Glanz und Glamour im Medienrecht

Sie sind die Anwältinnen, die im Hintergrund die Strippen ziehen. Sie kämpfen für die Urheber und die Kreativen, für Pressefreiheit, Privatsphäre und Persönlichkeitsrechte. Die Arbeit von Medien- und Presseanwältinnen ist so bunt wie die Branche, in der sie tätig sind. Und genau deswegen wird es niemals langweilig.

Den Verlag erreicht eine einstweilige Verfügung – Unterlassung der Berichterstattung. Jetzt muss die Rechtsabteilung schnell reagieren. Ein Griff zum Telefon, die Redaktion, die Richterin, den gegnerischen Anwalt anrufen. Ist die Story schon beim Drucker? Möglicherweise müssen Versand und Vertrieb gestoppt oder Online-Veröffentlichungen zurückgestellt werden. Stellungnahme, Schriftsatz, Frist. Presse­anwältinnen kommen selten zur Ruhe. Fast alles geschieht im Eilverfahren. „Die Bedeutung von freier Presse ist immens, das sind Grundpfeiler einer freien Demokratie“, sagt Helen Trimbusch. Die 35-Jährige arbeitet in der Rechtsabteilung der Funke Mediengruppe in Essen.

Demokratische Grundpfeiler: Für die Pressefreiheit kämpft Helen Trimbusch beim Medienhaus Funke täglich. (Foto Michael Lübke)

Tageszeitungen mit regionalem Schwerpunkt wie die WAZ oder das Hamburger Abendblatt gehören genauso zum Verlagsgeschäft wie ein großes Magazin-­Portfolio, darunter die Bild der Frau oder Hörzu. Es geht um Boulevardberichterstattung, illustrierte Frauen­magazine, die sogenannte ‚Yellow Press‘, die aufgrund ihrer Berichte über Stars und Sternchen regelmäßig zu presserechtlichem Streit führen.

Trimbusch ist überzeugt: „Jedes Medium hat seine Berechtigung, innerhalb der rechtlichen Vorgaben frei zu publizieren. Dafür immer wieder zu kämpfen, das ist meine Motivation.“ Sie stieg Mitte 2020 bei Funke ein, kam aus dem IP-Team von Advant Beiten. Ihre Vorliebe für Medienhäuser hat sie aber schon früher entdeckt. Sie absolvierte ihre Wahlstation im Referendariat bei Axel Springer und ihre Verwaltungsstation beim WDR. Letzteres geht, weil der WDR als Anstalt des öffentlichen Rechts staatliche Aufgaben wahrnimmt.

Bei Funke arbeitet Trimbusch im Team mit sechs Anwältinnen und Anwälten. Sie ist nicht nur für die presserechtlichen Streitigkeiten zuständig, sondern auch für IT-Verträge und damit für die digitale Transformation der Mediengruppe. „Als Unternehmensjuristin begleite ich Prozesse langfristig und kann sie von Beginn an rechtlich mitgestalten.“ Die Rechtsabteilung ist innerhalb des Unternehmens beratend tätig, etwa bei bestimmten Recherchen. Die Juristinnen und Juristen gehen aber auch proaktiv in die einzelnen Abteilungen hinein. So schulen sie etwa die Redakteure zu Bildrechten oder Verdachtsberichterstattung. „Wir wollen, dass die Journalistinnen und Journalisten ein kritisches Gespür für die Grenzen zulässiger Berichterstattung entwickeln, ein rechtliches Störgefühl sozu­sagen“, erklärt Trimbusch.

Die Reputation schützen

Wo die Grenze für ein solches Störgefühl verläuft, hängt am Ende auch von der Perspektive ab: Entweder kämpft man für die Pressefreiheit oder für die Privatsphäre eines durch Presseberichterstattung Betroffenen. Diese Fronten sind im Kanzleimarkt klar gesteckt. Wer einmal aufseiten der Verlage steht, wird nur in Ausnahmefällen eine Einzelperson vertreten, die sich gegen Berichte wehrt. Umgekehrt wird ein Betroffenenberater nicht plötzlich für den Verlag kämpfen, gegen den er zuvor noch argumentiert hat. Der Grund ist, dass wechselnde Seiten für die Kanzleien konflikt­reich sein können, sie können dann manche Mandate nicht mehr annehmen. Denn die großen Verlage hierzulande sind schnell aufgezählt, sie bauen auf einen festen Stamm an Beratern, sodass sich vor Gericht immer wieder die gleichen Akteure treffen (Liste der führenden Berater, siehe unten).

