Wie lange arbeiten Teilzeit-Associates wirklich?
Ein Feierabend pünktlich um 18 Uhr ist für viele Associates eine absolute Ausnahme. Zwar bieten die meisten Kanzleien für ihren juristischen Nachwuchs inzwischen die Option, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Doch um wie viel Uhr dann wirklich Feierabend ist, fällt ganz unterschiedlich aus. Das zeigt eine Auswertung der azur-Associate-Umfrage.
Die Beratung in Wirtschaftskanzleien ist auf Höchstleistung getrimmt. Das Leistungsprinzip bestimmt auch die Arbeitsbelastung und die Arbeitsmoral. Daher bedeutet Teilzeit in diesem Umfeld nicht unbedingt Teilzeit. Wie lange arbeiten Teilzeit-Associates in Wirtschaftskanzleien also tatsächlich? Natürlich hängt dies einerseits davon ab, auf wie viel Prozent die Arbeitszeit reduziert wird. Die meisten der rund 4.500 Teilnehmenden der azur-Associate-Umfrage, die in Teilzeit arbeiten, geben an, dass sie ihre Arbeitszeit auf 70 bis 80 Prozent reduziert haben.

Aber die tägliche Arbeitszeit in Teilzeit weicht von diesen Prozentangaben deutlich ab. Nicht nur variiert die Stundenzahl stark je nach Rechtsgebiet, in dem Associates tätig sind. Eine Diskrepanz ergibt sich auch aus den Umfrageergebnissen zu den Uhrzeiten, an denen die Arbeit beginnt und endet. Die Differenz geht zugunsten der Kanzleien, wenn man faktische Pausenzeiten vernachlässigt: Die echte Teilzeit ist länger als die vereinbarte.
So arbeiten beispielsweise Kartellrechtler in Vollzeit laut Associate-Umfrage durchschnittlich von 8:52 Uhr bis 20:23 Uhr. Ihre Teilzeitkolleginnen und -kollegen geben an, dass sie ihr Pensum durchschnittlich auf knapp 76 Prozent reduziert haben. Blickt man jedoch auf die Uhrzeiten, fällt die Reduzierung viel kleiner aus: Sie starten etwas früher um 8:30 Uhr und machen rund eineinhalb Stunden früher Feierabend, um 19:17 Uhr. Aus diesen Zeiten ergibt sich eine Bruttoarbeitszeit von rund 94 Prozent.
Etwas besser sieht es für Associates aus, die im Bank- und Finanzrecht beraten. Sie sagen laut Umfrage, dass sie ihre Arbeit auf knapp 74 Prozent reduziert haben. Tatsächlich arbeiten sie durchschnittlich von 9:25 Uhr und machen um 18:34 Uhr Feierabend. Ihre Vollzeitkollegen hingegen starten schon um 9:03 Uhr und gehen erst um 20:47 Uhr. Rechnerisch liegen die Teilzeitstunden zwar mit knapp 79 Prozent etwas über den Angaben, aber weniger krass als im Kartellrecht.
In manchen Rechtsgebieten lohnt sich Teilzeit mehr
In M&A-Projekten herrscht hoher Zeitdruck. Deshalb ist es fast schon überraschend, dass Teilzeit-M&A-Associates laut azur-Umfrage ihre Arbeitszeit auf durchschnittlich 66 Prozent reduziert haben. Aber stimmt das tatsächlich? Sie geben an anderer Stelle an, dass ihre Arbeitstage von 8:50 Uhr bis 18:30 Uhr dauern. Im Vergleich arbeiten ihre Vollzeitkolleginnen und -kollegen nur rund zwei Stunden am Tag mehr, von 9:01 Uhr bis 20:35 Uhr. Demnach liegt das Teilzeitstundenkonto faktisch bei rund 83 Prozent. Also: Bekommen die Teilzeittransaktionsanwälte 38 Stunden bezahlt, wie sie denken, oder 48 Stunden laut (imaginärer) Stechuhr? Bei den in Großkanzleien gezahlten Beträgen macht die Differenz durchaus mehrere zehntausend Euro im Jahr aus.
Teilzeit bedeutet niedrigeren Stundenlohn
Die Auswertungen zeigen, dass in den meisten Fällen ein Teilzeit-Associate im Verhältnis zum ausgezahlten Gehalt mehr arbeitet als ein Vollzeitanwalt. Sein Stundenlohn ist niedriger. Doch selbst mit reduziertem Gehalt verdienen die meisten immer noch ziemlich üppig. So berichten auch Kanzleipartner immer wieder davon, dass im Nachgang einer Gehaltserhöhung eine Vielzahl von Associates auf Teilzeit umstellt. Auf das Mehr an Gehalt kommt es also nicht jedem an. Wer Familie oder Freunde sehen möchte, für den ist ein Feierabend um 18:30 Uhr deutlich attraktiver als bis 20 oder 21 Uhr am Schreibtisch zu sitzen. Insbesondere bei Belastungsspitzen, also gerade in Rechtgebieten mit viel Projekt-und Deal-Geschäft, dürften Teilzeit-Associates die besseren Argumente haben, um das Büro als erste zu verlassen. Aber sie bezahlen auch finanziell dafür. Die Nachtschicht übernehmen dann im Zweifel die Vollzeitkolleginnen und -kollegen.