Die ‚fremden‘ Associates in Deutschland
Sie bilden nur eine kleine Gruppe im deutschen Kanzleimarkt, und ihr Karriereweg verläuft sehr individuell. Trotzdem sind Juristinnen und Juristen mit ausländischem Abschluss eine Bereicherung. Und in manchen Praxisgruppen dürfen sie nicht mehr fehlen.
Konkrete Stellenausschreibungen für Foreign Associates, also angestellte Anwältinnen und Anwälte, die kein deutsches Staatsexamen haben, sind eine Seltenheit auf den Karriereseiten von Kanzleien hierzulande. Doch wer genau hinschaut, dem begegnen immer mal wieder Associates, die ihre Qualifikation nicht in Deutschland erlangt haben.

„Jede mögliche Einstellung sehen wir uns individuell an. Da agieren wir klar opportunistisch“, erklärt Dr. Alexander Schwarz, Co-Managing-Partner der deutschen Kanzlei Gleiss Lutz. „Ist ein sinnvoller Einsatzbereich gefunden, sind internationale Anwältinnen und Anwälte eine große fachliche und persönliche Bereicherung für unsere Teams.“ Aktuell sind bei Gleiss Lutz circa 15 Juristinnen und Juristen angestellt, die keine deutsche Anwaltszulassung haben. Wo sie ihr Jurastudium absolviert haben, ergibt eine bunte Mischung: Mit dabei sind Chile, die Ukraine, Italien, Spanien, Großbritannien, Australien, Venezuela, Südafrika, die USA oder die Türkei.
Beim Auslandsstudium verliebt
Ein typischer Weg, wie es Juristinnen und Juristen mit ausländischer Qualifikation in den deutschen Rechtsmarkt verschlägt, ist über die Kontakte aus einem Auslandsstudium. Die LL.M.-Studiengänge der renommierten Law Schools in den USA und in Großbritannien, letztendlich aber alle LL.M.-Kurse weltweit zeichnen sich durch die Internationalität ihrer Studierenden aus. Ein wesentlicher Bestandteil ist das Netzwerken der jungen Top-Juristinnen und -Juristen, die das Studienjahr miteinander verbringen. Dass so auch die eine oder andere private Bekanntschaft über das Auslandsstudium hinaus entsteht, ist keine Seltenheit. Und dann suchen sogenannte Foreign Associates im Heimatland des Partners eigene Karriereoptionen.
Sowohl in Kanzleien als auch in Rechtsabteilungen sind sie gern gesehene Bewerber. Der mögliche Karriereweg wird ebenso wie die Einstellungskonditionen im Einzelfall festgelegt. Da die Ausbildungssysteme in anderen Ländern sehr unterschiedlich sind, fällt ein Vergleich etwa bei den Noten schwer. Deshalb spielt es auch eine Rolle, ob der Kandidat bereits einschlägige Berufserfahrung mitbringt, etwa aus einer Wirtschaftskanzlei seines Heimatlandes. „Es ist vorab nicht immer einzuschätzen, wie gut jemand in der Praxis einsetzbar ist. Wir fahren also gerade zu Beginn auf Sicht, so kann auch der Kandidat die Arbeit in einer deutschen Kanzlei Schritt für Schritt kennenlernen“, erklärt Schwarz. Grundsätzlich stehen dann aber alle Karriereoptionen offen. Ausländische Associates werden in das reguläre Karrieresystem eingegliedert und können die Karriereleiter aufsteigen. Ob am Ende die Partnerschaft eine Option ist, hängt vom individuellen Geschäft ab.
Das Geschäft muss passen
„Je internationaler die Tätigkeit der Praxisgruppe, desto einfach lassen sich Juristinnen und Juristen mit ausländischer Qualifikation einsetzen“, erklärt Ulrich Sittard, HR-Partner bei Freshfields Bruckhaus Deringer. Dabei stehen drei Bereiche besonders im Fokus: Internationale Litigation und Arbitration, Finanzierungen und M&A.

