Teamwork makes the deal work

M&A-Anwälte arbeiten ständig unter Druck und haben keine Freizeit, dafür aber viel Geld im Portemonnaie. Soweit das Klischee. Doch die Realität ist bunter. Die Arbeit als Transaktionsanwalt bietet viele Möglichkeiten für junge Juristen und jede Menge Abwechslung.

Viel Arbeit, wenig Zeit und noch weniger Schlaf: So stellen sich viele junge Juristen das Leben eines M&A-Anwalts vor. So ganz abwegig ist die Vorstellung auch gar nicht. Andererseits sehen auch Transaktionsberater zuweilen mal das Tageslicht und sogar ihre Familien. Wie hoch und vor allem wie konstant die Arbeitsbelastung ist, hängt unter anderem damit zusammen, in welcher Kanzlei man als M&A-Anwalt arbeitet. Associates haben diesbezüglich die Qual der Wahl. Denn Mergers & Acquisitions, also die Käufe und Fusionen von Unternehmen, ist eines der größten Beratungsfelder für Wirtschaftskanzleien, weil es sozusagen zur Grundausstattung jeder Kanzlei gehört, die ihre Mandanten umfassend beraten möchte. Deshalb bietet jede Full-Service- Kanzlei, egal ob Groß- oder Mittelstandskanzlei, diese Beratung an. Und dann gibt es noch die, die sich quasi ausschließlich der Transaktionsberatung verschrieben haben. Diese spezialisierten Einheiten nennt man Boutiquen. Und selbst hier ist nicht jede Kanzlei gleich.

Die US-Einheit Skadden Arps Slate Meagher & Flom ist eine Kanzlei, die dem M&A-Klischee wohl mit am nächsten kommt. Sie zählt weltweit zu den absoluten Top-Adressen für Transaktionsberatung. Skadden ist so bekannt, dass sogar der legendäre TV-Anwalt Harvey Specter aus der Serie ,Suits‘ in einigen Folgen lieber dort arbeiten würde als in seiner eigenen Kanzlei.

Foto: LMPS von Laer Meyer Paul Stuttmann
Von der Großkanzlei zum eigenen Spin-off: Carl von Laer und Hubertus Stuttmann gründeten mit Daniel Meyer und Carsten Paul (v.l.) 2021 die Corporate-Kanzlei LMPS.

Von Licht zu Licht und noch ne Schicht

Wenn man sich wie etwa Skadden auf Deals im oberen Marktsegment fokussiert, ist es logisch, dass die Tage – und auch die Nächte – mal lang werden. Sehr lang. Und irgendwann wird es sogar richtig hart. Meistens spät nachts, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind und man eigentlich nur noch schlafen will. Einer, der dieses Geschäft seit mehr als 20 Jahren kennt und beherrscht, ist Dr. Jan Bauer, Transaktionsanwalt und Managing-Partner der deutschen Büros von Skadden in Frankfurt und München (Der Super-Anwalt, Seite 86). Und der sagt klar: „Die Vorurteile, die über die Arbeit in einer Großkanzlei kursieren, sind eigentlich gar keine. Unser Job ist sehr anstrengend und fordernd. Erfolgreich kann hier nur sein, wer bereit ist, langfristig mehr als 100 Prozent zu geben.“ Was nicht heißen soll, dass bei Skadden nur gearbeitet wird. Aber das M&A-Geschäft hat Belastungsspitzen und die müssen auch junge Anwälte, die in diesem Rechtsgebiet Fuß fassen wollen, aushalten können. „Den meisten jungen Associates ist klar, was sie in einer Kanzlei wie Skadden erwartet. Anwälte, die sich bei uns bewerben, haben uns bewusst ausgewählt, weil sie diese Art der Herausforderung suchen.“

Seit 2018 ist Jan Bauer Partner in der US-Kanzlei. Im klassischen M&A-Geschäft gestartet, hat er sich im Laufe seiner Karriere auf Private-Equity-Mandanten spezialisiert. Die gelten als anspruchsvoll und fordernd, sind für eine Kanzlei wie Skadden aber auch sehr attraktiv, weil sie bereit sind, für die geforderten Dienste einen hohen Preis zu zahlen. Zuletzt stand Bauer zum Beispiel dem Biotechunternehmen MorphoSys zur Seite, als das vom Pharmakonzern Novartis übernommen werden sollte. Solche Transaktionen finden häufig unter hohem Zeitdruck statt und erfordern entsprechenden Einsatz von allen Beteiligten.

