Mitentscheiden in Associate Committees
Von Hafermilch und Ökostrom bis zur (Mit-)Entscheidung, wer Partner wird: Nicht alle Kanzleien beteiligen ihre Anwältinnen und Anwälte. Für engagierte Associates sind entsprechende Gremien genau richtig, gerade um sich intern gut zu vernetzen.
Früher war das Team bei McDermott Will & Emery in Düsseldorf und Köln „eng beieinander“. So fühlte es sich für Ulrike Witt an, die seit sieben Jahren eine von vier Associate-Sprechern dort ist. Die Associates sahen sich täglich, trafen sich regelmäßig zu ‚Salzstangen und Schokolade‘ – einem Gesprächsformat, bei dem sie ihre Belange besprachen. Dann kam die Pandemie und vorbei war’s mit der engen Gemeinschaft.
Das konnte so nicht bleiben, stellten sie und ihr Kollege Dr. Frederic Peine (33) fest. „Wir sind zu Jens Ortmanns gegangen und haben gesagt: ‚Die Stimmung ist nicht gut. Wir müssen die Leute wieder zusammenbringen‘,“ erzählt die 39-Jährige. Einer ihrer Lösungsvorschläge: ein regelmäßiger Associate-Lunch. Bei Dr. Jens Ortmanns, dem Managing-Partner, und Lizete da Costa, Head of Human Resources, stießen sie auf offene Ohren. Der Lunch ist nun eine feste Institution.
Associate Committees gibt es mittlerweile in einer ganzen Reihe von Kanzleien. Sie sind unterschiedlich organisiert und strukturiert, haben aber eins gemein: Sie fungieren als Bindeglied zwischen den angestellten Anwälten und dem Management. Die Associate-Sprecher geben als eine Art Klassensprecher Wünsche und Stimmungen weiter, erklären, wo der Schuh gerade drückt oder was besonders gut läuft. „Schließlich können nicht alle Partner immer wissen, wie die Stimmung unter den Arbeitsbienen gerade ist“, sagt Peine.
Beteiligung im Townhall-Meeting
McDermott mit deutschlandweit rund 85 Associates und Standorten in Düsseldorf, Frankfurt, München und Köln hat in dieser Funktion einen Sprecher pro Büro. Andere Kanzleien, wie beispielsweise die US-Kanzlei Kirkland & Ellis mit einem einzigen Büro in München, splitten die Aufgabenbereiche nach Praxisgruppen auf. Dort gibt es jeweils einen Verantwortlichen für Corporate, Finance, Tax und Restructuring. Bei McDermott in Düsseldorf ist Witt verantwortlich, im verhältnismäßig kleinen Kölner Büro Peine. Wegen der räumlichen Nähe der rheinischen Standorte, zwischen denen eine Reihe Associates hin- und herpendeln, arbeiten beide eng zusammen. Zweimal pro Jahr tragen sie ihr Anliegen gebündelt im sogenannten Townhall-Meeting vor.
Manche Anliegen, die zur Sprache kommen, können wir fix umsetzen.

Ulrike Witt von McDermott Will & Emery sprechen für die Associates aus Düsseldorf und Köln. (Foto: McDermott Will & Emery )
Daran nehmen die Associates des Standorts sowie Ortmanns, da Costa und Dr. Pierre-André Brandt, Partner in der Immobilienrechtspraxis, teil. „Manche Anliegen, die dort zur Sprache kommen, können wir fix umsetzen“, erzählt Brandt (38), „wie etwa Workshops zu konkreten Themenwünschen oder auch ganz alltägliche Wünsche, die eine gesunde und ausgewogene Ernährung durch entsprechendes Convenience-Food im Büro betreffen.“ Andere dauern länger – beispielsweise, wenn es um Gehaltserhöhungen wie im vergangenen Jahr geht oder um größere Aus- und Weiterbildungsprogramme. Letzteres entschied sich erst nach der Diskussion in verschiedenen Runden.
Noch in den Kinderschuhen
In der deutsche Kanzlei Görg mit ihren rund 180 Associates dagegen steckt ein Associate Committee noch in den Kinderschuhen. Gleichwohl ist auch Görg seit rund eineinhalb Jahren bemüht, ihre angestellten Anwältinnen und Anwälte zu bestimmten Themen mit ins Boot zu holen.
Ewa Scheid (41), die Leiterin Recruitment und Personalentwicklung und Human Resources, berichtet: „Wir haben die Associates im Rahmen einer gemeinsamen Reise nach Athen gefragt, welche Themen sie besonders interessieren und wo sie sich gerne engagieren möchten.“ Im Ergebnis sind vier Arbeitsgemeinschaften entstanden: Diversity, Parents, ESG und Ladies League. Darin treffen sich jeweils fünf bis zehn angestellte Anwältinnen und Anwälte, eine Sprecherin oder ein Sprecher pro Gruppe ist nicht vorgesehen. „Die Arbeitsgemeinschaften überlegen sich, was sie wie vorantreiben möchten und erstellen ein Konzept“, so Scheid. So hat die Diversity-Gruppe etwa zunächst eine Umfrage gestartet, um festzustellen, wie divers die Kanzlei überhaupt ist. Inzwischen trifft sich eine Gruppe regelmäßig beim LGBT-Stammtisch, und es gibt einen Genderleitfaden.
Wenn die Gruppen einzelne Punkte umsetzen möchten, geht sie damit zunächst zu Partner Dr. Marcus Richter, Arbeitsrechtler im Kölner Büro, der zum dreiköpfigen Management der Kanzlei gehört. Entweder entscheidet Richter direkt oder er nimmt das Anliegen mit in den geschäftsführenden Ausschuss, in dem er zusammen mit Dr. Christian Wolf und Dr. Jens-Dietrich Mitzlaff die Geschicke der Kanzlei verantwortet. In diesem Ausschuss wurde etwa auch die Frage entschieden, wie viele Tage pro Woche Anwältinnen und Anwälte von Görg im Homeoffice arbeiten dürfen. Nur bei partnerbezogenen Themen, wie etwa die jüngste Erhöhung der Einstiegsgehälter, muss die Partnerversammlung entscheiden.
Gemeinsam über Karrieren entscheiden
Bei Latham & Watkins hat ein Mitentscheidungsgremium, dem zwei Partner und ein Associate angehören, auch international eine lange Tradition. Bereits seit 25 Jahren bezieht die Kanzlei einen oder eine Associate pro Land in so wichtige Entscheidungen wie die Beförderung von Associates und Partnern mit ein.

