Themen mit Hand und Fuß

Soeben sind die Finalrunden der Moot Court-Wettbewerbe zu Ende gegangen: Traditionell ist der April der Monat der Wahrheit für die studentischen Teams, die in internationaler Konkurrenz Fälle diskutieren und Lösungen präsentieren, die auch die Meister ihres Fachs überzeugen können.Gelungen ist dies – wie schon in den Jahren zuvor – auch einigen Gruppen von deutschen Universitäten. So errang ein Team der Kölner Universität beim Telders Moot Court in Den Haag die höchste Gesamtpunktzahl und vier weitere Einzelpreise; vier Jurastudenten der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg gelangten in das Halbfinale des neuen ELSA WTO Law Moot Court und konnten bei ihrer ersten Moot Court-Teilnahme überhaupt einen überraschenden Erfolg erzielen.

Wien, Genf, Den Haag …

Wien, Genf, Den Haag, New York und Washington waren in diesem Jahr Schauplätze der Finalrunden. Die Anforderungen auf dem internationalen Parkett sind hoch und können zu hoch sein, wenn die Vorbereitung nicht stimmt. „Wenn man’s nicht ernst nimmt, kann man’s vergessen“, weiß Bettina Käser, die in Köln schon mehrfach Moot Court-Teams betreut hat. Nur mit viel Einsatz gibt es Erfolge. Ein halbes Jahr geht für die Wettbewerbs-Teilnahme drauf.

Aber die Zeit ist keineswegs verschenkt, im Gegenteil: Die harte Arbeit im Team, das Bewusstsein, eine umfangreiche Aufgabe schaffen zu können, das Erfolgserlebnis, wenn die eigene Argumentation z. B. von den ehrenwerten Richtern des Internationalen Gerichtshofs akzeptiert wird – die „Mooties“ erhalten in kurzer Zeit mehr Bestätigung, als sie im regulären Universitätsbetrieb erwarten können. Außerdem wird das Moot Court-Semester für die beteiligten Studierenden nicht angerechnet, wenn sie für das Erste Staatsexamen die Freischuss-Regelung in Anspruch nehmen möchten.

„Das Schöne am Völkerrecht ist, dass dort die Grenzen zwischen Recht und Politik ein wenig verschwimmen“, weist Käser auf die Vorteile des vermeintlich abgehobenen Rechtsgebiets hin, dass im Telders Moot Court debattiert wird. Hier haben die Themen Hand und Fuß: sie sind zwar fiktiv, aber doch so aktuell und brisant, dass von trockener Juristerei nicht die Rede sein kann.

Probesitzungen mit „gemeinen“ Fragen

Am Kölner Rechtszentrum für europäische und internationale Zusammenarbeit (R.I.Z.) hat die Vorbereitung für diverse Moot Courts schon Tradition. Zu den bewährten Mitteln gehören Probesitzungen, in denen Anwälte in die Rolle der Richter schlüpfen und schon einmal die „gemeinen“ Fragen stellen, damit es im wirklichen Finale kein Schockerlebnis mehr gibt. Mit dieser Art der Vorbereitung hatten nicht nur die Telders-Teilnehmer Erfolg, fünf weitere Kölner Jurastudenten belegten beim Willem C. Vis Moot Court (Schiedsgerichtsverfahren / UN-Kaufrecht) die vorderen Plätze.

Gut vorbereitet war auch das Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, das auf Anhieb ins Halbfinale vordrang: ein großer Erfolg, denn die Teilnahme war eine Premiere für die Hallenser Juristen. Allerdings hilft irgendwann auch die beste Vorbereitung nichts mehr, wenn im (simulierten) Prozess rhetorisch die Klingen gekreuzt werden. „Es ist schwierig, in jeder Situation schnell und eloquent zu antworten“, weist Teambetreuer Bernhard Kluttig auf leichte Vorteile für englische Muttersprachler hin. Immerhin errang Jacqueline Seifert aus dem Hallenser Team Platz 4 für ihren mündlichen Vortrag. Ebenfalls nicht einfach: Je nach Zusammensetzung der Teams kann es sein, dass Studenten aus dem vierten oder fünften Semester gegen Postgraduate-Studenten antreten müssen, die sich auf einen LL.M.-Abschluss vorbereiten.

