Anwältinnen arbeiten rund drei Wochen im Jahr ohne Bezahlung

Heute ist ‚Equal Pay Day‘ – der symbolische Tag, bis zu dem Frauen unbezahlt arbeiten, während Männer ab dem 1. Januar 2024 für ihre Arbeit entlohnt werden. Ein Blick in die Associate-Umfrage zeigt: Auch bei Anwältinnen und Anwälten in Wirtschaftskanzleien gibt es eine ungleiche Bezahlung zwischen den Geschlechtern. Durch eine Maßnahme werden weibliche Associates finanziell besonders abgehängt.

Sie sind bestens ausgebildet, arbeiten in Vollzeit und sind höchst engagiert in ihrem Job: Und doch werden männliche und weibliche Associates weiterhin unterschiedlich bezahlt. Denn der ‚Equal Pay Day‘ für vollzeitbeschäftigte Wirtschaftsanwältinnen ist der 22. Januar – bis dahin arbeiten weibliche Associates im Durchschnitt über alle Berufsjahre gerechnet ohne Bezahlung. Berechnet man für alle in Vollzeit arbeitenden Associates, die in der aktuellen Associate-Umfrage ihr Gehalt angegeben haben, wie viel sie in den jeweiligen Berufsjahren verdienen, so zeigt sich: Frauen starten im ersten Berufsjahr bereits mit durchschnittlich 3.000 Euro weniger pro Jahr in den Beruf – und das, obwohl viele Kanzleien mit fixen Einstiegsgehältern locken. Bis zum 11. Berufsjahr verdienen weibliche Associates dann im Durchschnitt 11.000 Euro weniger pro Jahr. Das ist ein Gehaltsunterschied von rund 8 Prozent.

Berufserfahrene, in Vollzeit tätige weibliche Associates arbeiten nach der Logik des ‚Equal Pay Day‘ also rund drei Wochen im Jahr unentgeltlich. Den ‚Equal Pay Day‘ für Wirtschaftsanwältinnen, der über die Berufsjahre hinweg vom 9. Januar auf den 25. Januar wandert, hat die azur-Redaktion in diesem Jahr erstmals berechnet. Die Lohnunterschiede in der Branche sind allerdings altbekannt. Seit Jahren ermittelt die Redaktion durch die Angaben in der azur-Associate-Umfrage besonders bei berufserfahrenen, in Vollzeit tätigen weiblichen Associates, dass sie rund 8 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Dieses Phänomen lässt sich wohlgemerkt nicht mit unterschiedlichem zeitlichen Engagement erklären, denn: In diese Statistik fließen nur Angaben jener Associates ein, die in Vollzeit arbeiten.

Die Teilzeitlücke

Aufschlussreich ist allerdings eine weitere Auswertung, die alle Associates berücksichtigt, also auch jene, die in Teilzeit arbeiten. Nach diesem System berechnet sich auch der allgemeine, branchenübergreifende ‚Equal Pay Day‘. Danach verdienen weibliche Associates schon im 7. Berufsjahr rund 16 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Im 11. Berufsjahr nehmen sie Gehaltseinbußen von fast 25 Prozent in Kauf, der ‚Equal Pay Day‘ fällt dann auf den 13. März. Durch die Formel ‚Zeit gegen Geld‘, nach der natürlich auch die Bezahlung in Wirtschaftskanzleien erfolgt, geraten weibliche Associates somit durch reduzierte Stundenzahlen nicht nur in puncto Karriereaussichten, sondern auch finanziell ins Hintertreffen. Auch in der aktuellen Associate-Umfrage gibt es etliche Stimmen von Teilnehmerinnen, die bemängeln, dass Teilzeit ein Karriere-Aus bedeute und eine Teilzeitpartnerschaft bei vielen Arbeitgebern ein No-Go bleibt.

Mehr Respekt

Außerdem spricht aus vielen Kommentaren der Befragten die Erkenntnis, dass Teilzeit nur auf dem Papier bestehe, die schlechtere Bezahlung also nicht weniger Arbeit bedeute. So fordert eine Teilnehmerin, die in einer internationalen Großkanzlei arbeitet, „flexible Arbeitsmodelle, die Teilzeitarbeit wirklich Teilzeit sein lassen, und Respekt vor einer Teilzeitarbeit“. Eine andere fordert, nicht nur auf die Billables zu schauen: „Frauen arbeiten häufig in Teilzeit und haben beschränktere zeitliche Ressourcen wegen der überwiegenden Übernahme von Care-Arbeit in der Familie. Engagement für die Kanzlei außerhalb der abrechenbaren Tätigkeit ist für sie daher häufig besonders schwierig in den Alltag zu integrieren und sollte daher auch bei der Bonusberechnung berücksichtigt werden.“ Weit verbreitet ist Teilzeit indes unter den Befragten nicht: Nur knapp 10 Prozent der mehr als 4.100 Teilnehmenden, die diese Frage beantwortet haben, arbeiten in Teilzeit. Deutlich mehr als die Hälfte von ihnen – 65 Prozent – ist weiblich. Im Durchschnitt geben die Befragten eine Teilzeit von 70 Prozent an.
Alle aktuellen Angaben zu Gehältern findet ihr hier.


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