Für den Nachwuchs im erstgenannten Bereich, internationale Konfliktlösung, betreibt Freshfields sogar gezielt Personalarbeit. „Gerade Frankfurt hat sich als Hub für internationale Streitigkeiten herausgestellt. Daher sind international qualifizierte Associates im Bereich International Arbitration für uns besonders wichtig“, so Sittard. Jährlich erhält die Kanzlei rund 300 Bewerbungen, die auch Traineeships umfassen. Daraus wählt Freshfields dann potenzielle Bewerber aus, die als Foreign Associate infrage kommen. Sie haben häufig einen LL.M. an einer renommierten Law School wie Harvard oder Cambridge absolviert. Viele bringen auch bereits Erfahrungen mit US-Kanzleien mit.
In der Konfliktlösungspraxis aber auch darüber hinaus kommen sie bei Freshfields zum Einsatz. „Wichtig ist, dass die Foreign Associates insgesamt zur Mandantenstruktur passen. Denn oftmals richten sich Streitigkeiten gar nicht nach deutschem Recht oder es wird in Verträgen nicht das deutsche Recht vereinbart“, sagt Sittard. Aktuell arbeiten bei Freshfields rund 10 Anwältinnen und Anwälte, die ihre Qualifikation ausschließlich im Ausland erworben haben. Dass der Karriereweg nach oben für alle offensteht, beweist sie mit einer Partnerin in der M&A-Praxis, die ihre Jura-Qualifikation im Ausland erworben hat.
Vielfältige Karriereoptionen für Foreign Associates
Darüber hinaus arbeiten bei Freshfields viele Juristinnen und Juristen, die ausländisch qualifiziert sind, als sogenannte Transaction Lawyer. Wie der Name schon sagt, bearbeiten sie vor allem große und internationale Transaktionen. Diese Gruppe zählte zuletzt circa 110 Köpfe, von denen ein großer Anteil ausländische Juraqualifikationen mitbringt.
Aber ausländisch qualifizierte Juristinnen und Juristen finden nicht nur in den Großkanzleien einen Job. Auch kleinere Einheiten sehen in ihnen attraktives Personal. Die Berliner Boutique Blomstein, die einen Fokus auf die Beratung im Kartell- und Vergaberecht sowie Außenhandel legt, beschäftigt seit vielen Jahren Associates aus dem Ausland. Die Kanzlei berät viel in Brasilien oder mit Brasilien-Bezug. So passt es gut, dass sie brasilianische Juristinnen und Juristen beschäftigen. Eine war zuvor etwa für die brasilianische Kartellbehörde tätig und berät so regelmäßig im brasilianischen und europäischen Wettbewerbsrecht. Aber auch im Vergabe und Außenhandelsrecht sowie zu ESG-Themen beraten bei Blomstein Juristen, die dafür fachlich keine Zulassung als Rechtsanwalt in Deutschland benötigen. Ein formaler Vorteil für brasilianische Anwältinnen und Anwälte ist, dass sie automatisch die portugiesische Zulassung und damit gleichzeitig eine europäische Zulassung erhalten.

Auch bei Blomstein gilt, dass die Kanzlei ausländisch qualifizierte Anwältinnen und Anwälte individuell nach Bedarf einstellt. „Wir tasten uns grundsätzlich von beiden Seiten an die Zusammenarbeit heran. In den meisten Fällen hat es bisher sehr gut funktioniert. Natürlich kann dabei aber auch mal herauskommen, dass die Anknüpfungspunkte nicht so gegeben sind, wie zuvor gedacht“, sagt Dr. Pascal Friton, Gründungspartner von Blomstein. Trotzdem ist er überzeugt: „Für das Betriebsklima und auch für die Mandanten ist es ein großer Gewinn, als bunt zusammengewürfeltes, internationales Team zusammenzuarbeiten. Dafür muss man letztendlich auch mal den Mut haben, etwas Neues auszuprobieren.“