Kommentar: Ich Chef, du Nix?
Wo den Berufsanfängern flache Hierarchien versprochen werden, da haben sich die Arbeitgeber immerhin Gedanken gemacht. Denn eine zu steile Abstufung zwischen Chefs und Fußvolk kommt nicht mehr an. Ob es aber wirklich nur niedrige Schwellen zwischen den Funktionen und Personen gibt, entscheidet sich nicht durch eine Floskel in der Stellenausschreibung. In den allermeisten Kanzleien sind es schlicht und einfach die Partner, die das Sagen haben. Auch wenn sie nette Typen sind und ihre Mitarbeiter nicht quälen, sondern nach bestem Wissen und Gewissen fördern: Als Teilhaber, Geschäftsleiter und Verkaufsmanager in einer Person ist jeder Partner ein Chef. Punkt.
Besonders in Krisenzeiten zeigt sich, wie dominant die herkömmliche Kanzleistruktur aus Equity-Partnern, angestellten Partnern und Associates ist. Von Bewerbern verlangt diese Struktur fast schon detektivisches Talent und eine gute Informationsbasis: Wo stecken die lukrativen Mandate? Wie werden die Überschüsse verteilt? Wer entscheidet über Boni und Gehaltssteigerungen? Oder, inmitten der Unsicherheiten durch die Corona-Pandemie: Wer entscheidet über verschobene Prämien und eingefrorene Gehälter? Im Zweifel die Partner. Punkt.
Jeder Anwalt, auch ein Berufsanfänger, hat die Chance, in eigener Kanzlei Berater und Unternehmer zu sein und die Kanzlei seiner Träume einfach selbst zu gründen. Die meisten Gründer sichern sich bislang ab, indem sie zuvor in einer Großkanzlei anheuern und dort eine anstrengende, aber gut bezahlte Lehrzeit absolvieren, Kontakte knüpfen und Mandatserfahrungen sammeln. Das könnte in den kommenden Jahren schwieriger werden. Drei Dinge sind deshalb wichtig für Nachwuchsanwälte: Erstens, überprüft eure Vorstellungen von einer raschen Spezialisierung und orientiert euch am Markt. Zweitens, schimpft nicht über die Unternehmer, die ihren Laden am Laufen halten, denn drittens könnt ihr es selbst jederzeit besser machen. Als Chef in eigener Sache. Ausrufezeichen.
In dieser Rubrik kommentieren und erläutern Autoren der JUVE-Redaktion aktuelle Themen aus dem Anwaltsmarkt. Markus Lembeck ist Co-Leiter des azur Karrieremagazins.
zum Artikel „Partnerschaft: Willkommen im Club“