Bonussysteme von Kanzleien im Vergleich
Veränderte Leistungsvorstellungen der jungen Associates und hoher Wettbewerb um Fachpersonal und gestiegene Kosten – all das stellt das Geschäftsmodell von Großkanzleien vor Herausforderungen. Das Bonussystem spielt dabei eine zentrale Rolle. Es geht im Kern um die Fragen, wie viel Fixgehalt ein Associate eigentlich wert ist und was genau er leisten muss, um noch mehr wert zu sein.
Viele Sozietäten erweisen sich mit immer neuen Bonuskreationen besonders findig. So können Associates mitunter durch Boni so viel dazuverdienen, dass sich die Bedeutung des Fixgehalts stark relativiert. Aber die Kanzleien werden gleichzeitig immer strenger und belohnen nur noch die absoluten Leistungsträger. Ein gutes Beispiel ist die internationale Kanzlei Dentons. Sie zahlt im ersten Berufsjahr ein Festgehalt von 120.000 Euro. Absolute Top-Performer können theoretisch einen zusätzlichen Bonus von bis zu 70.000 Euro erwirtschaften und somit auf 190.000 Euro kommen. Dabei beginnt die Bonuszahlung ab 1.600 Billables. Pro 50 zusätzlich abgerechnete Stunden wächst der Bonustopf um 5.000 Euro an. Für den Maximalbonus müssen mehrere hundert Stunden zusätzlich abgerechnet werden. Wer eine ausgewogene Work-Life-Balance anstrebt, wird das nicht hinbekommen. Ein Blick auf das konkrete Bonusmodell empfiehlt sich daher für Berufseinsteiger unbedingt. Es kann nicht nur Aufschluss darüber geben, wie viel ein Associate am Ende insgesamt verdienen kann. Sondern insbesondere Faktoren wie Leistungskultur, Teamarbeit oder das Engagement in sonstigen Tätigkeitsfeldern einer Kanzlei werden durch ein Bonussystem in die eine oder andere Richtung gelenkt.
Varianten der Bonusbemessungen
Die Art und Weise, wie Kanzleien Bonuszahlungen bemessen, kann je nach der individuellen Politik und Praxis der jeweiligen Kanzlei variieren. Es gibt jedoch einige übliche Kriterien und Methoden, die bei der Festlegung von Bonuszahlungen in Anwaltskanzleien berücksichtigt werden:
- Billable Hours Die Höhe der abrechenbaren Stunden, der sogenannten Billable Hours, ist entscheidend für eine Bonuszahlung. Oft muss eine bestimmte Schwelle überschritten werden, ab der Associates bonusberechtigt sind, oder der Bonus steigt in Stufen je höher die Summe der Billables ist. Zum Beispiel greift ein Bonus ab 110 Prozent der Stundenzahl, die als Anforderung für das Festgehalt vorgegeben sind. In US-Kanzleien gibt es häufig ein sogenanntes Cliff: Ein Bonus wird nur an diejenigen bezahlt, die eine bestimmte Grenze tatsächlich überschreiten, knapp darunter bleibt es beim Festgehalt.
- Persönlicher Umsatz Anstelle der Stunden kann auch der konkrete Umsatz, den ein Associate im jeweiligen Geschäftsjahr erwirtschaftet hat, ausschlaggebend sein. Dabei können Unterschiede nach Praxisgruppen gravierend sein, je nachdem, wie hoch die individuellen Stundensätze in einem Rechtsgebiet sind.
- Weitere Leistungen Viele Kanzleien beziehen neben den harten Zahlen auch weitere Faktoren in eine Bonusbemessung mit ein, darunter Knowledge-Management- oder Pro-bono-Arbeit, Legal-Tech-Entwicklung oder Engagement für Nachhaltigkeit.
- Bonus per Gießkanne Ein Bonus wird an alle gezahlt, unabhängig von der individuellen Leistung. Es gibt in der Regel einen Topf, der sich am Gesamterfolg des Jahres orientiert. Der Bonus wird dann nach Senioritätsstufen verteilt.
- Akquisebonus Für selbst akquiriertes Geschäft oder das Mitwirken daran wird ein zusätzlicher Bonus vergeben. Die Bemessung dafür ist oft sehr individuell und reicht von persönlichen Bewertungen der Akquisetätigkeit bis hin zur konkreten Berechnung der Anteile eines neuen Mandats.
