Dynamik mit Steuern – Teil 2

Die Steuerbranche lockt mit vielen Benefits - aber wie hoch ist die Vergütung?

Viele Wege zum Steuerberater-Titel

Ein möglicher Grund für diese großen Gehaltsunterschiede ist der Zeitaufwand, den Juristen betreiben müssen, bevor sie überhaupt ins Berufsleben einsteigen können. Denn Jurastudium und Referendariat dauern Minimum sieben Jahre, bei Zusatzqualifikationen wie Promotion oder LL.M. geht noch mehr Zeit ins Land. Zwar muss auch der Steuerberater ein Examen bestehen, der Weg dahin ist aber deutlich heterogener. Nicht jeder angehende Steuerberater muss zwangsläufig studiert haben. Hinzu kommt, dass Anwälte im Mandatsgeschäft generell höhere Honorare erzielen, weil die Stundensätze für Rechtsberatung höher sind. Das hat auch Auswirkungen auf die Bezahlung der daran Beteiligten.

Fotos: RSM Ebner Stolz
Steuerexpertin bei RSM Ebner Stolz: Hanna Smarsly arbeitet im Team von Thomas Herzogenrath am Standort Köln
Foto: RSM Ebner Stolz
Steuerexperte bei RSM Ebner Stolz: Thomas Herzogenrath

Wen diese Gehaltsdiskussionen nicht abschrecken und wer dennoch Lust auf eine Karriere in der Steuerbranche hat, kann dieses Ziel auf verschiedenen Wegen erreichen. Der klassische Weg zum Steuerberater führt über ein Studium. Meist in Betriebswirtschaftslehre (BWL) oder Rechtswissenschaften. Hannah Smarsly (29), Steueranwärterin und Consultant bei der multidisziplinären Kanzlei RSM Ebner Stolz, hat es so gemacht. Sie hat BWL studiert. „Im Master habe ich mich auf Steuern konzentriert und einige Module in Steuerlehre absolviert“, sagt sie. Wer nach seinem Studium Karriere in der Steuerberatung machen möchte, sollte bereits während der Hochschulzeit Erfahrungen über ein Praktikum oder eine Werkstudententätigkeit sammeln. „Ein Kaltstart nach Abschluss des Studiums ist einfach schwer. Daher kann ich nur empfehlen, bereits neben dem Studium die Praxis kennenzulernen“, sagt Thomas Herzogenrath (48), Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei RSM Ebner Stolz. Wo die Karriereaussichten für angehende Steuerberater am besten sind, lässt sich nicht pauschal sagen. Sowohl die Big-Four-Gesellschaften als auch die Next Six bieten viele Job- und Entwicklungsmöglichkeiten.

Erst Generalist, dann Spezialist

Die entsprechenden Kriterien hat auch Smarsly gegeneinander abgewogen. Heute gehört sie zum Team von Thomas Herzogenrath und hat sich damit für eine Next-Sixt-Einheit entschieden. Sie berät Unternehmen bei Transaktionsgeschäften, Umstrukturierungen und in der Vermögensnachfolge. „Vor meinem BWL-Studium habe ich bei der Volksbank gearbeitet. Da habe ich viel mit dem Mittelstand zu tun gehabt. Ich schätze dieses Umfeld sehr“, sagt Smarsly. Trotz festem Team bekommt die angehende Steuerberaterin die Möglichkeit, andere Beratungsgebiete innerhalb der Gesellschaft kennenzulernen. „Dieser generalistische Ansatz ist in der Mittelstandsberatung essenziell“, sagt Partner Herzogenrath. Smarsly hebt die unterschiedlichen Facetten des Beratungsgeschäfts hervor: „Wirklich auf ein Gebiet spezialisieren kann ich mich immer noch nach meinem Examen. Am besten finde ich meine Nische in der Praxis des Berufsalltags.“

Positionierung abseits der Kernkompetenz

Dass man sich auch sehr früh in seiner Laufbahn spezialisieren kann, zeigt der Werdegang von Johanna Lennartz (29), Senior-Consultant und Steueranwärterin bei Grant Thornton. Lennartz arbeitet im Transaktionsteam der Kanzlei in Düsseldorf. Sie schätzt es in ihrer aktuellen Position sehr, sich früh spezialisieren zu können. „Transaktionen sind Projektgeschäft. Das reizt mich“, sagt sie. Besonders in der Beratung von Unternehmensübertragungen sieht sie die Möglichkeit, sich auch etwas abseits der klassischen Steuerberater- Kernkompetenz zu positionieren. Der M&A-Bereich, also die Transaktionsberatung, gilt tendenziell als multidisziplinär: Juristen arbeiten gemeinsam mit Wirtschaftsprüfern oder auch Investoren zusammen auf einem Deal.

