Kanzleigründung: Trotz Krise den Schritt in die Selbstständigkeit wagen
Auch 2020 haben sich wieder zahlreiche Anwälte für den Schritt in die Selbstständigkeit entschieden und eigene Kanzleien gegründet. Von den gut 30 neu entstandenen Einheiten starteten immerhin 10 bereits im Januar und damit noch vor dem ersten Lockdown. Doch auch die anderen Geschichten zeigen: Eine Kanzleigründung in Corona-Zeiten bringt sogar einige Vorteile mit sich.
Kanzleigründer hatten es 2020 besonders schwer. Gerade junge Unternehmen, die lange daraufhin gearbeitet hatten, endlich durchstarten zu können, trafen die Corona-Auswirkungen. Doch der Neubeginn in einer kleinen, flexiblen Einheit birgt auch Chancen – auf Faktoren wie IT und Kosten können Jungunternehmer ein besonderes Augenmerk legen.
Viele erfolgreiche Vorbilder
Der Spin-off ist ein beliebtes Modell insbesondere bei jüngeren Anwälten mit erster Erfahrung aus Großkanzleien. So sind in den vergangenen 15 Jahren zum Beispiel besonders viele Boutiquen aus Freshfields Bruckhaus Deringer hervorgegangen, oft gegründet von Associates. Sie haben sich alle im Markt gut etabliert und sind zudem untereinander gut vernetzt, oft zieht man sich gegenseitig in Mandaten hinzu. Weil dieses Modell so gut funktioniert, dient es anderen gründungswilligen jungen Großkanzleianwälten oft als Vorbild.
Auch 2020 haben sich wieder zahlreiche Anwälte für den Schritt in die Selbstständigkeit entschieden. Und nicht nur Associates haben Kanzleien gegründet, sondern auch etliche erfahrene Partner, deren Geschäft aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr zu ihrer bisherigen Kanzlei passte.
Der Krise trotzen
Nur bei vier der nahezu 30 Neugründungen des vergangenen Jahres fiel der Startschuss im April und damit mitten im ersten Lockdown. Im Mai traute sich dann niemand in die Selbstständigkeit, im Juni nur eine Kanzlei. Im Juli und August entstanden dann insgesamt acht neue Kanzleien. Darunter war auch Skaling, deren sechs Partner im August in Berlin und Hamburg starteten.
Schon ihr Kickoff-Treffen im März hatten die Anwälte digital abhalten müssen. Der Berliner Partner Dr. Christian Schultze sagt: „Wir haben uns tief in die Augen geschaut und gefragt: Wollen wir diese Gründung noch? Doch alle waren der Meinung: Jetzt erst recht!“ Und Litigation-Partner Christoph Schaper, der damals noch bei Latham & Watkins in Hamburg arbeitete, ergänzt: „Wir dachten, mit einer kleinen, flexiblen Struktur kommen wir besser durch die Krise als so manche Großkanzlei.“
Erster Spin-off bei Linklaters
Aufmerksamkeit erregte insbesondere auch der erste Associate-Spin-off bei Linklaters – in Düsseldorf machten sich vier Linklaters-Anwälte mit der Corporate-Boutique LMPS Rechtsanwälte selbstständig. „Unsere Entscheidung stand nie auf der Kippe“, sagt Gründungspartner Dr. Carl von Laer. „Aber wir waren gezwungen, noch einmal sehr genau über unser Geschäftsmodell nachzudenken.“
Viele der Neugründungen legten von Anfang an ein großes Augenmerk auf ihre IT. So investierte beispielsweise LMPS lieber in ein cloudbasiertes Dokumentenmanagementsystem als in eine Bibliothek. Außerdem starteten die Gründer komplett ohne Personal. Themen wie Buchhaltung und Rechnungsstellung lagerten sie an externe Anbieter aus. Denn die Kosten muss schließlich jede Neugründung besonders gut im Blick behalten – ob mit oder ohne Corona.