Good-bye Homeoffice?

Der erste Corona-Lockdown ist fünf Jahre her, es begann der Siegeszug des Homeoffice. Doch viele Arbeitgeber möchten ihre Mitarbeitenden jetzt lieber wieder im Büro sehen.

Schon länger bemühen sich Kanzleien darum, ihre Anwältinnen und Anwälte aus dem Homeoffice wieder zurück ins Büro zu holen – und zwar dauerhaft, nicht nur für ein oder zwei Tage pro Woche. Viele Sozietäten machen mittlerweile klare Vorgaben, wie viel Arbeitszeit aus dem Büro zu erledigen ist, doch allem Anschein nach halten sich nicht alle Anwälte daran. Um sie zu disziplinieren, haben einige englische Kanzleien nun scharfe Maßnahmen ergriffen.

In Großbritannien kündigte A&O Shearman jüngst sogar an, den Bonus an die regelkonforme Anwesenheit im Büro zu koppeln. Wie die britische Tageszeitung ‚The Times‘ berichtet, erhielten Associates kürzlich die Mitteilung, dass sie Abstriche beim Bonus hinnehmen müssen, sollten sie sich nicht an die bestehenden Anwesenheitsregeln der Kanzlei halten. Den Bestimmungen zufolge sollen Anwälte der Sozietät mindestens 60 Prozent der Arbeitswoche im Londoner Büro verbringen. Tun sie das nicht, könne sich das künftig auf die Sonderzahlungen auswirken, wie das Memo an die Associates besagt. Auch der Tax-Bereich der Big-Four-Gesellschaft Deloitte in den USA kündigte laut ‚Financial Times‘ an, die Anwesenheit im Büro beim jährlichen Bonus zu berücksichtigen.

Zwar bemühen sich auch in Deutschland die Kanzleien schon länger darum, ihre Anwälte wenigstens während fest definierter Kerntage zurück ins Büro zu holen. Über eine Kopplung an den Bonus ist hierzulande jedoch derzeit noch nichts bekannt. In Deutschland gibt A&O Shearman in der Befragung für das kürzlich erschienene Karrieremagazin azur100 an, dass Boni vom Kanzleiergebnis und der Leistung der Berufsträger abhängen und Homeoffice unbegrenzt und individuell in Abstimmung mit dem Partner und Team möglich ist. Und auch in der azur-Associate- Umfrage, an der junge Anwältinnen und Anwälten aus der Kanzlei teilgenommen haben, heißt es, dass diese alles zwischen einem bis fünf Tage Homeoffice in Anspruch nehmen können. Deloitte wiederum gibt in einer Befragung des JUVE Steuermarkt an, ihren Berufsträgern Homeoffice nach Absprache zu ermöglichen.

Auch wenn die drastischen Maßnahmen auf internationaler Ebene bisher nicht die Norm sind, sind A&O Shearman und Deloitte nicht die ersten Kanzleien, die Anstrengungen unternehmen, Mitarbeitende wieder dauerhaft zurück ins Büro zu holen. Schon Anfang 2024 sorgte die britische Spitzenkanzlei Slaughter and May für Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass sie die Anwesenheit der Berufsträger in ihrem Londoner Büro überprüft und die gesammelten Daten an Teamleiter und Personalabteilung weitergeben werde. Laut einem Bericht der Times folgte Clifford Chance kurz darauf diesem Beispiel.

Kanzleien setzen Regeln durch

Nun drängen andere Kanzleien ebenfalls auf eine zunehmende Rückkehr ins Büro. Sullivan & Cromwell etwa aktualisierte kürzlich das Regelwerk für ihre Kanzleistandorte und macht darin aus ihrer Präferenz für die fünftägige Anwesenheit keinen Hehl. „Grundsätzlich ist die Präsenz im Büro gewünscht und stellt die Regel dar“, sagt Dr. Carsten Berrar, Mitglied des Managementausschusses der Kanzlei und Managing-Partner in Frankfurt. Allerdings sei Homeoffice, da wo es sinnvoll ist, durchaus an einzelnen Tagen möglich.