Sowohl Smarsly als auch Lennartz schätzen ihre Karrierechancen in der Steuerbranche positiv ein. Und damit sind sie nicht allein. Die aktuelle JUVE-Steuerexperten- Umfrage zeichnet ein ähnliches Bild: Steuerexpertinnen und -experten zeigen sich grundsätzlich sehr zufrieden mit ihren Chancen zum beruflichen Aufstieg in Steuerkanzleien. Der Unterschied zwischen Angestellten der Big Four und Next Sixt ist dabei eher marginal.

Neben den Aufstiegschancen ist den Umfrageteilnehmenden auch das Prestige, im Lebenslauf eine Station bei den Big Four vorweisen zu können, wichtig. Denn die Lernkurven in den großen Beratungshäusern sind steil, wovon sich viele einen Vorteil im weiteren Berufsleben versprechen. „Umfassende und spannende Projekte“, sagen einige, „gute Mischung aus fördern und fordern“, „sehr dynamisches Umfeld mit großen Perspektiven zur eigenen Entwicklung“, sagen andere. In den Big-Four-Häusern arbeiten meist sehr spezialsierte Teams mit Konzernen und internationalen Großunternehmen zusammen. Die Beratung geht somit sehr in die Detailtiefen bestimmter Steuerdisziplinen.

Mittelstandsberatung: das große Ganze

Die Beratung des Mittelstands ist häufig breiter angelegt, Berater brauchen hier einen eher generalistischen Ansatz und den Blick für das große Ganze. Angehende Steuerexperten sollten also das Steuersystem insgesamt – von der Einkommensteuer bis zur Bilanzsteuer – überblicken.

Doch nur weil die großen Einheiten sehr spezialisiert arbeiten, heißt das nicht, dass sie ihre Nachwuchssteuerberater sofort zu Spezialisten machen. EY bietet zum Beispiel ein Trainee-Programm, das breit angelegt ist und die Grundlagen des Steuersystems vermittelt.

Foto: Grant Thornton
Steuerberatung mit zusätzlicher Transaktionskompetenz: Johanna Lennartz berät bei Grant Thornton zu M&A-Projekten.

Bewerber mit Big-Four-Background haben gute Chancen auf einen erfolgreichen Quereinstieg bei den Next Six. Es käme dann mitunter sehr schnell zu Beförderungen, sagen einige Umfrageteilnehmer. Ähnlich ist es in der Kanzleiwelt. Mittelständische und spezialisierte Kanzleien nehmen gerne Associates aus Großkanzleien auf, weil sie dort eine exzellente Ausbildung genossen haben. Die Kehrseite der Medaille von vielversprechenden Aufstiegsperspektiven und guten Ausbildungsmöglichkeiten bei den Big Four ist eine höhere Arbeitsbelastung. Laut Steuerexperten-Umfrage arbeitet man in den Big-Four-Gesellschaften durchschnittlich zwei Stunden pro Woche mehr als bei den Next Six. Die Wochenarbeitszeit in den Big-Four-Gesellschaften liegt im Durchschnitt bei 46 Stunden. Zumindest nach dem Examen. In der Ausbildung wird dagegen Rücksicht genommen. „Wir machen nicht übermäßig viele Überstunden, insbesondere vor dem Hintergrund der Prüfungsvorbereitung“, sagt Lennartz. Das ist auch gut so. Denn in der Vorbereitung zum Steuerberaterexamen ist viel Eigeninitiative gefragt. Lern- und Zeitmanagement obliegt den Prüflingen.

Doch bei aller Theorie darf die Praxis nicht zu kurz kommen. Einen Tipp hat RSM-Partner Herzogenrath: Er betont, wie wichtig neben der theoretischen Vorbereitung auf das Examen das Fachliche sei, was der Anwärter im Berufsalltag lernt. Je mehr man sich im Alltag aneigne, desto besser. „Was bringt es mir, wenn ich Steuerberater bin, aber die praktische Erfahrung fehlt, um Mandanten entsprechend betreuen zu können?“, sagt er. „Es stört niemanden, wenn man bis zum Abschluss des Examens drei oder sogar vier Jahre braucht, dafür aber relevante Praxiserfahrung sammeln konnte.“ Angehende Steuerberater übernehmen schon früh Verantwortung gegenüber Mandanten. Und nach dem Examen steigt diese Verantwortung nochmal deutlich. Für frisch examinierte Steuerberater ein einschneidendes Erlebnis.

Hier geht es zu Teil 1: https://www.azur-online.de/gehalt/dynamik-mit-steuern-teil-1/


Teilen:

azur Mail abonnieren