Am Anfang steht die Due Diligence

Wem diese High-End-Deals mit zu viel Work und zu wenig Life verbunden sind, muss sich nicht gleich von seinem Traum als M&A-Berater verabschieden. Denn Kanzleien wie Skadden, Milbank oder Kirkland & Ellis bilden nur einen Teil des Arbeitgeberspektrums ab. In anderen Einheiten ist die Arbeitsbelastung geringer, die Arbeitsinhalte aber sind ähnlich. Denn egal, ob es sich um eine Milliardentransaktion oder einen Unternehmenskauf im niedrigen zweistelligen Millionenbereich handelt, die Arbeitsschritte sind ähnlich. Am Anfang steht die ausführliche Prüfung des Kaufobjekts, die sogenannte Due Diligence, um rechtliche Risiken zu identifizieren, die mit einer Transaktion verbunden sein können. Anschließend werden die Verträge aufgesetzt und verhandelt. Dabei geht es um die Berücksichtigung wirtschaftlicher, steuerlicher und natürlich rechtlicher Aspekte. „Die Ticketgröße ist nicht entscheidend für die Komplexität einer Transaktion, sondern die Themen. Gerade im regulatorischen Umfeld müssen M&A-Berater heutzutage viele Aspekte auf dem Schirm behalten, die für den Erfolg des Deals wesentlich sind“, erklärt Dr. Hubertus Stuttmann, Partner in der Düsseldorfer Corporate-Boutique LMPS.

Stuttmann hat 2020 mit drei weiteren Kollegen seine eigene Kanzlei gegründet. Zuvor waren alle vier Managing Associates in der britischen Spitzenkanzlei Linklaters und hatten bis dato ihre gesamte Karriere in der Düsseldorfer Praxis für Gesellschaftsrecht und M&A verbracht. LMPS war damals der erste sogenannte Spin-off aus der Corporate-Praxis von Linklaters. Wettbewerberinnen wie Freshfields oder Hengeler Mueller hatten schon häufiger erfahrene junge Anwälte ziehen lassen müssen, die ihr berufliches Glück lieber in einer eigenen Einheit suchen wollten. „Wir haben während unserer Großkanzleizeit sowohl zu gesellschaftsrechtlichen Themen beraten als auch umfassend bei Transaktionen“, sagt Stuttmanns Partnerkollege Dr. Carl von Laer. „Diese breite Aufstellung haben wir bewusst mit in die eigene Kanzlei genommen, auch wenn jeder von uns inhaltliche Spezialisierungen hat.“

Entsprechend achten sie nun, da sie in der Ausbilderrolle sind, bei ihren Associates darauf, dass die möglichst die gesamte Bandbreite der Corporate-Beratung kennenlernen. Denn häufig berät man Mandanten in Boutiquen aber auch Mittelstandskanzleien nicht nur zu M&A-Projekten, sondern auch strukturell und strategisch im Vorfeld oder Nachgang eines Deals.

Größe ist nicht entscheidend

Verändert hat sich für die vier LMPS-Partner im Vergleich zu früher der Rhythmus und die Intensität ihrer Arbeit, nicht aber der Inhalt. „Als Associates haben wir regelmäßig auf sehr großvolumigen Deals gearbeitet“, sagt Stuttmann. Er und von Laer arbeiteten vor allem mit den Linklaters-Partnern Dr. Tim Johannsen-Roth und Staffan Illert zusammen, zwei echten Schwergewichten in der M&A-Szene. In deren Teams begleiteten sie in den vergangenen Jahren unter anderem BASF beim Verkauf der Bauchemiesparte an den Finanzinvestor Lone Star und Linde im Zusammenhang mit der Fusion mit dem US-Konzern Praxair. „Natürlich ist es spektakulär, Teil einer solchen Großtransaktion zu sein.

Große Volumina bringen große Verantwortung mit sich. Die Arbeit auf kleineren Deals ist aber nicht weniger anspruchsvoll“, sagt von Laer. Der wesentliche Unterschied zu ihrer Großkanzleizeit sei, dass sie zwar regelmäßig kleinere Deals begleiten, dafür aber deutlich mehr, weil sie nicht so lange dauern wie die großvolumigen Konzerntransaktionen. „Das macht die Arbeit sehr abwechslungsreich, auch für unsere Associates. Denn wir begleiten nicht nur sehr viele unterschiedliche Mandanten auf den Transaktionen, sondern sehen auch viele verschiedene Kanzleien und Beratertypen auf der Gegenseite“, sagt Stuttmann. Die ganz großen Tickets, wie man die Milliardendeals auch nennt, machen Spitzenkanzleien, zu denen auch Skadden und Linklaters gehören, meist unter sich aus.