Die knapp 120 Associates, die sich in Deutschland auf die Standorte Frankfurt, München, Hamburg und Düsseldorf verteilen, repräsentiert im Committee zurzeit Dr. Corinna Freudenmacher. Sie arbeitet seit knapp fünfeinhalb Jahren in der US-Kanzlei. Die 33-Jährige verantwortet gemeinsam mit Kartellrechtler Dr. Sebastian Hauser und Kapitalmarktrechtler Dr. Oliver Seiler die Geschicke des Trios. Beide Partner und Freudenmacher verfügen über das gleiche Stimmgewicht, das am Ende mit über Karrieren entscheidet.
Faktisch begleiten die drei den Werdegang der Associates genauso wie den Partnerwerdungsprozess. Sie bekommen die Akten der infrage kommenden Juristinnen und Juristen. Um weltweit für Einheitlichkeit zu sorgen, verteilt die Kanzlei diese Akten global. „Ich habe gerade eine Akte aus Spanien und eine aus Italien auf dem Tisch“, erzählt Freudenmacher. Um sich ein Bild zu machen, spricht sie unter anderem mit dem jeweiligen Supervisor der Kandidaten. Am Ende entscheidet sie gemeinsam mit Seiler und Hauser, wer aussichtsreich ist und ins globale Committee weitergeschickt wird.
Außerdem begleiten die drei die halbjährlich stattfindenden Review-Prozesse der Associates und sind auch bei den Feedbackgesprächen dabei. Auf Freudenbergers Stundenplan stehen regelmäßige Treffen mit der Personalabteilung sowie Treffen außer der Reihe, wenn akute Probleme anliegen. Spontane Termine hat sie auch deswegen, weil sie als Vertrauensperson der lokalen Associates fungiert. Das sind eine Menge Aufgaben, und die Associate-Sprecher und -Sprecherinnen gleich welcher Kanzlei sind sich einig: Die herausgehobene Funktion ist mit einer deutlichen Portion mehr Aufwand verbunden. Doch es lohnt sich in vielerlei Hinsicht.
Supervisors zeigen ihre Wertschätzung
Da ist zum einen das kanzleiinterne Netzwerk, das die Sprecher intensivieren und das bis in die internationale Partnerebene hineinreicht. Sie sind in ihrer Funktion sehr visibel für die lokalen Partner und in Fällen wie Latham auch für die internationalen Partner. „Man kommt so mit einigen Supervisors aus internationalen Büros in Kontakt, mit denen man bisher noch nicht gearbeitet hat“, sagt etwa Freudenmacher. „Es ist eine wertvolle Erfahrung, zu sehen, welchen Stellenwert unsere Arbeit hat und wie viel Zeit sich Supervisors nehmen, über die Kandidaten zu sprechen und so ihre Wertschätzung zu zeigen.“

Die deutsche Partnerschaft registriert die Extrameile der Associates sowieso. „Wie jedes Engagement sehen wir auch das Engagement der Associate-Sprecherinnen und -Sprecher gerne“, sagt etwa da Costa (47). „Und natürlich sind sie auch für die Partnerschaft besonders sichtbar und ein wichtiger Gesprächspartner.“ Für die weitere Entwicklung in der Kanzlei sei das von Vorteil, auch weil die Sprecherinnen und Sprecher frühzeitig lernen, die Dinge aus der Kanzlei- oder Management-Perspektive zu beurteilen. „Das ist auf jeden Fall gut, wenn man in die Partnerschaft will“, so da Costa. Ihr Kollege Brandt ist das beste Beispiel. Er schied erst aus dem Associate Committee aus, als er in die Partnerschaft berufen wurde.
Neben der Anerkennung, die den engagierten Anwältinnen und Anwälten entgegenschlägt, sind es aber auch andere Schmakerl, die ihnen die Kanzlei zukommen lässt. Katharina Intfeld, die als Vorgängerin von Corinna Freudenmacher in Lathams Komitee war, erinnert sich besonders gerne an die global besetzten Associate Committees, die in Miami, New York und Los Angeles stattfanden. „Wir saßen natürlich den ganzen Tag in Meetings, hatten aber außerhalb der Meetings auch Gelegenheit in lockerer Atmosphäre zu netzwerken“, erinnert sie sich.
Auch McDermott-Associate Peine, der den deutschen Standort im internationalen Kreis repräsentiert, freut sich auf eine anstehende Reise: Der weltweite Managing-Partner hat alle Mitglieder des globalen Committees für zwei Tage in die USA eingeladen. Mehr Sichtbarkeit geht kaum.