Eine Frage der Empathie – Teil 1

Im Arbeitsrecht braucht es mehr als juristisches Wissen. Soziale Kompetenz ist ebenso entscheidend. Viele Arbeitsrechtsanwälte nutzen deshalb mittlerweile Mediationstechniken, um Konflikte zu lösen. Denn beim Streiten wird es schnell emotional.

Es gibt Tage im Arbeitsleben von Christoph Kaul, an denen er froh ist, nicht nur Arbeitsrechtler, sondern auch ausgebildeter Wirtschaftsmediator zu sein. Zum Beispiel in Situationen, in denen sich die Betriebsratsvorsitzende und die Personalchefin eines Unternehmens in einer Gerichtsverhandlung nicht zuletzt aus persönlichen Gründen so in die Haare bekommen, dass am Ende Tränen fließen. Oder wenn 2.000 Mitarbeitende eines produzierenden Unternehmens im November vergeblich auf ihr Weihnachtsgeld warten, das letztlich nur aufgrund eines Missverständnisses verspätet ausgezahlt wird.

„In solchen Momenten hilft nur Hinhören und Reden“, sagt Christoph Kaul, Salary-Partner der internationalen Arbeitsrechtskanzlei Littler in Düsseldorf. „In diesen Situationen ist das Geschehen so dermaßen von Emotionen bestimmt. Da regt man die Beteiligten nur zusätzlich auf, wenn man ihnen mit anwaltlichem Fachchinesisch kommt.“ Wichtig sei es deshalb, auf die Emotionen, Probleme und offensichtlichen Bedenken der Beteiligten einzugehen. Und dabei hilft die Mediation. 2020 absolvierte der 40-Jährige eine Ausbildung zum Wirtschaftsmediator. Diese hat theoretisch nichts mit seiner Tätigkeit als Arbeitsrechtler zu tun, hilft ihm in der Praxis aber in sehr vielen Mandaten, auch in schwierigen Situationen zu einem Ergebnis zu kommen, mit dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer zufrieden sind. Kaul ist fest davon überzeugt, dass Mandate mithilfe von mediativen Elementen effizienter geführt werden können und zu besseren Ergebnissen führen. Die Anwendungsfälle sind vielfältig, denn im Arbeitsrecht wird es schnell emotional. Beispielsweise bei Restrukturierungen, die in vielen Fällen mit dem Abbau von Arbeitsplätzen einhergehen, bei Individualarbeitsverhältnissen, beispielsweise auf Geschäftsführungsebene, aber auch bei Betriebsvereinbarungen, in denen der Arbeitgeber etwas regeln will, was dem Arbeitnehmer und dem Betriebsrat eigentlich gar nicht passt.

Ein Paradebeispiel für hochemotionale arbeitsrechtliche Konflikte sind Tarifverhandlungen. Das ist die Paradedisziplin von Thomas Ubber. Der 63-jährige Partner der neu gegründeten Kanzlei Ubber Labour & Law zählt zu den renommiertesten deutschen Arbeitsrechtlern. Er berät seit vielen Jahren Konzerne wie die Deutsche Bahn, die Deutsche Lufthansa oder Rewe bei deren Auseinandersetzungen mit Gewerkschaften und Betriebsräten. Von seinem Know-how profitieren Unternehmen insbesondere in zähen, schwierigen Verhandlungen mit den Vertretern ihrer Angestellten. Vor rund zwei Jahren hat auch Ubber eine Ausbildung zum Mediator gemacht. „Die Techniken, die man dort lernt, helfen, Situationen zu deeskalieren, und ermöglichen es, durch Fragetechniken ausgleichende Ergebnisse zu erzielen, mit denen alle Beteiligten leben können“, sagt er.

Auch Dr. Kathrin Bürger (43) wendet regelmäßig Mediationstechniken an. Sie ist keine ausgebildete Mediatorin, hat zu diesem Thema jedoch promoviert und profitiert heute noch in ihrer täglichen Arbeit von den damals gewonnenen Erkenntnissen. „Die Mediation ist eine gute Technik, um Bedürfnisse herauszufinden. Die liegen bei den Beteiligten häufig gar nicht so weit auseinander, wie man zunächst meint“, erzählt die Co-Managing-Partnerin der Kanzlei Seitz. Insbesondere bei der Auseinandersetzung mit Arbeitnehmervertretern habe sich das genaue Zuhören schon mehrmals bewährt. Aber auch bei der Kommunikation innerhalb des Unternehmens können Mediationstechniken hilfreich sein. Gerade bei unbequemen Maßnahmen oder solchen, die große Auswirkungen für das Unternehmen haben, sei es wichtig, die Belegschaft mitzunehmen. „Das gehört neben dem juristischen Part auch zu unserem Job“, sagt sie.

Ausnahmesituationen sind seine Spezialität: Konfliktlöser Christoph Kaul, Arbeitsrechtler bei Littler in Düsseldorf. Foto: SimonWegenerFotografie

Kommunikation, Verhandlungsführung und auch aktives Zuhören sind Fertigkeiten, die ein Arbeitsrechtler zwingend braucht, wenn er nicht nur Gutachten im Hinterzimmer schreiben möchte. Es sind aber auch Kompetenzen, die junge Juristen weder an der Uni noch im Referendariat lernen. Deshalb sind auch an diesem Punkt die Kanzleien als Ausbilder gefragt. „Gerade weil es in ihrem bisherigen Werdegang kaum eine Rolle gespielt hat, ist es sehr wichtig, Associates früh mit in Verhandlungen zu nehmen und ihnen frühzeitig ein Gefühl für diesen Teil des Jobs zu vermitteln“, erklärt Bürger.


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