Der Kölner Kanzleimarkt

Kölsch, Karneval und Klüngel: Das ist der Dreiklang, den viele mit Köln verbinden. Die ‚Kanzleilandschaft‘ als viertes K ist vielfältig, allerdings weniger prominent besetzt als im benachbarten Düsseldorf. Bei jungen Juristinnen und Juristen ist die Stadt trotzdem beliebt.

Alle wollen nach Berlin, raus in die große Welt. Doch mich kriegste hier nicht weg, ich kann nicht sagen, was mich hier hält“: Das Gefühl, das die Band Cat Ballou in ihrem Lied ‚Et jitt kein Wood‘ besingt, kennen die meisten Kölnerinnen und Kölner. Myriam Baars-Schilling, Partnerin in der Corporate-Praxis von Oppenhoff & Partner, gerät ebenfalls ins Schwärmen: „Die Stadt ist vielleicht objektiv betrachtet nicht besonders schön, aber sehr lebenswert“, sagt sie. „Ich kenne viele Leute, die irgendwann einmal zugezogen sind und nun nicht mehr wegwollen.“ Auch Baars-Schilling zog es 2009 zurück in die Domstadt: Ursprünglich stammt sie aus dem Kölner Umland. Nach dem Studium in Trier und Bonn sowie Stationen bei Allen & Overy in Frankfurt und Düsseldorf, schloss sie sich 2009 Oppenhoff an. Heute ist sie Teil des vierköpfigen Managements der Kanzlei.

Heimweh nach dem Dom: Nach Stationen in mehreren anderen Städten zog es Myriam Baars-Schilling, Equity-Partnerin bei Oppenhoff & Partner, 2009 zurück nach Köln. (Foto: Dominik Rosse)

Auf Nachwuchsjuristinnen und -juristen wirkt Köln ebenfalls anziehend: Im unmittelbaren Einzugsgebiet liegen die angesehenen und großen juristischen Fakultäten der Universitäten in Köln und Bonn. „Zusätzlich erhalten wir viele Bewerbungen von Absolventen aus Städten wie Münster“, sagt Baars-Schilling. Um die Talente konkurrieren die hiesigen Kanzleien mit den Einheiten im etwa 40 Kilometer entfernten Düsseldorf, Kölns Dauerrivalin unter den rheinischen Metropolen. Dort haben mit Freshfields Bruckhaus Deringer, Allen & Overy, Clifford Chance und Linklaters beispielsweise alle vier in Deutschland ansässigen Magic-Circle-Kanzleien ein Büro.

In Köln geht es dagegen beschaulicher zu: Nur elf der 50 Top-Arbeitgeber aus der aktuellen azur100 sind dort offiziell vertreten. Einige allerdings sehr groß mit mehr als 100 Juristinnen und Juristen. CMS Hasche Sigle etwa unterhält in den Kölner Kranhäusern eines ihrer größten deutschen Büros (und ist übrigens auch in Düsseldorf vertreten). Genauso prominent wie CMS residiert Görg am Rheinufer – die Kanzlei ist in der Domstadt mit insolvenzrechtlicher Beratung und Insolvenzverwaltung groß geworden. Trotz bundesweiten Wachstums ist das Kölner Görg-Büro weiterhin das kopfstärkste. Osborne Clarke hingegen hat sich vor allem dem Technologie- und Mediensektor verschrieben.

Rückzug der internationalen Sozietäten

Andere der großen Namen haben sich jedoch über die Jahre aus dem lokalen Markt zurückgezogen. Bereits 2007 verließ Linklaters, die bis dahin mit Oppenhoff fusioniert war, die Stadt. 2016 schloss schließlich Freshfields Bruckhaus Deringer ihr Kölner Büro. Der Abschied dieser beiden internationalen Größen führte dazu, dass heute keine Kanzleien mit Top-Gehältern in Köln vertreten sind. Das höchste Einstiegsgehalt bietet mit 150.000 Euro McDermott Will & Emery, die in Köln jedoch nur rund 20 Associates beschäftigt. Die Karriereaussichten sind trotzdem gut: 2022 wurden in Köln insgesamt 47 Partnerinnen und Partner ernannt, das sind nur jeweils fünf weniger als in Berlin und Hamburg. „Beim Recruiting profitieren wir von dem geringeren Wettbewerb“, sagt Baars-Schilling. „Die Nachwuchssuche ist hier einfacher als an unseren beiden anderen Standorten Frankfurt und Hamburg.“ Oppenhoff zählt in Köln zur Marktspitze. Unter ihren Mandanten finden sich sowohl vermögende Industriellenfamilien als auch internationale Investoren, die sie zum Beispiel bei grenzüberschreitenden Transaktionen berät. Der geringere Anteil international renommierter Kanzleien bedeutet allerdings nicht, dass die Talente den Kanzleien die Türen einrennen: „Neben dem allgemeinen Bewerbermangel hat zuletzt sicher auch die Corona-Pandemie zu einem Knick bei den Bewerbungen geführt“, sagt Nadja Siebertz, Partnerin bei CBH Rechtsanwälte. Denn durch die damit verbundenen Einschränkungen hätten weniger Studierende einen Abschluss gemacht.