Auch Dr. Stephanie Vendt hat ihre Seite längst gefunden, und das ist die der Betroffenen. Sie agiert im Namen von mächtigen Konzernlenkern wie dem früheren Wirecard-Vorstand oder dem zurückgetretenen Chefkontrolleur des RBB, gilt als stille Vertreterin ihrer Zunft, die es nie ins Rampenlicht zieht. Nicht nur Unternehmen und deren Chefs, auch nationale wie internationale Stars vertrauen ihr seit vielen Jahren, wenn es um Presseberichte und Fotos in den Medien geht. Die 49-Jährige ist heute das Gesicht der Hamburger Presserechtskanzlei Nesselhauf.

Die Argumente zählen: Stephanie Vendt ist das Gesicht der Presserechtskanzlei Nesselhauf in Hamburg. (Foto: Christina Kloodt)

Seit nunmehr 23 Jahren arbeitet sie im Team um den Senior Michael Nesselhauf, anfangs noch bei der Kanzlei Buse Heberer Fromm. 2008 machte sie schließlich einen großen Schritt und wurde in der neu gegründeten Kanzlei Nesselhauf zur Partnerin. Doch auch das bedeutet nicht automatisch, erfolgreich zu sein. „Es ist nicht so, dass man auf einen Empfang geht und mit fünf neuen Mandaten nach Hause kommt“, sagt Vendt. Mehr als jedes andere Anwaltsgeschäft basiert die Beratung von betroffenen Privat- oder Unternehmenspersonen auf Empfehlungen.

Vendt hat sich von Beginn an nicht von ihrem Ziel, eine renommierte Presserechtlerin zu werden, abbringen lassen. Sie hatte mit Michael Nesselhauf einen exzellenten Lehrmeister, der ihr den nötigen Freiraum gab, um sich selbst einen Namen zu machen. Gerade als junge Anwältin war es alles andere als selbstverständlich, Vorstandsvorsitzende im Reputationsschutz zu beraten. „Egal, wie gut man war oder ob man eine Entscheidung vor dem OLG nochmal gedreht hat“, sagt Vendt. Trotzdem kam es immer wieder vor, dass sich Mandanten lieber vom Namenspartner persönlich beraten lassen wollten. „Man muss sich Akzeptanz aufbauen, das braucht seine Zeit.“ Heute eilt ihr der gute Ruf voraus, sie ist bekannt für wenige Worte, scharfe und punktgenaue Schriftsätze. „Es geht um die richtigen Argumente, nicht um die Länge der Ausführung“, sagt sie selbst.

Im Presserecht wird allerdings nicht nur gestritten. Einen deutlich größeren Teil nimmt inzwischen die Beratung in Krisensituationen ein, auch schon im Vorfeld. Häufig arbeiten Anwältinnen dann mit Kommunikationsagenturen zusammen. Sie entwickeln eine Strategie, wie sie in Krisensituationen reagieren, also wenn unliebsame Inhalte über Unternehmen oder eine Einzelperson in der Presse aufgetaucht sind. Außerdem bedeutet der Job für die Juristen, ständig erreichbar zu sein: Ist ein Bericht oder ein Foto erstmal veröffentlicht, bleibt wenig Zeit zu handeln, Uhrzeit, Wochenende oder Urlaub spielen dann keine Rolle.

Wie die tägliche Arbeit von Medienanwälten aussieht, konnte das deutsche Fernsehpublikum bereits in einer Fernsehserie erleben. Die fiktionale Serie ‚Legal Affairs‘ strahlte 2021 die ARD aus. Ideengeber und Executive Producer war der bekannte Presserechtler Prof. Dr. Christian Schertz von der Kanzlei Schertz Bergmann in Berlin. Im echten Leben steht er im Markt für einen gänzlich anderen Anwaltstyp als Vendt. Er scheut die Öffentlichkeit nicht, trat früher regelmäßig in Talkshows auf, gilt als streitlustig. Auch die Kölner Kanzlei Höcker ist dafür durchaus bekannt. Beide sind damit erfolgreich. Das bestätigt, dass auch im Presserecht gilt: Jeder Typ Mandant findet seinen Typ Anwalt.

Eine Übersicht: Wer macht was (und wie) im Medienrecht?

