen Justizministerin Marion Gentges (CDU) sollen Bewerberinnen und Bewerber für das Rechtsreferendariat künftig schriftlich versichern, dass sie Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht unterstützen und keinen entsprechenden Organisationen angehören. Ohne eine solche Erklärung könne eine Zulassung zum Vorbereitungsdienst untersagt werden. „Referendarinnen und Referendare stehen kurz davor, Richter, Staatsanwälte oder Anwälte zu werden. Sie sind es, die unseren Rechtsstaat auf Jahrzehnte tragen und prägen werden“, so Gentges in einer Pressemitteilung des Justizministeriums. Es sei daher geboten, klare Voraussetzungen zu formulieren. „Verfassungsfeindlichkeit und juristischer Vorbereitungsdienst gehen nicht zusammen.“
Auch in Nordrhein-Westfalen wurde jüngst eine solche Erklärung eingeführt. Das Ziel besteht darin, die persönliche Eignung für den juristischen Vorbereitungsdienst stärker an die Verfassungstreue zu koppeln und somit eine Unterwanderung der Justiz durch Extremisten zu verhindern.
Fall aus Bayern als Auslöser
Der Anstoß für diese Entwicklung kam aus Bayern. Dort hatte sich 2020 ein Funktionär der rechtsextremen Partei ‚Der III. Weg‘ nach seinem Jurastudium für das Referendariat beworben. Der Präsident des Oberlandesgerichts Bamberg lehnte die Aufnahme aufgrund der verfassungsfeindlichen Gesinnung des Bewerbers jedoch ab. Daraufhin klagte sich dieser durch alle Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht.
Im Oktober 2024 bestätigten die Leipziger Verwaltungsrichterinnen und -richter das Urteil der Vorinstanz. Referendare müssten „Mindestanforderungen an die Verfassungstreuepflicht“ erfüllen, so das Gericht. Sie dürften sich nicht aktiv gegen die Grundwerte der Verfassung betätigen. Die Beteiligten eines Rechtsstreits hätten ein Anrecht darauf, dass niemand an der Bearbeitung ihrer Angelegenheiten mitwirkt, der verfassungsfeindliche Ziele verfolgt.
Als das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil fällte, war der Kläger allerdings längst Rechtsanwalt geworden. Denn: In Sachsen musste er – anders als in Bayern – zum Referendariat zugelassen werden. Der Sächsische Verfassungsgerichtshof hatte 2021 entschieden, dass nur abgelehnt werden darf, wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung in strafbarer Weise bekämpft. Solche Straftaten lagen nicht vor.
Föderaler Flickenteppich
Der Fall verdeutlicht ein grundlegendes Problem: Die Regelungen in den deutschen Ausbildungsgesetzen unterscheiden sich erheblich. So ist die Verfassungstreuepflicht für Referendare in Bremen ausdrücklich im Gesetz verankert. Bayern hingegen verweist auf beamtenrechtliche Regeln. Auch in Baden-Württemberg fehlt es bisher an einer klaren gesetzlichen Regelung, die es ermöglicht, Verfassungsfeinde tatsächlich abzulehnen.
Dabei stellt die Ablehnung von Verfassungsfeinden zum Referendariat einen nicht unerheblichen Grundrechtseingriff dar. Problematisch ist vor allem, dass auch denjenigen die Ausbildung verweigert wird, die später als Rechtsanwälte tätig sein wollen – denn auch sie müssen vorher den staatlichen Vorbereitungsdienst absolvieren. Umstritten ist daher auch, ob die Regeln zur Aufnahme ins Referendariat strenger sein dürfen als die zur Zulassung zur Anwaltschaft. Um die Ablehnung von Verfassungsfeinden rechtssicher zu gestalten, braucht es gesetzliche Regelungen.
In Thüringen existiert bereits eine entsprechende Regelung im Juristenausbildungsgesetz. Demnach kann der Zugang zum Referendariat versagt werden, wenn Bewerber „gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes tätig sind“. Die Thüringer AfD klagte jedoch dagegen. Ende November entscheidet der Thüringer Verfassungsgerichtshof über die Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Recht auf Berufsfreiheit. Dieses Urteil dürfte wichtige Hinweise für andere Bundesländer liefern.