Zwischen Kita und Konferenzraum: Elena Heimann im Porträt

Elena Heimann ist erfolgreiche Arbeitsrechtlerin und Mutter von zwei Kindern. Geht nicht? Geht. Was es braucht, ist eine ordentliche Portion Mut, Organisation und mindestens 50 Telefonate mit der Kita.

Elena Heimann ist eine Arbeitsrechtlerin durch und durch, und das schon seit dem Studium. Nach vier Semestern in Heidelberg und einem Jahr im englischen Leeds machte sie ihr Erstes Staatsexamen in Frankfurt am Main. Kurz danach kam ihre Tochter zur Welt. Damals war Heimann 26 Jahre alt und in ihrem Umfeld die Einzige mit einem Kleinkind. Als ihre Tochter 14 Monate alt war, begann sie das Referendariat – allerdings nicht, ohne vorher lange um einen Kitaplatz gekämpft zu haben. „Es war wirklich unfassbar schwer, damals an einen Betreuungsplatz zu kommen. Am Ende haben wir den Platz vermutlich auch bekommen, weil ich sehr hartnäckig war und rund 50 Mal in der Kita angerufen habe“, sagt sie. Durch diese Erfahrung habe sie schon früh realisiert, wie wichtig eine gute Kinderbetreuung sei, wenn man neben der Familie auch eigene berufliche Ziele verfolgen will. Und das hat die 40-Jährige konsequent getan.

Die ersten Berührungspunkte mit dem Arbeitsrecht hatte Elena Heimann bereits während ihrer Schulzeit. Damals jobbte sie in einem Drogeriemarkt an der Kasse. Als sie am Ende eines Arbeitstages eine Differenz von 50 Euro in der Kasse hatte und ihre Filialleiterin ihr den Betrag vom Lohn abzog, obwohl sie wusste, dass Heimann das Geld nicht genommen hatte, nahm sie das zunächst hin. „Das war schon hart, weil die Differenz in der Kasse damals höher war als mein Lohn für den ganzen Tag.“ Später hat sich dann doch ihr Gerechtigkeitssinn gemeldet und sie hat das Gespräch mit ihrer Chefin gesucht. „Vor dem Gespräch habe ich zum ersten Mal in ein Lehrbuch zum Arbeitsrecht geschaut.“ Und es dann nicht wirklich wieder aus der Hand gelegt.

Nine-to-five funktioniert nicht

Während des Referendariats arbeitete Heimann in der Arbeitsrechtspraxis von Beiten Burkhardt, die heute Advant Beiten heißt. Anfang 2017 gehörte sie zu einem größeren Team, das die Kanzlei verließ und unter dem Namen Bluedex eine arbeitsrechtliche Boutique in Frankfurt gründete. Im selben Jahr kam ihr Sohn zur Welt. „Grundsätzlich lassen sich im Arbeitsrecht Mandate und Mutterschaft vereinbaren“, sagt sie. „Aber Nine-to-five ist als Anwältin generell schwierig. Wenn der Mandant anruft, muss ich präsent sein.“ Die Frage sei aber, ob der Mandant wirklich immer sofort eine Lösung für sein Problem benötigt. „Flexibilität und ein gewisser Freiraum sind wichtig. Den muss man sich selbst schaffen“, sagt Heimann. Das sei auch bei ihr ein Lernprozess gewesen. Heute frage sie ihre Mandanten,bis wann sie eine Rückmeldung benötigen. „Klar ist allerdings auch: Wenn der Mandant ein akutes Problem hat, das keinen Aufschub duldet, wie den Anlass zur fristlosen Kündigung eines Mitarbeitenden, dann bin ich da“, erklärt sie. Oft habe sie am Tag viele unterschiedliche Aufgaben, sodass sie sich ihr Pensum sehr gut einteilen könne.

