Work und Life ohne Balance

Viel Geld, viel Arbeit – so sieht der Alltag für Associates in Wirtschaftskanzleien aus. Doch eine aktuelle Auswertung der azur-Associate-­­Umfrage zeigt: Ab dem fünften Berufsjahr sind viele erschöpft. Wenn Arbeit und Leben nicht in Einklang kommen, wechseln viele den Job.

Wer als Neuling in einer Wirtschaftskanzlei einsteigt, muss einen großen Teil der eigenen Lebenszeit in den Beruf zu investieren. Dessen sind sich die meisten Nachwuchstalente bewusst. Laut der aktuellen azur-Bewerberumfrage, an der sich mehr als 1.500 Studierende beteiligt haben, können sich die Befragten vorstellen, im Durchschnitt rund 52 Wochenstunden in ihrem ersten Job am Schreibtisch zu verbringen.

Einen Nine-to-five-Job erwartet in einer Wirtschaftskanzlei zwar niemand. Doch den meisten angehenden Juristinnen und Juristen ist die mentale Gesundheit zunehmend wichtig. Auf der Suche nach dem passenden Job ist es deshalb von größerer Bedeutung darauf zu achten, dass das Betriebsklima stimmt und der Arbeitgeber echte Erholung möglich macht.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben hat sich für angestellte Anwältinnen und Anwälte in den letzten Jahren grundsätzlich verbessert, denn seit der Hochphase der Corona-Pandemie sind umfassende Homeoffice-Regelungen auch für Associates in Top-Kanzleien Realität. Weniger Stunden arbeitet muss im Homeoffice jedoch niemand. Im Durchschnitt verbrachten Associates in Kanzleien rund 53 Wochenstunden am Schreibtisch. Das zeigt eine Auswertung der aktuellen azur-Associate-Umfrage, an der sich mehr als 3.500 Associates beteiligt haben.

Die Balance halten

Ein Blick auf die Zufriedenheit der Associates in Abhängigkeit zu den Berufsjahren zeigt, dass die meisten am Anfang trotz hoher Arbeitsbelastung glücklich sind (siehe Grafik). Sowohl weibliche als auch männliche Associates geben in den ersten Berufsjahren eine „sehr gute“ Zufriedenheit mit ihrer Work-Life-Balance und der Arbeitsbelastung an. Doch bis zum fünften Berufsjahr kommt die Ernüchterung: Gerade in einer Zeit, in der die Weichen für einen möglichen Aufstieg gestellt werden, sinken die Zufriedenheitswerte. Besonders Frauen vermissen in dieser Phase eine angemessene Förderung der Work-Life-Balance. Viele können Berufs- und Privatleben also nicht dauerhaft in Einklang bringen.

Datenanalyse: Regina Cichon

Die Associate-Umfrage zeigt, dass Anwältinnen und Anwälte besonders zwischen dem fünften und siebten Berufsjahr häufig den Arbeitgeber wechseln wollen. Als Grund dafür nennen die meisten den Wunsch nach mehr Freizeit. Vereinbaren lassen sich Beruf und Privatleben dank Homeoffice zwar besser, doch die Entgrenzung zwischen Arbeit und Freizeit empfinden viele als Belastung und ziehen die Konsequenzen. Die Lösung ist oft ein Wechsel in ein Unternehmen oder eine Behörde, wo die Arbeitszeiten angenehmer oder zumindest besser planbar sind. Auch der Wechsel in eine andere Kanzlei kann für Unzufriedene eine Lösung sein. Denn beim Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber können Arbeitszeiten und Flexibilität neu verhandelt werden.

Wirtschaftskanzleien versuchen zunehmend, den Wünschen ihrer Associates nach Work-Life-Balance nachzukommen. Und doch verhält es sich ein wenig wie mit dem Streben nach mehr Diversität: Programme gibt es viele, die erhoffte Wirkung bleibt jedoch weitgehend aus. Exemplarisch lässt sich das an einer Quote ablesen – die der Teilzeit-Partnerschaft.

Datenanalyse: Regina Cichon

Diese Karriereoption würde vielen, die sich Karriere auf der einen und Vereinbarkeit auf der anderen Seite wünschen, entgegenkommen. Doch die Zahlen sind ernüchternd: In den vergangenen fünf Jahren, in denen das Thema definitiv auch von Wirtschaftskanzleien entdeckt worden ist, hat sich die Teilzeit-Quote in der Partnerschaft kaum verändert. Egal, ob es internationale, deutsche oder Kanzleien mit einem Mutterhaus in Großbritannien oder den USA betrifft: Die Quote der Teilzeit-Partnerinnen und -Partner liegt weiterhin deutlich unter 10 Prozent. Wer Partnerin oder Partner werden und trotzdem Zeit für sein Privatleben haben möchte, sollte das Thema jedoch offen bei den Vorgesetzten ansprechen, denn letztlich haben auch die Kanzleien ein Interesse daran, mögliche Führungskräfte zu halten.


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