Unbegrenzte Möglichkeiten
KI-Recht lässt sich nicht auf ein Rechtsgebiet reduzieren. Es ist eine Querschnittsmaterie, die sich rasant weiterentwickelt. Anwältinnen und Anwälte, die das Tempo mitgehen können und spezielles KI-Wissen mitbringen, haben unter künftigen Arbeitgebern die freie Wahl.
Auf Kanzleiwebseiten, bei LinkedIn, auf Tagungen – überall tauchen sie auf: Die Spezialisten für KI-Recht. Doch was macht eigentlich ein KI-Anwalt? Also jemand, der zu künstlicher Intelligenz berät und KI nicht nur im Rahmen seiner Beratungsleistung einsetzt. Nahezu jedes Unternehmen befasst sich zurzeit intensiv mit der Frage, wo es KI nutzen kann und welche rechtlichen Rahmenbedingungen dafür gelten. Die hohe Nachfrage auf Mandantenseite ist eine gute Voraussetzung gerade für junge Anwältinnen und Anwälte, um sich auf diese dynamische Materie zu spezialisieren und den eigenen Business Case darauf auszurichten.
Auf die Frage, ob KI-Recht überhaupt ein eigenes Rechtsgebiet darstellt, gibt es unterschiedliche Antworten. „Das ‚KI-Recht‘ ist, wie das IT-Recht insgesamt, eine Querschnittsmaterie. Es geht viel um Datenschutzrecht, IP, Vertragsrecht, zunehmend aber auch um produktsicherheitsrechtliche Vorgaben, Haftung und Governance“, erklärt Dr. Paul Voigt, Praxisgruppenleiter Technology, Media & Telecoms bei Taylor Wessing in Berlin. Er sagt aber auch: „Man muss nicht in all diesen Einzelfragen ein Experte sein, um zu künstlicher Intelligenz zu beraten. Bei komplexen Projekten unterstützen häufig Anwälte aus verschiedenen Rechtsbereichen.“ Hilfreich sei ein gewisses Maß an vernetztem Wissen zu den Themenbereichen.
Across all acts

Insbesondere der europäische Gesetzgeber reguliert den Digitalsektor in der jüngeren Vergangenheit besonders aktiv. Dazu kommt nun auch der schnell verabschiedete AI Act. Die Gemengelage erfordert nicht nur eine europarechtliche Brille, sondern die übergreifende Beratung ‚across all acts‘. „Zu den Aufgaben eines KI-Anwalts gehört die Vertragsgestaltung, das Risikomanagement und die Beratung hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen für den Einsatz von KI“, erläutert Kathrin Schürmann, Gründungspartnerin der Berliner Tech-Boutique Schürmann Rosenthal Dreyer. „Dabei geht es nicht nur darum, Risiken zu minimieren, sondern auch Innovationen zu fördern. Eine gute Beratung ermöglicht es den Unternehmen, rechtskonforme Lösungen zu finden, ohne die technologische Entwicklung oder unternehmerische Innovation zu bremsen.“ Dieses Verständnis vom Anwalt, der Innovation ermöglicht und nicht ausbremst, ist insbesondere im Technologiesektor von großer Bedeutung. Denn das Tempo technologischer Entwicklung ist in der Regel schnell, der Wettbewerbsdruck für die Mandanten hoch. Bei der KI-Revolution, wie manche sie nennen, gilt das umso mehr.