Betroffenenvertreter Anwältinnen und Anwälte, die Personen oder Unternehmen vertreten, die von einer (negativen) Presse­berichterstattung betroffen sind und sich dagegen auf Berufung ihrer Persönlichkeitsrechte oder dem Schutz der Privatsphäre wehren.
Verlagsvertreter Anwältinnen und Anwälte, die Medienhäuser bei der Verteidigung ihrer Pressefreiheit (vor Gericht) vertreten. In der Regel ist ein Anwalt entweder für Medienhäuser oder für ­Betroffene tätig.
Der fliegende Gerichtsstand
Im Presserecht ist der Gerichtsstand frei wählbar. Dahinter steht der Gedanke, dass ein Medium nicht nur an einem Ort erscheint.
VerwertungsgesellschaftenSie nehmen in Deutschland Urheber- und andere Schutzrechte in Form eines kollektiven Treuhandmodells für ihre Mitglieder wahr. Diese erhalten über Ausschüttungen eine Vergütung für die Verwertung ihrer Rechte.
Medienstaatsvertrag Früher unter dem Namen Rundfunkstaatsvertrag regelt der Medienstaatsvertrag die Rechte und Pflichten von Rundfunk- und Telemedien­anbietern. Er findet in ­allen Bundesländern Anwendung.
Landesmedienanstalten Aufsichtsbehörden der Länder, die private Medienangebote (Radio, TV und Telemedien) überwachen. U.a. vergeben sie Sendelizenzen.
Das Medienrecht ist so vielfältig wie die Branche selbst. Eine Auswahl und kurze Erklärung wichtiger Institutionen und Begriffe.

Hinter den Kulissen

Anders als das Presserecht ist das Medienrecht im audiovisuellen und fiktionalen Bereich stark vom Urheberrecht geprägt. Bis ein Film auf der Leinwand läuft, haben in der Regel viele Juristinnen und Juristen ihre Hände im Spiel gehabt. Hier wird seltener gestritten als im Presserecht. Und die Anzahl der Beteiligten an einem Film oder einer Serie ist groß: Drehbuchautorinnen, Kameramänner, Schauspieler, Synchronsprecher­innen, Produzenten, Cutter. Alle Kreativen leisten ihren Anteil an dem Werk, das am Ende steht. Hinzu kommen die Auftraggeber, also ein Sender oder eine ­Streamingplattform, und schließlich diejenigen, die den Content vertreiben und Rechte dafür einkaufen, wie zum Beispiel die Kinos.

„Die einstweilige Verfügung ist auch im Urheberrecht ein scharfes Schwert. Umso wichtiger ist eine lückenlose Rechtekette“, sagt Vivian Pérez (34), Associate bei SKW Schwarz in München. Das Urheberrecht prägt ihre tägliche Arbeit stark. Sie erinnert sich an einen Fall, als es nach der Serienproduktion für einen großen ­Streaminganbieter eine solche Verfügung gab. „Dann kann es auch mal zeitkritisch werden, damit bis zur Ausstrahlung nichts mehr schiefgeht“, sagt Pérez.

Lückenlose Kette: Die Rechte der vielen Beteiligten an einem Film abzusichern, gehört für Vivian Pérez bei SKW Schwarz zum Arbeitsalltag. (Foto: Eva Kubinska)

Sie kam 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin zu SKW und blieb. Nach dem Referendariat stieg sie 2021 als Associate ein. Die Kanzlei zählt zu den renommiertesten Film- und Medienkanzleien in Deutschland und beschäftigt ein entsprechend umfangreiches Anwaltsteam, das sich mit den verschiedenen Facetten dieser Branche auskennt. „Es ist eine wahnsinnig tolle Erfahrung, wenn aus einer kreativen Idee am Ende ein Film entstanden ist und man daran mitwirken konnte“, sagt Pérez.

Und wer sich fragt, wer die Leute sind, die am Ende einer Filmvorstellung im Kino auch noch beim Abspann sitzen bleiben: Vielleicht ist es ein Medienanwalt, der ganz zum Schluss seinen Namen in der langen Liste der Mitwirkenden lesen möchte. „Ich habe schon als Kind mitbekommen, wie wichtig es im kreativen Bereich ist, Rechte richtig abzusichern“, erinnert sich Dr. Laura Zentner. Ihr Vater hat in den 1980er-Jahren Songtexte geschrieben, unter anderem für Peter Maffay und den bekannten Märchendrachen Tabaluga.

