Die Vorreiterin: Dr. Bärbel Sachs im Porträt
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine kann sich die Beraterlandschaft vor Sanktionsexperten kaum retten. Bärbel Sachs ist eine von wenigen Frauen, die dieses Geschäft schon beherrschten, als viele darin noch ein Nischenthema sahen.
Als Russland im Februar 2022 die Ukraine angriff, schlug die Stunde von Dr. Bärbel Sachs. Viele deutsche Unternehmen, darunter der Automobilkonzern und Noerr-Mandant Mercedes, traten als Reaktion auf den Angriffskrieg ihren Rückzug aus Russland an. Und Sachs und ihr Team halfen ihnen dabei. „Dass wir einmal so hochkarätige außenwirtschaftsrechtliche Mandate bearbeiten, hätte ich mir 2012 nicht träumen lassen“, sagt die Noerr-Partnerin heute.
Tatsächlich steckte das Außenwirtschaftsrecht bei Noerr noch in den Kinderschuhen als Sachs 2012 mit dem klaren Auftrag zur Kanzlei stieß, den Fachbereich auf- und auszubauen. Bei einer Sozietät dieser Größenordnung, die schon damals rund 280 deutsche Anwältinnen und Anwälte zählte, keine leichte Aufgabe. So musste Sachs für sich und den neuen Fachbereich auch intern erst einmal die Werbetrommel rühren. „Es ging vor allem darum, in der Kanzlei zu kommunizieren, dass ich jetzt da bin und mich um bestimmte Fragen kümmern kann“, erinnert sich die 49-Jährige. „Ich habe mich also an den verschiedenen Standorten vorgestellt und Partner angesprochen, bei denen ich gute Anknüpfungspunkte zum Außenwirtschaftsrecht vermutet habe, um das Geschäft anzukurbeln.“ Damals waren es vornehmlich Compliance-Mandate, die das dreiköpfige Team beschäftigten. Als 2014 in Folge der rechtswidrigen Annexion der Krim das erste Sanktionspaket gegen Russland verhängt wurde, bescherte das der Praxis zahlreiche neue Mandanten. Heute zählt das Außenwirtschaftsrecht bei Noerr gut doppelt so viele Berufsträger und gehört zu den renommiertesten Praxen im Markt. Das gibt auch die Konkurrenz neidlos zu: „Eine Koryphäe auf ihrem Gebiet“, „marktführende Expertin und Vordenkerin“, sagen sowohl Anwälte anderer Kanzleien als auch ihre Mandanten über Sachs.
Bevor Sachs allerdings ihren Weg ins Außenwirtschaftsrecht und die Großkanzleiwelt fand, plante sie ihren beruflichen Einstieg in einer internationalen Organisation. Nach dem Studium der Rechts- und Politikwissenschaften in Regensburg und Berlin ging sie nach Paris, wo sie einen zusätzlichen Abschluss in Politik machte. „Das war eine strategische Station, weil ich für die EU-Institutionen zu wenig Französisch sprach und damit meine Fremdsprachenkenntnisse aufbessern wollte“, erzählt Sachs. Auf Politik fiel ihre Wahl deshalb, weil es im Jurastudiengang vor deutschen Landsleuten nur so wimmelte: „Die Quote lag bei über 30 Prozent und ich wollte doch in den Austausch mit Franzosen kommen.“ Unter den Politiklehrlingen zählte Sachs gemeinsam mit einer Koreanerin und einer Amerikanerin zu den einzigen ausländischen Studierenden. Ihre anschließende Stage bei der Europäischen Kommission bestätigte sie in dem Entschluss, einen Karriereweg bei der EU einzuschlagen und so nahm Sachs am ersten ihr offenstehenden ‚Concours‘ teil, einem aufwendigen Auswahlverfahren für eine Beamtenlaufbahn in der EU. Wer den anspruchsvollen und langwierigen Prozess erfolgreich absolviert, wird in das sogenannte ‚Blue Book‘ aufgenommen – eine Art Reserveliste, von der die EU-Institutionen ihren Nachwuchs rekrutieren. Sachs hätte vermutlich eine EU-Laufbahn eingeschlagen, wäre da nicht Freshfields gewesen.
Spurwechsel in die Großkanzlei
Sachs steckte noch mitten im EU-Auswahlverfahren als die britische Spitzenkanzlei bei ihr anklopfte. Doch Freshfields hatte gute Argumente: Sie suchte Unterstützung für den prominenten WTO-Streit zwischen Airbus und Boeing über Subventionen in der zivilen Luftfahrt – bis heute einer der teuersten und kompliziertesten Streits, der je die Welthandelsorganisation erreicht hat. Für Sachs, die bereits als Referendarin beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) an außenwirtschaftsrechtlichen Fällen mitgearbeitet hatte, ein verlockendes Angebot. „An so einem hochkarätigen Fall mitzuarbeiten, macht unfassbar viel Spaß“, sagt sie. „Ich habe dadurch auch erkannt, dass mir die Beratungstätigkeit als Anwältin in einer Großkanzlei liegt.“ Mit ihrem Einstieg als Associate in das Berliner Büro von Freshfields waren die Würfel schließlich gefallen. Denn auch die Aufnahme in das begehrte ‚Blue Book‘ veranlasste Sachs nicht dazu, der Großkanzlei den Rücken zu kehren: „Zu dem Zeitpunkt war ich bereits Mitte 30 und immerhin schon vier Jahre lang Anwältin. Vor allem aber hatte ich großen Spaß an dieser Tätigkeit.“
Partnerin mit eigenem Business Case
Sachs hielt der Kanzleiwelt also die Treue und wechselte 2012 zu Noerr. Dass sie dort als Assoziierte Partnerin einsteigen konnte, war für sie nicht das ausschlaggebende Kriterium. „Im Gegensatz zu anderen Kolleginnen und Kollegen gehörte ich nicht zu denjenigen, die immer schon wussten, dass sie einmal Partnerin in einer Großkanzlei werden wollen“, sagt Sachs. Der Partnerstatus sei für sie auch deshalb nie ein verbissener Wunsch gewesen, weil Partnerernennungen im Außenwirtschaftsrecht deutlich seltener sind als in anderen Rechtsgebieten.
Als Noerr jedoch damit warb, das Außenwirtschaftsrecht als eigenständige Praxis aufzubauen, rückte die Vollpartnerschaft mit einem Mal in greifbare Nähe. „In dem Moment habe ich erkannt, dass es möglich sein kann, weil auch das Außenwirtschaftsrecht einen potenziellen Partner-Case macht.“ Bis zur Vollpartnerschaft vergingen noch einmal gut sechs Jahre. „Den entsprechenden Business Case aufzubauen, hatte ich mir leichter vorgestellt. Das hat Kraft und Durchhaltevermögen gekostet“, sagt Sachs. Letzteres beweist die leidenschaftliche Ausdauersportlerin auch in ihrer Freizeit – zuletzt hat sie das Eisbaden für sich entdeckt. Zum Sprung ins kalte Wasser rät Sachs mit Blick auf ihren eigenen beruflichen Werdegang auch dem juristischen Nachwuchs: „Als ich ins Außenwirtschaftsrecht eingestiegen bin, war nicht klar, dass dieses Rechtsgebiet eine große Karriere ermöglichen würde. Für mich hat sich ausgezahlt, dass ich das gemacht habe, was mir Freude bereitet.“