Intelligent implementieren
An KI-Tools und Legal-Tech-Anbietern mangelt es im deutschen Rechtsmarkt nicht. Umso wichtiger ist es für Rechtsabteilungen und Kanzleien, den Überblick zu behalten und intern die notwendigen Strukturen für ihren Einsatz zu schaffen. Dabei sind Legal-Operations-Manager eine zunehmend gefragte Spezies.
Im Rechtsmarkt reift eine Erkenntnis: Digitalisierung und Legal Tech haben wenig Aussicht auf Erfolg, wenn nicht strategisch in Prozessen und Arbeitsabläufen gedacht wird. Ob Unternehmensjuristen oder Kanzleianwälte, alle fragen sich, wie generative KI ihre Arbeit verändert. KI legt dabei sozusagen den Finger in die Wunde und führt vor Augen, was man schon lange hätte tun müssen: Strukturen schaffen. Doch mit dem Denken in Prozessen tun sich Juristen erfahrungsgemäß oft schwer. Lernen sie in der Ausbildung doch, vom Allgemeinen zum Speziellen zu gehen. Die Management-Denke funktioniert dagegen genau umgekehrt: Wie ergibt sich aus 25 Sachverhalten ein großes Bild? Hier kann ein Legal-Ops-Manager ins Spiel kommen. Zu seinen Aufgaben zählt zudem eine Analyse: Wie beraten wir das Management? Gelingt es, die relevanten Aspekte in drei Minuten verständlich auf den Punkt zu bringen? Maßgeblich für den Erfolg ist dabei der soziale Faktor. Hier spielen Kommunikation und Changemanagement eine zentrale Rolle. Schließlich bringt die beste Technologie nichts, wenn die Menschen nicht mit ihr umgehen können. Auch gilt es, Mitarbeitende und Stakeholder zu überzeugen, dass veränderte Abläufe und Self-Service-Tools eine Verbesserung bringen.
Spielwiese für Legal Ops
Diese Fragen und Herausforderungen stellen sich unabhängig von der Größe einer Rechtsabteilung oder einer Kanzlei. In der Rechtsabteilung von Tonies in Düsseldorf etwa arbeiten elf Beschäftigte. Dr. Philipp Storm, General Counsel und Chief Compliance Officer des Herstellers von singenden und erzählenden Figurenboxen für Kleinkinder, sagt: „Wir wollten schon weiter sein, etwa mit der Automatisierung des Vertragsmanagements. Deshalb haben wir im August 2023 eine Teilzeitstelle für Legal Operations geschaffen, die steuern soll: Wie organisieren wir uns? Wie lässt sich sicherstellen, dass wir an den richtigen Themen arbeiten? Wo können wir wie standardisieren?“ Besetzt wurde sie mit Melanie Wessel, die sich als neue Legal-Ops-Verantwortliche auch einen Überblick über Tools verschafft, um beispielsweise Verträge und Lizenzen für die Tonies-Figuren und Audioinhalte automatisiert zu erstellen. Denn eine Spielwiese findet Legal Operations überall dort, wo sich zeitaufwendige manuelle Tätigkeiten mittels Legal Tech effizienter gestalten lassen.

Unterschiedliche Ansätze in Kanzleien
Mit dem zunehmenden Wettbewerbsdruck seit Mitte des letzten Jahrzehnts haben auch Kanzleien Legal Operations für sich entdeckt. Dabei sind für den Aufbau spezialisierter Teams dieselben Kompetenzen wie in Rechtsabteilungen gefragt – auch wenn sie organisatorisch unterschiedliche Wege gehen. Beispiel Bird & Bird: „In Deutschland haben wir zwar kein designiertes Team, das sich ausschließlich mit Legal Ops beschäftigt, jedoch rund ein Dutzend Leute, die permanent unsere Prozesse analysieren und unsere juristischen Abläufe optimieren, damit unsere 280 deutschen Anwälte Rechtsberatung immer effizienter leisten können“, sagt Philipp von Mecklenburg, der als Chief Operating Officer der internationalen Großkanzlei unter anderem Projekt- und Prozessmanagement verantwortet. Hélder Santos kümmert sich als Head of Legal Tech and Innovation mit einem fünfköpfigen Team um Auswahl und Implementierung von internen Legal-Tech- Anwendungen, die unter anderem bei der Abwehr von Massenklagen eingesetzt werden können.
Bei der deutschen Großkanzlei CMS Hasche Sigle leitet Dr. Arne Burmester den Bereich Smart Operations mit 20 Wirtschaftsjuristen und Projektmanagern. Er hält demgegenüber eine institutionalisierte Steuerung für Legal Ops für sinnvoll, sobald Kanzleien die Schwelle von 30 Mitarbeitenden überschreiten: „Komplexe Projekte erfordern interdisziplinäre Teams, deren Tätigkeit mehr als reine Rechtsberatung umfasst: etwa, wenn es um Koordination internationaler Workstreams, Strukturierung von Prozessen und Aufbau von Plattformen für die Zusammenarbeit mit Mandanten geht.“ Co-Leiter der CMS-Operations-Einheit ist Dr. Frederik Leenen, der zugleich den 23-köpfigen Bereich Smart Solutions mit Fokus auf Legal Tech verantwortet. Er ergänzt: „Zu unseren Aufgaben zählt dann beispielsweise: Wie muss KI für die verschiedenen Fachbereiche angelernt werden? Und wie bekommt man die Prozesse an KI angepasst?“
Problemlöser gesucht
Der KI-Hype lässt auch bei Kanzleien den Bedarf an Legal-Operations- Spezialisten steigen und der Wettbewerb um das beste Personal verschärft sich. Denn hier konkurrieren nicht nur Kanzleien untereinander, sondern auch mit Rechtsabteilungen. Laut KPMG-Report will fast jeder vierte General Counsel Legal Operations ausbauen. In der Automobilindustrie sind es sogar 54 Prozent. Doch welche Eigenschaften sollten Bewerbende mitbringen? „Wer wie Melanie Wessel Betriebswirtschaft studiert und als Datenschutzbeauftragte gearbeitet hat, bringt die Fähigkeit mit, in Prozessen zu denken und fachspezifische Themen operationalisierbar zu machen. Denn die Regulierung im Datenschutz ist entsprechend gestrickt“, berichtet Tonies-General Counsel Storm. Große Konzerne werden häufig auch intern fündig, etwa in der Personal- oder IT-Abteilung, wenn die Rechtsabteilung proaktives Selbstmarketing betreibt.
Kanzleien müssen sich dagegen zunehmend anstrengen, um hier mitzuhalten: So hat CMS etwa einen speziellen Karriereweg für Wirtschaftsjuristen eingeführt und setzt auch auf andere Professionen. Im Vorstellungsgespräch kommt es der Kanzlei auf die intrinsische Motivation eines Bewerbers und dessen Lösungsorientiertheit an. Denn das braucht es, um Projekte zum Erfolg zu führen. Schließlich prallen mitunter Welten aufeinander: Etwa, wenn Juristen, die für das Finden von Problemen ausgebildet sind, auf Legal-Operations- Verantwortliche stoßen. Für die einen zählt stärker die Perfektion, für die anderen das Tempo.