Führende Berater in der Vertretung geschädigter Unternehmen

NameKanzleiOrt
Dr. Till DunckelNesselhaufHamburg
Prof. Dr. Gero ­HimmelsbachRomatkaMünchen
Prof. Dr. Ralf HöckerHöckerKöln
Gernot LehrRedeker Sellner DahsBonn
Prof. Dr. Matthias PrinzPrinzHamburg
Prof. Dr. Christian SchertzSchertz BergmannBerlin
Dr. Stephanie VendtNesselhaufHamburg
Quelle: JUVE Handbuch 2022/23

Führende Berater in der Verlagsvertretung

NameKanzleiOrt
Prof. Dr. Stefan EngelsDLA PiperHamburg
Michael FrickeCMS Hasche SigleHamburg
Prof. Dr. Jan HegemannRaueBerlin
Prof. Dr. Roger MannDamm & MannHamburg
Dr. Gerald NebenKNPZ RechtsanwälteHamburg
Dr. Stefan SöderSSB Söder BerlingerMünchen
Dr. Marc-Oliver SrockeAdvant BeitenHamburg
Quelle: JUVE Handbuch 2022/23

Verwertung vergüten

Heute ist die 40-Jährige bei der US-Kanzlei Greenberg Traurig in Berlin aktiv, seit 2021 als Local Partnerin. „Die Bedeutung der Gema für Urheber und Verwerter war mir früh klar“, sagt sie. Die Gema verwaltet in Deutschland die Nutzungsrechte ihrer Mitglieder, also der Urheber, und schüttet an diese Erträge aus. Neben der Gema, die für musikalische Urheberrechte zuständig ist, gibt es viele weitere Verwertungsgesellschaften mit dem jeweiligen Schwerpunkt des Mediums, zum Beispiel die VG Wort, VG Bild-Kunst oder auch Corint Media.

„Bei Greenberg Traurig habe ich schnell auch die internationale Seite des Filmgeschäfts kennengelernt“, sagt Zentner. Die US-Kanzlei berät unter anderem Streaming­anbieter und Produktionsstudios bei der Umsetzung ihrer Ideen, nicht selten stammen diese aus den USA. Gerade bei den Finanzierungsfragen, die in der teuren Filmproduktion zentral sind, kommt dann das deutsche Filmförderungsrecht ins Spiel. Ein viermonatiges Secondment bei der Filmförderungs­anstalt (FFA), von dem sie heute noch profitiert, verschaffte ihr wertvolle Einblicke in die oft komplizierten Strukturen der öffentlich-rechtlichen Anstalt.

Gema und Co. im Blick: Laura Zentner von Greenberg Traurig erlebte schon in der Familie, wie wichtig eine sichere Rechte­verwertung für Urheber ist. (Foto: Uwe Tölle)

Doch das ist längst nicht der einzige Bereich, der Filmproduktionen beeinflusst. Ein wichtiges Schutzgesetz ist der Jugendschutz, der in Deutschland ebenfalls öffentlich-rechtlich organisiert ist und einen großen Einfluss auf das Endprodukt haben kann. „In der Praxis stellt sich für einen Mandanten zum Beispiel auch die Frage, wo genau der Schnitt gesetzt wird, damit eine Szene nicht zu blutig wird“, erklärt Zentner.

Berater sind bestens vernetzt

Doch trotz dieser vielfältigen Bezüge zu anderen Rechtsgrundlagen, die die deutsche Medienlandschaft regulieren, sagt sie überzeugt: „Im Kern bin ich eine Urheberrechtlerin.“ Wenn im Februar die Berlinale für ein bisschen Hollywood-Feeling in der Hauptstadt sorgt, oder im Mai in Cannes auf den internationalen Filmfestspielen die Filmstars und -sternchen über den roten Teppich flanieren, dann fällt auch wieder ein wenig Glanz und Glamour für die Rechtsberater ab. Egal, ob als Promi-Anwalt oder als Urheberrechtler, die Anwälte in der Branche kennen sich und sind bestens vernetzt. Letztendlich halten sie die Fäden hinter den Kulissen zusammen. Denn am Ende kommt es für alle darauf an, dass der Film auf die Leinwand kommt oder ein Heft gedruckt werden kann und dabei alle Rechte im Einklang stehen. Nur so bleibt eine freie und kreative Medienlandschaft ­erhalten.


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