Neuankömmlinge willkommen: Nadja Siebertz, Equity-Partnerin bei CBH Rechtsanwälte, lobt die offene Kultur in Köln. (Foto: CBH)

Starker Mittelstand

Neben den verbliebenen Großkanzleien, die das Rheinufer säumen, steht CBH für einen weiteren Kanzleityp, der den lokalen Markt prägt: die Mittelstandskanzleien. Die Sozietät wurde vor 60 Jahren in Köln gegründet. Mittlerweile hat sie weitere Büros in Berlin, Brüssel, Hamburg und München, sodass sie bundesweit mit Mandanten zusammenarbeitet. Nach wie vor ist CBH jedoch fest in Köln verwurzelt, insbesondere auf Gebieten wie dem Bau- und Immobilienrecht. Sie berät etwa die ‚Historische Mitte Köln‘, ein Gemeinschaftsprojekt der Stadt Köln und der Hohen Domkirche zu Köln, zum Neubau des Kölnischen Stadtmuseums und des Kurienhauses: „Die Mandanten hier sind treu und schätzen, dass sie vor Ort einen Ansprechpartner haben. Aber natürlich erwarten sie auch eine hochwertige und qualifizierte Beratung – zu Recht“, sagt Siebertz. Die 50-jährige Marken- und Wettbewerbsrechtlerin hat bereits ihre anwaltliche Karriere bei CBH begonnen, seit 2021 steht sie als erste Frau an der Spitze der Sozietät. Siebertz schätzt Köln vor allem als offene und tolerante Stadt: „In Köln ist es nicht schwer, abseits der fachlichen Auseinandersetzung im Mandat auch mit Wettbewerbern Kontakt zu knüpfen“, sagt sie. „Das unterscheidet die Stadt sicherlich von anderen Wirtschaftsstandorten.“ Eine weitere bekannte Mittelstandsberaterin mit großem Büro am Rhein ist Ebner Stolz Mönning Bachem. Die multidisziplinäre Einheit beschäftigt zusätzlich zu Wirtschaftsprüfern, Steuer- und Unternehmensberatern mittlerweile rund 50 Anwältinnen und Anwälten in Köln.

Alle vor Ort – Marktführer, Spezialisten, Exoten

Neben den Mittelständlern sind außerdem zahlreiche spezialisierte Kanzleien, sogenannte Boutiquen, ansässig. BLD Bach Langheid Dallmayr zum Beispiel hat ihren Stammsitz in Köln und beschäftigt dort mehr als 130 Juristinnen und Juristen. Sie zählt zu den Marktführerinnen für Versicherungsrecht auf Unternehmensseite. Zudem sind mehrere bundesweit renommierte Strafrechtsboutiquen in der Domstadt vertreten, beispielsweise Gercke Wollschläger. Die Kanzlei sorgte 2021 für internationales Medieninteresse, als sie ihr Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsvorwürfen im Erzbistum Köln vorlegte. Und auch einige Exoten nutzen die Vorteile, die ihnen die Domstadt als Standort bietet: Qivive sticht nicht nur durch ihren Frauenanteil von 82 Prozent hervor. Als eine von wenigen Kanzleien in Deutschland ist sie auf die Beratung im deutsch-französischen Wirtschaftsrecht spezialisiert. Das bedeutet, sie begleitet zum Beispiel deutsche Unternehmen bei der Expansion
nach Frankreich. „Bei uns haben alle Anwältinnen und Anwälte einen deutsch-französischen Hintergrund“, erklärt Emilie Wider (43), Partnerin im Arbeitsrecht bei Qivive. „Und genau wie ich besitzen einige nicht den deutschen Anwaltstitel, sondern sind französische ‚Avocats‘.“ Qivive profitiert von mehreren kölnspezifischen Faktoren: Der gemeinsame deutsch-französische Studiengang Rechtswissenschaften (DFM) von Kölner Universität und Pariser Sorbonne bringt viele Talente mit passendem Profil hervor. Ihn absolvierte einst auch Wider: „Allerdings war die Jobsuche in Deutschland für mich danach schwierig, weil ich den französischen Anwaltstitel hatte und kein Staatsexamen.“ Als ihr Kollege Dr. Christophe Kühl 2001 den Kölner Standort von Qivive – damals noch Epp & Kühl – eröffnete, stieg sie dort ein: „Wir haben hier einen Ort geschaffen, an dem wir Leute mit Profilen wie meinem willkommen heißen.“