Bereit für neue Wege
Gerade für junge Anwältinnen und Anwälte ist es zugleich eine Herausforderung und eine Chance, sich in eine Rechtsmaterie einzuarbeiten, die ständig in Bewegung ist. „Um KI-Anwalt zu werden, ist zunächst ein starkes Interesse an Technologie und ein gutes Verständnis für technische Themen wie künstliche Intelligenz und IT unverzichtbar“, ist Schürmann überzeugt. „Da es sich um ein noch junges und dynamisches Rechtsgebiet handelt, braucht man die Bereitschaft, sich in einem Bereich mit noch wenig etablierter Rechtsprechung zu bewegen und neue Wege zu erkunden.“ Dafür braucht aber niemand ein reguläres Zweitstudium absolvieren. Paul Voigt von Taylor Wessing ist der Meinung, dass man kein Informatiker sein muss, um zu KI-Fragen zu beraten: „Ein gewisses technisches Grundverständnis beziehungsweise Neugier und Lust, sich auch in die nichtjuristischen KI-Fragestellungen einzuarbeiten, sollte jedoch vorhanden sein.“
Doch es sind nicht nur die Techanwältinnen und -anwälte, die sich mit der Beratung zu KI-Fragen befassen. Gerade weil KI in Unternehmen bereits an so vielen Stellen erprobt und auch eingesetzt wird, sind schnell andere Rechtsgebiete gefragt, die bislang nicht unbedingt mit KI oder Technologie in Verbindung gebracht wurden (Das neue ‚KI-Recht‘). Ein Beispiel ist das Arbeitsrecht. Wenn Mitarbeitende Anwendungen mit künstlicher Intelligenz nutzen, kann dies schnell Auswirkungen auf den Arbeitsplatz haben. Aber auch im Rahmen von Recruitingmaßnahmen kann der KI-Einsatz arbeitsrechtliche Fragen aufwerfen. Ein weiterer Bereich sind Urheber- und Persönlichkeitsrechte. Insbesondere bei der Content-Produktion, etwa bei Audio oder Filmaufnahmen, kommt KI immer häufiger zum Einsatz. Hier sind Medienrechtler gefragt, die sowohl den Input als auch den Output der KI rechtlich geschützt abbilden und prüfen, ob zum Beispiel Persönlichkeitsrechte betroffen sein könnten.
Erfahrung, Erfahrung, Erfahrung
Wer sich als junge Anwältin und Anwalt für KI in der Rechtsberatung interessiert, für den empfiehlt es sich, möglichst viel Praxiserfahrung zu sammeln. „Der beste Weg, diese zu erlangen, ist die Arbeit in einer Kanzlei oder einem Unternehmen, das sich mit rechtlichen Fragestellungen rund um KI beschäftigt. Dort arbeitet man an konkreten Fällen und erlebt die rechtlichen Herausforderungen von KI in der Praxis“, so Schürmann. Schon während der Ausbildung kann es lohnenswert sein, sich mit diesen Themen zu befassen. „Ich empfehle, bereits während des Studiums gezielt passende Schwerpunktkurse zu belegen – zum Beispiel für IT-Sicherheit, Produkthaftung oder Datenschutzrecht“, so Schürmann. „Auch Nebenjobs oder studentische Tätigkeiten in Unternehmen, die KI-Produkte entwickeln oder KI nutzen, können dabei helfen, ein technisches Verständnis aufzubauen und Einblicke in die Umsetzung von KI-Lösungen in der Praxis zu bekommen.“ Unabhängig davon, welches Rechtsgebiet man wählt oder wie früh man sich auf KI einlässt: Wer echtes Interesse mitbringt, kann sich den Arbeitsplatz mehr oder weniger aussuchen.
Das neue ‚KI-Recht‘
KI-Anwendungen werfen verschiedene rechtliche Fragen auf. Deshalb gibt es viele Rechtsgebiete, die eine Beratung zu künstlicher Intelligenz umfassen. Innovative Kanzleien bieten eine interdisziplinäre und ganzheitliche Beratung, die insbesondere folgende rechtliche Themen umfasst (Auswahl).
- Datenschutzrecht
- Verarbeitung von personenbezogenen Daten
- IT-Recht und IT-Sicherheitsrecht:
- Cybersicherheit sowie IT-Lizenzen und -Verträge
- Urheberrecht:
- Nutzung von urheberrechtlich geschützten Daten beim KI-Training; Schutzrechte KI-generierter Werke
- Haftungsrecht/Produkthaftung:
- Verantwortlichkeiten zwischen Herstellern, Betreibern und Nutzern; Haftung für Schäden durch KI-Tools
- Arbeitsrecht:
- Auswirkungen auf Arbeitsplätze und Arbeitsprozesse in Unternehmen
- Kartellrecht:
- Beschränkung von Marktmacht, die durch den Besitz großer Datenmengen entsteht
- Vertragsrecht:
- vertragsrechtliche Gestaltung von KI-Einsatz
- Ethik und Compliance:
- ethischer Umgang mit KI
- Europarecht:
- ständig weiterentwickelte EU-Regulierung von KI