Kanzleien schaffen neue Karrierewege

Üblicherweise führt der Weg in die Wirtschaftskanzlei über den Einstieg als Associate. Immer mehr Tätigkeiten rund um Legal Tech und Großmandate erfordern jedoch andere Qualifikationen als das Jurastudium. Darauf reagieren Kanzleien und führen zunehmend Karrierewege für Personal abseits der Volljuristinnen und -juristen ein.

Erst kürzlich verkündete etwa KPMG Law ihren neuen ‚Tech Career Path‘. Er richtet sich an eine breite Gruppe von Bewerbenden, die unterschiedlich qualifiziert sein können. Dazu zählen etwa Wirtschaftsjuristinnen und -juristen oder IT-Fachleute. Sie alle eint, dass sie bei KPMG Law an der Schnittstelle zwischen IT, Prozessen und juristischer Arbeit tätig werden und dort technologische Entwicklungen in der Rechtsberatung der Kanzlei vorantreiben. Anstatt klassisch in Mandaten arbeiten sie eher im Hintergrund an technologiegestützten Lösungen.

Über drei Karrierestufen können diese Mitarbeitenden nun zum ‚Lead Specialist‘ aufsteigen. Mit dem neuen Karrierepfad einher gehen ein Schulungsangebot und festgelegte Vergütungsstrukturen. Zu den Aufgaben und Verantwortungsbereichen zählen Business Development und Vertrieb. Mandatenakquise oder die Erbringung von abrechenbaren Stunden stehen dagegen explizit nicht im Vordergrund.

Alternative Berufsgruppen im Fokus von Kanzleien

Damit entwickelt KPMG Law ihr Angebot in eine Richtung, die bereits andere Kanzleien vor ihr eingeschlagen haben. Schon seit einiger Zeit nehmen Personalverantwortliche in Kanzleien auch die Karriereoptionen abseits der klassischen Associate-Laufbahn in den Blick. Dabei erkennen sie vor allem das Potential von Wirtschaftsjuristinnen und -juristen. Neben Freshfields Bruckhaus Deringer, Baker McKenzie, Hogan Lovells oder Allen & Overy beschäftigen auch die deutschen Kanzleien wie CMS Hasche Sigle, Noerr oder Gleiss Lutz zunehmend Wirtschaftsjuristinnen und -juristen mit verschiedenen Schwerpunkten.

Beim Recruiting ergeben sich allerdings noch einige Herausforderungen. Zum einen gibt es im deutschen Rechtsmarkt kein eindeutig definiertes Anforderungsprofil für Wirtschaftsjuristen und damit auch keine einheitliche Ausbildung. Viele haben einen Bachelor oder Master in Rechtswissenschaften, andere haben nur das Erste Staatsexamen absolviert, und wieder andere haben einen betriebswirtschaftlichen Background und aufgrund vorheriger Jobs zumindest juristische Vorkenntnisse.

Das erfordert einen neuen Bewerbungsprozess und eine neue Ausrichtung auf diese Bewerbergruppe. Zudem müssen Kanzleien Möglichkeiten wie Praktika für diese Zielgruppe schaffen, damit sich Arbeitgeber und potenzielle Berufseinsteiger kennenlernen können. Denn anders als Volljuristinnen und -juristen kommen Wirtschaftsjuristinnen und -juristen nicht im Zuge ihres Referendariats oder als wissenschaftliche Mitarbeitende schon vor dem Berufseinstieg in Kontakt mit Kanzleien.

Mehr Bedeutung für neue Profile

Mit der Einführung von festen Karrierewegen für Wirtschaftsjuristinnen und -juristen wollen Kanzleien dieser Berufsgruppe nun mehr Bedeutung innerhalb der Kanzlei zuschreiben. Außerdem können sie die Bewerbergruppe mit attraktiveren und konkreteren Angeboten besser überzeugen.

CMS Hasche Sigle hat bereits Ende letzten Jahres die Aufstiegsmöglichkeiten für Wirtschaftsjuristen formalisiert. Über die erste Stufe, den ‚Legal Specialist‘, können sie bis zur fünften Stufe aufsteigen und sind dann sogenannte ‚Senior Legal Manager‘. Damit ermöglicht die Kanzlei nun eine Karriere ohne Staatsexamen. Wirtschaftsjuristinnen und -juristen werden für Legal-Tech-Projekte eingebunden, sind aber auch verstärkt im Smart-Litigation-Team im Einsatz. Dort erstellen sie Schriftsätze in Massenverfahren und unterstützen bei der Organisation und Recherche. Für jedes Großmandat stellt die Kanzlei interdisziplinäre Teams zusammen, die aus Anwältinnen, Projektjuristen, Wirtschaftsjuristinnen, Assistenzen, Legal-Project- und Legal-Tech-Managern bestehen.

Ebenfalls recht ausgereift ist der Karriereweg für Wirtschaftsjuristinnen und -juristen bei Gleiss Lutz. Wenn sie bestimmte Leistungs- und Qualifikationsziele erreichen, können sie dort vom ,Project Associate‘ über den ,Senior Project Associate‘ bis zum ,Managing Project Associate‘ aufsteigen.

Transaktionsspezialisten im Einsatz

Viele Kanzleien setzen juristisches Personal mit einer ausländischen Qualifikation im Transaktionskontext ein. Freshfields etwa beschäftigt rund 130 Transaction Lawyers. Diese arbeiten an unterschiedlichen Standorten an großen, teils grenzüberschreitenden Mandaten wie Transaktionen, Kartellprüfungen oder umfangreichen Finanzierungen mit. Dabei arbeiten sie sowohl mit den Anwaltsteams als auch mit dem ‚Lab‘ zusammen, der Legal-Tech-Einheit von Freshfields.

Auch bei der britischen Top-Kanzlei Allen & Overy arbeiten Wirtschaftsjuristinnen und -juristen unter anderem als sogenannte ,Transaction Officers‘. Ihre Aufgaben sind ähnlich wie bei Freshfields an der Schnittstelle zwischen Legal Tech und Rechtsberatung angesiedelt. Zusätzlich zählt zu ihrem Jobprofil das Projektmanagement. Laut der Kanzlei liegt ihre Kernaufgabe darin „Prozesse zu identifizieren, zu bewerten und mit Hilfe von Legal-Tech-Lösungen und Projektmanagement zu verbessern“. Das zeigt die große Bandbreite an Qualifikationen, die in Kanzleien künftig gefragt sind.


Teilen:

azur Mail abonnieren