Das Umfeld stützt die Work-Life-Balance

Der Draht nach Frankreich ist gut: „Durch die direkte Zugverbindung zwischen Köln und Paris sind wir sehr gut an unser Büro dort angebunden“, sagt Wider. „Außerdem gibt es hier eine große französische Community und Angebote wie bilinguale Kitas oder Schulen.“ Kombiniert mit einer guten Work-Life-Balance führt das dazu, dass Qivive als Arbeitgeberin beliebt ist: „Wir bekommen sehr viele Bewerbungen für unsere Praktikums- und Referendariatsplätze und können die Leute danach regelmäßig als Berufseinsteiger gewinnen.“

Vive Cologne: Emilie Wider und ihre deutsch-französische Kanzlei Qivive profitieren von den Vorzügen des Kölner Marktes. (Foto: Riu Camilo)

Bunter Strauß an Mandanten

Durch ihren deutsch-französischen Beratungsansatz arbeitet Qivive mit Unternehmen weit über die Region Köln hinaus zusammen: „Wir haben Mandanten in ganz Deutschland und sind dabei auf keine Branche festgelegt“, sagt Wider. Ohnehin lässt sich der Wirtschaftsstandort auf keinen bestimmten Sektor herunterbrechen, ganz im Gegenteil zu anderen Städten: In Frankfurts Hochhäusern dominiert die Bankenszene, in München prägen Private-Equity-Unternehmen das Bild und in Berlin steht Venture-Capital-Beratung von Investoren und Start-ups auf der Tagesordnung. „Früher galt Köln als typische Medienstadt, aber das ist mittlerweile nicht mehr ausschlaggebend. Es gibt hier vielmehr einen bunten Strauß an Mandanten“, sagt Myriam Baars-Schilling. „Dazu zählen Bonner Behörden genauso wie Mittelständler aus dem Siegerland oder Konzerne wie Ford.“ Aus Bewerbersicht sei das sehr interessant: „Dadurch können sie ganz unterschiedliche Einblicke gewinnen.“ Auch Industrieunternehmen aus dem Ruhrgebiet setzen auf Kölner Kanzleien. Als ‚Schreibtisch des Ruhrgebiets‘ gilt aber nach wie vor eher Düsseldorf, nicht zuletzt wegen der räumlichen Nähe. Diesen Standortnachteil sieht Baars-Schilling nicht: „Durch die Möglichkeiten, die die Digitalisierung mit sich bringt, rückt der Standort immer mehr in den Hintergrund.“ Sie bemängelt eher die fehlende Internationalität der Kölner Wirtschaftsszene: „Für ausländische Mandanten ist Frankfurt viel präsenter als Köln. Dort und auch in Berlin leben zahlreiche Expats und es gibt mehr internationale Anwälte.“ Compliance sticht Klüngel Und wie steht es um den Kölner Dreiklang aus Kölsch, Karneval und Klüngel? Laut Baars-Schilling ist der Klüngel passé. Diese Art des Geschäftemachens, bei der man Vetternwirtschaft nutzt, um sich Vorteile zu verschaffen, gehöre allein schon wegen der zunehmend strengen Compliance-Vorschriften der Vergangenheit an. „Ein großer Teil der Mandate wird heute ausgeschrieben, so dass wir uns als Kanzlei darauf bewerben“, bekräftigt Siebertz. Karneval allerdings wird von den Kölner Kanzleien sehr ernst genommen: „Wir haben in diesem Jahr wieder eine große Party für alle Mitarbeitenden veranstaltet. Auch Mandanten nehmen wir zu Sitzungen mit“, sagt Baars-Schilling. Und das Kölsch fließt dabei selbstverständlich in Strömen.


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