Kaum ein Bonussystem gleicht dem anderen
Um einen Bonus zu bemessen, setzen die Kanzleien auf teils sehr detaillierte Mechanismen, die viele Kennzahlen oder subjektiv bewertbare Kriterien einbeziehen. Die häufigste Kennzahl beruht auch hier auf den Billable Hours. Wer viel abrechnen kann, der hat viel geleistet und soll dafür mit einem Bonus belohnt werden. Wie viele Billables einen Associate genau bonusberechtigt machen, das sehen manche Kanzleien strenger als andere. So übernehmen häufig US-Kanzleien das härtere System aus den USA und zahlen Boni erst ab dem Erreichen des sogenannten Cliffs. Ist die Schwelle beispielsweise bei 1.900 Billables gesetzt, dann bekommt jeder ab 1.900 Billables einen Bonus, wer auch nur ganz knapp drunter liegt, geht leer aus. Andere haben diese Härte etwas abgemildert und bestimmte Bänder festgelegt, in denen die Stundenzahl zum Stichtag liegen muss, um einen bestimmten Bonus zu erhalten.
Individuelle oder kollektive Leistung?
Das Gegenteil zu dieser stark an der individuellen Leistung bemessenen Zusatzvergütung ist das sogenannte Gießkannenmodell, worauf beispielsweise Hengeler Mueller setzt. Dabei zahlen Kanzleien gemessen an ihrem Gewinn einen Bonus an alle Associates, meistens gestaffelt nach Seniorität. Viele andere Kanzleien setzen auf eine gemischte Variante aus Billables und Umsatz für die Bonusbemessung. So könnte es die Vorgabe geben, entweder beispielsweise 1.600 Billables zu erreichen oder einen persönlichen Umsatz von 400.000 Euro zu erwirtschaften. Dies kompensiert etwaige Ungleichheiten bei den Stundensätzen, die je nach Praxisgruppe auch für Associates bereits stark variieren können. Dieses Modell ist häufig in breit aufgestellten, oft im Mittelstand beratenden Kanzleien vertreten. Wieder andere, wie etwa die internationale Kanzlei DLA Piper, knüpfen eine Bonuszahlung nur an den persönlichen Umsatz und orientieren sich bei der Größe am jeweiligen Festgehalt. So kann jeder Associate ab dem zweiten Berufsjahr nur dann einen Bonus erhalten, wenn er sein Festgehalt dreimal erwirtschaftet hat. Das wäre dann ein Umsatz von 435.000 Euro im zweiten Berufsjahr.
Leistung abseits von Billables
Darüber hinaus berücksichtigen viele Kanzleien in ihrem Bonussystem auch Leistungen, die nicht direkt zum Umsatz beitragen. Etwa die Tätigkeit in Pro-bono-Mandaten, ein Engagement in der Personal- oder Nachhaltigkeitsarbeit einer Kanzlei oder auch im Knowledgement, etwa die Entwicklung von Vertragsmustern. Nicht selten vergeben Kanzleien zwei verschiedene Boni, einen für die individuelle Umsatz- oder Billables-Leistung und einen für Akquiseerfolge. Diese werden entweder subjektiv vom verantwortlichen Partner bewertet oder es folgt eine detaillierte Berechnung des Akquiseanteils eines Mandats. Mit den aktuellen Systemen sind Associates in der azur-Umfrage häufig nicht zufrieden. „Die Boni wurden auf dem Papier angehoben, deren Anforderungen aber so stark erhöht, dass selbst mit erheblichem Stundenpensum nicht mal die Hälfte des möglichen Bonus erreicht werden konnte. Offenbar alles, um die gestiegenen Einstiegsgehälter querzufinanzieren“, kritisiert ein Teilnehmer. Ein anderer erkennt, dass Gehalt und Bonus immer in der Summe betrachtet werden sollten: „Bonuszahlungen wurden unerreichbar, die letzte Gehaltserhöhung war also eine Mogelpackung.“
Kultur- und Typfrage
Nach welchen Kriterien eine Kanzlei einen individuellen oder einen kollektiven Bonus bemisst, kann Aufschluss darüber geben, wie es um ihre Kanzleikultur bestellt ist. Deshalb ist es bei der Wahl eines Arbeitgebers wichtig, das gesamte Vergütungssystem zu betrachten. Was wird für das Festgehalt erwartet? Werden reduzierte Arbeitsmodelle fair berücksichtigt? Und vor allem: Was incentiviert der Bonus? Setzt er nur auf die persönliche Höchstleistung, könnte dies dazu führen, dass eine Ellbogenkultur entsteht. Wird die Gesamt- oder eine Teamleistung mit in Betracht gezogen, fördert dies die Teamarbeit. Kommen Faktoren wie das Engagement in der Kanzlei zum Tragen, könnte dies ein Indikator dafür sein, dass eine Kanzlei diese Themen ebenso voranbringen möchte. Wie sehr ein Associate sich an bestimmten Leistungsvorgaben messen möchte und was er dafür erwartet, ist am Ende aber auch eine Typfrage. So äußert ein Associate den Wunsch: „zur Auswahl stellen, ob Bonuszahlung oder alternativ Freizeitausgleich gewährt wird.“