Aber wenn es stimmt, dass man mit den Aufgaben wächst, dann können sich die Teilnehmer der diesjährigen Moot Court-Endrunden im Hinblick auf ihre Examina und spätere Berufstätigkeit sicherlich im Vorteil sehen. Angesichts der Erfahrung, im Moot Court gepunktet zu haben, verliert jede mündliche Prüfung ihren Schrecken.

„Alle würden’s wieder machen“

Vielleicht ein guter Tipp für das laufende Semester: Wenn am Schwarzen Brett eine Informationsveranstaltung über Moot Courts angekündigt wird, nicht lange zögern, sondern hingehen und zuhören. Die deutschen Jura-Fakultäten setzen unterschiedliche Schwerpunkte und nehmen nicht in jedem Jahr und nicht an allen Wettbewerben teil. Vieles hängt vom persönlichen Engagement der Studierenden und ihrer Betreuer ab. Letztendlich ist es auch nicht ausschlaggebend, ob ein erster Platz errungen wurde. Für die meisten Teilnehmer dürfte gelten, was Bettina Käser so zusammenfasst: „Alle würden’s wieder machen.“ (azur-online/ML)

Eine Auswahl von Moot Court-Wettbewerben

Jessup Moot Court, Völkerrecht, Finalrunde 2003 in Washington
Deutsche Teilnehmer 2003: Humboldt-Universität Berlin, Schiller-Universität Jena
Website: http://www.ilsa.org/jessup/index.html

Willem C. Vis Moot Court, International Commercial Arbitration, Finalrunde 2003 in Wien
128 Teans aus 39 Ländern, darunter elf deutsche Teams, u. a.:
– Philipp Bovensiepen, Sebastian Mohr, Anja Rödler, Verena Schäfer, Stephanie Schmitt, Christian Mertens, Universität zu Köln. Betreuer: Prof. Dr. Klaus Peter Berger (CENTRAL), Prof. Dr. Norbert Norn (R.I.Z.), Amanda Waters, Jens Wenzel, LL.M. und Dr. Stefan Kröll, LL.M.
– Universität Bonn
– Universität Frankfurt a. M.
– Humboldt-Universität Berlin
– Universität Freiburg
– Universität Mainz
– Universität Heidelberg
– Bucerius Law School Hamburg
– Universität München
Website: http://www.cisg.law.pace.edu/vis.html

Telders International Law Moot Court Competition, Völkerrecht, Finalrunde 2003 in Den Haag (Internationaler Gerichtshof)
Deutsche Teilnehmer: Katharina Irmen, Michael Fremuth, Sebastian Hartmann, David Wilkens, Universität zu Köln (Gesamtpunktsieger)
Betreuer: Bettina Käser, Jenny Grote (R.I.Z., Abt. II, Prof. Dr. Stefan Hobe, LL.M.)
Website: http://www.telders.leidenuniv.nl

ELSA Moot Court Competition, Welthandelsrecht, Finalrunde 2003 in Genf (WTO)
Deutsche Teilnehmer: Jacqueline Seifert, Malte Dürlich, Frederic Elskamp, Patrick Mitsching, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Halbfinale)
Betreuer: Karsten Nowrot, Bernhard Kluttig (Lehrstuhl f. Öffentliches Recht, Europarecht u. Internat. Wirtschaftsrecht, Prof. Dr. Christina Tietje, LL.M.)
Website: http://www.elsa-online.org/emcc/index.asp

Model United Nations, Finalrunde 2003 in New York
Deutsche Teilnehmer: Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Ludwig-Maximilians-Universität München (beide „Distinguished Delegation“), Philipps-Universität Marburg, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg
Website: http://www.nmun.org


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