Natürlich gibt es auch in einer Kanzlei wie LMPS intensive Arbeitsphasen, Nachtschichten und Wochenendarbeit sind aber die absolute Ausnahme. Belastungsspitzen kommen zudem nicht so oft vor wie in Kanzleien, die sich konsequent dem Top-Deal-Segment verschrieben haben. Und vor allem nicht über einen so langen Zeitraum. „Wir haben auch mal Bewerber, die sagen, sie möchten eigentlich primär im Gesellschaftsrecht arbeiten, weil sie eben diese Belastungsspitzen bei Deals fürchten“, sagt Stuttmann. Und er räumt ein: „Es gibt Vorbehalte gegen M&A, die man nicht einfach wegwischen kann. Dass Associates in einer Transaktion Tag und Nacht arbeiten und im Datenraum hocken, ist allerdings eine klare Übertreibung.“ Die Signing- und Closingphasen, also die Zeiten, in denen Verträge unterschrieben und letzte Bedingungen fixiert werden, seien intensiv. Jenseits dessen bleibe aber genügend Zeit für andere Dinge, auch private.

Diese Auffassung vertritt auch Dr. Tobias Möhrle, Partner der M&A-Praxis in der Mittelstandskanzlei Möhrle Happ Luther. „M&A-Transaktionen sind immer eine Herausforderung, weil man innerhalb eines sehr begrenzten Zeitraums viel umsetzen muss“, sagt er. Und er räumt auch ein: „Reines M&A und Work-Life-Balance ist eigentlich ein Widerspruch in sich.“ Nine-to-five ist im Transaktionsgeschäft nur sehr schwer umsetzbar. Das muss jedem angehenden Anwalt klar sein. Egal für welchen Kanzleityp er sich entscheidet.

Foto: Möhrle Happ Luther
Zusammenarbeit ist sehr wichtig: M&A-Partner Tobias Möhrle achtet sehr bewusst auf eine gute Teamstruktur bei seinen Deals.

Deals mit Strategie

Trotzdem ist der Widerspruch von Transaktionsberatung und Freizeitausgleich nicht unauflösbar. Der Schlüssel hierzu liegt in einer ausgewogenen Mandantenstruktur und einer breiten inhaltlichen Aufstellung. Beides kann eine Mittelstandskanzlei wie Möhrle Happ Luther bieten. Tobias Möhrle berät aus Hamburg heraus mit seinem Team sowohl Private-Equity- und Venture- Capital-Unternehmen, deren Hauptgeschäft es ist, Deals zu machen, als auch familiengeführte und mittelständische Unternehmen, die Transaktionen vor allem aus strategischen Gründen machen. „Gerade diese Mandanten sorgen bei uns für ein konstantes Geschäft, weil sie nicht nur auf Marktentwicklungen achten. Für sie ist entscheidend, ob ein Investment in ihre Strategie passt“, erklärt Möhrle. Hinzu komme, dass gerade bei diesen Mandanten auch viel Arbeit im klassischen Gesellschaftsrecht anfalle, die weniger zeitkritisch sei.

Obwohl sich der Arbeitsalltag in Kanzleien wie Möhrle, LMPS oder Skadden teils erheblich unterscheidet, eint diese Kanzleien doch ein Thema: Die Suche nach geeignetem Nachwuchs. Sie alle wollen die Top-Absolventen für sich gewinnen, um ihren anspruchsvollen Mandanten hochwertige Beratung zu liefern. Top-Noten und ein wirtschaftliches Grundverständnis sollten junge Juristen in jedem Fall mitbringen. Das setzen die meisten Kanzleien aber mittlerweile voraus. Ausschlagegebend ist am Ende die Persönlichkeit und ob ein Bewerber ins Team passt. Dabei geht es den Partnern nicht zwingend darum, sich selbst zu replizieren. Im Gegenteil. Eigentlich braucht es einen guten Mix an Charakteren, findet Skadden-Partner Bauer: „Fachlich sind durch die Vorauswahl über die Examensnoten letztlich fast alle Bewerber, die wir kennenlernen, gut geeignet. Was zählt, ist die Persönlichkeit und der Charakter. Wir wünschen uns einen guten Persönlichkeitsmix im Team.“ Denn jeder Mandant benötige einen anderen Typ Berater. „Es ist ähnlich wie in einer Fußballmannschaft. Mit vier Stürmern oder Torwarten, so gut sie auch sein mögen, kann der Trainer nicht viel anfangen.“

Für Tobias Möhrle sind Faktoren wie Kommunikationsfähigkeit, ein gutes Verständnis für das Zusammenspiel der einzelnen Disziplinen auch jenseits von den typischen M&A-Themen sowie Organisationstalent entscheidend bei der Auswahl von Mitgliedern für sein M&A-Team. Natürlich spiele auch die Persönlichkeit eine wichtige Rolle. „M&A ist Teamarbeit. Wir müssen uns gut verstehen und aufeinander verlassen können. Egozentriker wären bei uns fehl am Platz“, resümiert er.


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