„Viele sagen heute: Du bist deutscher als die Deutschen“
Anna Maria Flick ist Senior Associate bei Hengeler Mueller in Frankfurt und 'Radca prawny', also polnische Anwältin. Seit mehr als 20 Jahren bewährt sie sich auch ohne deutsches Staatsexamen in einer deutschen Kanzlei. Im azur-Interview berichtet sie von ihrem Werdegang und ihren Erfahrungen.
azur: Welcher Weg führte Sie als polnische Anwältin zu Hengeler Mueller nach Frankfurt?
Anna Maria Flick: Vor über 20 Jahren kam ich nach Deutschland, aus familiären Gründen. Bei dem internationalen Studierendennetzwerk ELSA habe ich damals meinen Mann kennengelernt. Ich war sehr unerfahren, was den deutschen Kanzleimarkt anbelangt, und habe mich einfach bei ein paar Kanzleien initiativ als Associate beworben. Die meisten wollten mich einarbeiten, um mich dann an einem Standort in Warschau oder Moskau einzusetzen. Hengeler hingegen sagte mir direkt eine Stelle in Frankfurt zu, um das polnische Geschäft von hier aus zu bearbeiten. Das war im Jahr 2000, und seitdem bin ich hier.

Welchen Schwerpunkt legen Sie in Ihrer Mandatsarbeit?
Ich bin M&A-Anwältin und bearbeite vor allem internationale Transaktionen und Investments mit Polen-Bezug. Gerade zu Beginn meiner Zeit hier waren Investments aus Deutschland nach Polen zahlreich und fast immer großvolumig. Heute ist das etwas ausgeglichener. Und es kommt auch immer wieder vor, dass wir ebenfalls Investments aus Polen nach Deutschland begleiten dürfen.
Wie ist ihr Werdegang im Vergleich zu deutsch qualifizierten Associates bei Hengeler Mueller?
Grundsätzlich stehen hier auch den internationalen Associates alle Karrierewege offen. Ich bin Mitglied der Rechtsanwaltskammer in Frankfurt und als europäische Anwältin dort zugelassen. Unter der Berufsbezeichnung meines Landes, ‚Radca prawny‘, darf ich hier tätig sein. Infolge meiner Rolle bei internationalen Deals bin ich allerdings auch zur ‚Hengeler Botschafterin‘ geworden. Damit bin ich zuständig für die internationalen Kontakte von Hengeler Mueller zu anderen Kanzleien, nicht nur für Polen. Das erfordert viel Netzwerk-Arbeit und Kontaktpflege insbesondere zu unseren Best-Friends-Kanzleien, aber natürlich auch darüber hinaus. Für mich war es dann eine bewusste Entscheidung, die Rolle als Senior Associate mit der als ‚Hengeler Botschafterin‘ zu verbinden, um den Anforderungen gleichermaßen gerecht zu werden. In einer deutschen Kanzlei ist es an sich etwas Besonderes, so eine internationale Karriere machen zu können. Bei Hengeler ist dies jedoch ohne weiteres möglich, weil die Kanzlei eine sehr starke internationale Ausrichtung hat und dabei auf enge Beziehungen zu unabhängigen Kanzleien im Ausland setzt, anstatt eigene Büros in aller Welt einzurichten.
Welche Herausforderungen haben Sie als ausländisch qualifizierte Anwältin in Deutschland erlebt?
Viele sagen heute zu mir, dass ich deutscher bin als die Deutschen selbst. In der Mandatsarbeit habe ich immer positive Erfahrungen gemacht. Für die Mandanten und die Teams war es selbstverständlich, dass ich mit auf den Deals arbeite. Meine Rolle erfordert oft viel Kreativität. Denn man hat die verschiedenen Aspekte der relevanten Rechtsordnungen im Blick und muss am Ende eine Lösung finden, die auf beiden Seiten Akzeptanz findet.
Was würden Sie jungen Anwältinnen und Anwälten mit ausländischem Jurastudium mitgeben, die in Deutschland beruflich Fuß fassen wollen?
Ich habe sehr positive Erfahrungen mit Learning on the Job gemacht. Also loslegen und Initiative zeigen. Im Team, in der Mandatsarbeit lernt man, worauf es ankommt. Mir würde auch per se kein Rechtsbereich einfallen, in dem ausländisch qualifizierte Juristinnen und Juristen nicht tätig sein können. Aber natürlich ist es einfacher, je internationaler das Geschäft ist. Und am Ende ist es eine große Hilfe für beide Seiten, die Landessprache zu sprechen.