Bei Bluedex wurde Heimann zur Salary-Partnerin befördert. Sie gehörte zum Team, das Audi in einem aufsehenerregenden Verfahren um gendergerechte Sprache vertrat. Ein Mitarbeitender des Mutterkonzerns Volkswagen, der mit Audi-Kollegen zusammenarbeitete, hatte sich daran gestört, dass die Audi-Beschäftigten in der Kommunikation mit ihm aufgrund eines unternehmensweiten Leitfadens Genderformen mit Unterstrich (Mitarbeiter_innen) nutzen − den sogenannten Gendergap. Der VW-Mitarbeitende wollte derartige Genderformen aus der Kommunikation verbannen und klagte auf Unterlassung. Das Bluedex-Team wehrte für den Autokonzern den Unterlassungsanspruch des Klägers ab. Neben solchen eher ungewöhnlichen Fällen zählen vor allem mittelständische Unternehmen vom Getränkehersteller bis zum IT-Dienstleister zu Heimanns Mandanten.

Arbeitsrechtler brauchen Empathie

An ihrem Job gefällt ihr besonders, dass alles, was sie tut, „direkte Auswirkungen auf Menschen hat – im Guten wie im Schlechten.“ Viele denken beim Arbeitsrecht an Restrukturierungen und Kündigungen, die tatsächlich in vielen arbeitsrechtlichen Teams eine wichtige Rolle spielen. Aber nicht nur: „Es gibt auch sehr viele Mandate, in denen man gestalten kann.“

Als Beispiel nennt Heimann Betriebsvereinbarungen, also Übereinkünfte zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die die Rechte und Pflichten beider Seiten im betrieblichen Miteinander regeln. Betriebsvereinbarungen werden geschlossen zu Arbeitszeiten, Gesundheitsschutz, Homeoffice-Regelungen oder ganz aktuell zum Einsatz Künstlicher Intelligenz. KI ist für die Unternehmen ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung, von den Mitarbeitenden wird sie mit Blick auf Datenschutz und Kontrolle oft kritisch beäugt. „Solche Mandate sind besonders spannend. Man hängt nicht nur in einzelnen konfliktären Situationen, sondern kann wichtige Themen unter Einbezug aller Beteiligten ausverhandeln, die für das Unternehmen eine große Tragweite haben“, erklärt sie. Wichtige Fertigkeiten, die Arbeitsrechtler neben Jura deshalb mitbringen sollten, sind Empathie und Kommunikationsfähigkeit. „Man muss als Arbeitsrechtler Probleme lösen können und wollen. Dafür braucht es auch Mut.“ Es gebe viele gute Juristen, die Probleme zwar erkennen, sich aber schwertäten, für den Mandanten geeignete Lösungen zu entwickeln.

Aufstieg in Teilzeit, Partnerin in Vollzeit

Nachdem sie bei Bluedex den nächsten Karriereschritt gegangen war, suchte Heimann eine neue Herausforderung und wechselte Mitte 2022 schließlich zu Schweibert Leßmann & Partner, einer in Frankfurt ebenfalls sehr angesehenen Arbeitsrechtsboutique, die 2012 als Spin-off der britischen Spitzenkanzlei Freshfields entstand. „Erfrischend konservativ, nicht im Sinne von altbacken, sondern mit verlässlichen Strukturen, an die sich alle halten und auf die sich alle verlassen können“, beschreibt Heimann die Kanzlei, bei der sie vor zweieinhalb Jahren als Quereinsteigerin begann und Anfang 2025 zur Equity-Partnerin aufgestiegen ist.

Während viele junge Anwältinnen den Spagat zwischen Kind und Karriere scheuen, hat Heimann sich ganz bewusst für diesen Weg entschieden. „Ich habe in meiner gesamten beruflichen Laufbahn in Teilzeit gearbeitet. Erst jetzt, als Equity-Partnerin, arbeite ich Vollzeit“, erzählt sie. Mit ihrem Karriereweg will Elena Heimann jungen Eltern auch Mut machen. Kinder und Karriere passen unter einen Hut. „Mir haben damals die Rollenvorbilder gefehlt. Heute wird es langsam besser. Man trifft nun häufiger erfolgreiche Anwältinnen, die auch Mütter sind.“ Schön wäre, wenn es noch ein paar mehr würden.


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