„An einem Tag, an dem ein Berufsträger sowieso die meiste Zeit in Videocalls verbringt, kann es sinnvoll sein, diese im Homeoffice zu machen“, sagt er. Die Entscheidung darüber liege in der Eigenverantwortung der Anwälte. „Was hingegen nicht gewünscht ist, sind feste Tage, etwa montags oder freitags, an denen regelmäßig im Homeoffice gearbeitet wird.“ In Frankfurt, so Berrar, liege die Anwesenheitsquote bei über 90 Prozent und auch weltweit liege sie, mit Ausnahme des Freitags aktuell höher als noch 2019, vor Ausbruch der Pandemie.

2020: Notlösung setzt sich durch

Corona hatte dem Homeoffice weltweit den Durchbruch verschafft. Mitte März 2020 verlagerten viele Unternehmen die Büroarbeit ihrer Mitarbeiter an den heimischen Küchentisch, darunter auch die Wirtschaftskanzleien. Was zunächst nur eine Notlösung war, entpuppte sich jedoch für viele junge Anwälte als Möglichkeit, Beruf und Privates entspannter als bisher zu verbinden, selbst wenn sie keine idealen Bedingungen hatten, zum Beispiel kein eigenes Arbeitszimmer.

Nach einem halben Jahr Erfahrung mit der neuen Arbeitswelt gaben zahlreiche Kanzleien im Oktober 2020 in einer JUVE-Umfrage sogar an, an langfristigen Homeoffice-Konzepten zu arbeiten beziehungsweise diese bereits umgesetzt zu haben. Knapp ein Jahr später ergab eine Umfrage des Immobilienberaters Cushman & Wakefield, dass 80 Prozent der deutschen Kanzleien langfristig nicht zur alten Bürostruktur zurückkehren wollen. Darunter waren auch solche Einheiten, die vor der Pandemie gar keine Heimarbeit zugelassen hatten.

Bereits 2023 ruderten aber viele Sozietäten zurück und richteten feste Bürotage ein, wie etwa Skadden Arps Slate Meagher & Flom und Weil Gotshal & Manges. Plötzlich war Homeoffice nicht mehr bei allen Kanzleien das neue Normal. Trotzdem ist das Bild heute laut der aktuellen azur-Associate-Umfrage im deutschen Kanzleimarkt sehr gemischt. Nur wenige Kanzleien schließen Homeoffice kategorisch aus. Viele erlauben an mindestens zwei Tage regelmäßiges Arbeiten von Zuhause, darunter so unterschiedliche Einheiten wie Covington & Burling, Clifford Chance, Dentons, Fieldfisher und Orka.

Großzügige Rechtsabteilungen

Rechtsabteilungen sind oft großzügiger. So erlauben etwa Konzerne wie Allianz und Google ihren Inhouse-Anwälten flexible Homeoffice-Tage. Behörden wie die BaFin oder Autobauer BMW möchten ihre Berufsträger offiziell mindestens 40 beziehungsweise 60 Prozent der Arbeitszeit im Büro sehen. Nach Marktanalysen der azur-Redaktion liegen Unternehmen mit 2,7 Homeoffice-Tagen im Durchschnitt höher als Kanzleien mit einem Schnitt von 2 Tagen pro Woche.

Auch unter den Kanzleien gibt es noch einige, die den Anwälten nicht vorschreiben, wie viele Tage sie von Zuhause arbeiten dürfen. Flexible Homeoffice- Regelungen bieten etwa Hausfeld, Hengeler Mueller, Rödl & Partner, Redeker Sellner Dahs sowie Boutiquen wie Greenfort, Wendelstein, die Arbeitsrechtskanzlei Schramm Meyer Kuhnke oder die Fondsrechtsboutique Orbit. Doch auch unter den angelsächsischen Sozietäten finden sich noch solche, die den Associates die Wahl lassen, etwa Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan, K&L Gates oder eben A&O Shearman.

Damit könnten sie bei Bewerbenden einen Vorteil haben, denn die meisten Anwälte wissen diese Flexibilität sehr zu schätzen. Die jüngste Associate-Umfrage der azur-Redaktion ergab, dass mehr als 20 Prozent der Befragten eine Stelle ohne Homeoffice nicht in Erwägung ziehen. Weitere 35 Prozent stimmten dieser Aussage ebenfalls eher zu. Nur rund 10 Prozent der befragten Associates lehnen hingegen Homeoffice komplett ab.

In dieser Rubrik kommentieren und erläutern Autoren der JUVE-Redaktion aktuelle Themen aus dem Anwaltsmarkt. Konstanze Richter ist Fachredakteurin mit dem Schwerpunkt Patentrecht.


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