Vielfalt braucht Vorbilder: Diese Juristinnen und Juristen zeigen Flagge

Heute vor 31 Jahren – am 11. Juni 1994 – schaffte der Bundestag den Paragrafen 175 Strafgesetzbuch ab, der männliche Homosexualität kriminalisierte. Anlässlich dieses Jahrestags macht das Karriere- und Allyshipnetzwerk ALICE jedes Jahr mit der Kampagne #GesichtZeigen LGBTIQ+-Vorbilder in der juristischen Branche sichtbar.

Bereits zum sechsten Mal hat ALICE eine Liste erfolgreicher, geouteter lesbischer, schwuler, bisexueller, trans- und intergeschlechtlicher sowie queerer (LGBTIQ+) Juristinnen und Juristen veröffentlicht. Von 40 Teilnehmenden im Jahr 2020 hat sich die Liste inzwischen auf knapp 110 Personen verlängert.

An der Aktion beteiligen sich neben Syndizi sowie Richterinnen und Richtern auch Anwältinnen und Anwälte aus internationalen Kanzleien. Darunter sind Hogan Lovells, Osborne Clarke, Norton Rose Fulbright, Freshfields, Baker McKenzie, Clifford Chance, Eversheds Sutherland, Latham & Watkins, Skadden Arps Slate Meagher & Flom und A&O Shearman. Auch aus deutschen Kanzleien und Boutiquen wie Heuking, Noerr, Lark, Gleiss Lutz, CMS Hasche Sigle, GSK Stockmann, Kapellmann und Partner, Advant Beiten, Ypog und Oppenhoff & Partner gibt es Teilnehmende.

Karrierenetzwerk feiert doppeltes Jubiläum

Seit einem Jahrzehnt setzt sich Alice für Vielfalt, Inklusion und Zusammenhalt in der Rechtsbranche ein. Benannt ist das LGBTIQ+-Netzwerk nach der kamerunischen Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin Alice Nkom, die in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag feiert. Als Gründerin und Vorsitzende der Organisation ‚Association pour la Défense des Droits des Homosexuels‘ setzt sie sich gegen die Kriminalisierung und gesellschaftliche Ausgrenzung homosexueller Menschen in Kamerun ein.

Ihr zehnjähriges Jubiläum und den Geburtstag Nkoms zelebriert ALICE mit der erstmaligen Verleihung des ‚Lawyer of Change Award‘ auf der Sticks & Stones-Karrieremesse am 21. Juni in Berlin. Der Award soll Juristinnen und Juristen auszeichnen, die sich besonders stark für LGBTIQ+-Rechte und die -Community engagieren.

Sichtbarkeit wichtiger denn je

Sowohl die Preisverleihung als auch die Veröffentlichung der diesjährigen #GesichtZeigen-Kampagne fallen in eine Zeit, in der Vielfalt weltweit zunehmend unter Druck gerät und die queere Community vermehrt Anfeindungen ausgesetzt ist. In den USA greift die Regierung Donald Trumps gezielt Diversity-Programme an und verunsichert damit auch deutsche Unternehmen mit US-Bezug.

Der Rückgang von Sponsorengeldern wirkt sich nun auch auf die großen Pride-Paraden aus. Sowohl die Organisatorinnen und Organisatoren des Christoper Street Day (CSD) in Köln als auch in Berlin gaben jüngst bekannt, dass ihnen Hunderttausende Euro an Spendengeldern aus den USA fehlen. Allein der Berliner CSD werde in diesem Jahr auf rund 200.000 Euro an Spendengeld verzichten müssen, heißt es in einer Pressemitteilung des Veranstalters.

US-Kanzleien fahren Diversitätsprogramme zurück

Auch beim Blick auf die ohnehin noch immer als konservativ geltende juristische Branche zeigt sich, dass viele queere Stimmen wieder verstummen. So haben bereits mehrere US-Kanzleien ihre Diversitätsprogramme zurückgefahren, wodurch es an Sensibilisierung für das Thema fehlt. „Die Wahrung rechtsstaatlicher Prinzipien und der Schutz von Minderheitenrechten müssen wieder als Grundpfeiler unserer Profession betont werden“, sagt ein Teilnehmer der Kampagne. „Um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, braucht es klare Positionierung, gezielte Initiativen und queere Vorbilder, die sichtbar und hörbar bleiben.“

Laut den Erhebungen von ALICE werden rund 30 Prozent aller LGBTIQ+-Juristinnen und Juristen am Arbeitsplatz diskriminiert. 52 Prozent beklagen zudem einen Mangel an Vorbildern im Job. „Mit #GesichtZeigen setzen wir bewusst ein Zeichen gegen das Schweigen und die strukturelle Unsichtbarkeit, die LGBTIQ+ Jurist:innen noch immer in konservativ geprägten Berufsfeldern erleben“, betont Stefanie Thevenin, Projektleiterin von ALICE.


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