Detektivin statt Diplomatin: Katharina Saulich im Porträt

AZ01/17

Ein Beitrag aus azur 1/2017.

Katharina Saulich zählt zur jungen Generation von Compliance-Anwälten. Sie hat ihren Platz ausgerechnet in einer Großkanzlei gefunden. Geplant war das nicht.

von Anika Verfürth

„In meinem Job bin ich ein bisschen Staatsanwältin, Journalistin, Detektivin und Rechtsanwältin zugleich.“ Wenn Katharina Saulich von ihrer Arbeit als Compliance-Anwältin erzählt, leuchtet die Leidenschaft in ihren Augen. Die 34-Jährige ist in ihrem sechsten Jahr als Associate bei der US-amerikanischen Kanzlei Gibson Dunn & Crutcher. Hätte sie vor sechs Jahren gedacht, dass sie heute noch dort ist? Nein. Hat sie ihren Traumjob gefunden? Ja. Zumindest spricht die Begeisterung für ihr Fachgebiet aus jeder Geste und jedem Wort, wenn sie davon erzählt.

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„Ach, wegen Ihnen darf ich also meine Kunden nicht mehr zum Essen einladen.“ So oder so ähnlich sind die Reaktionen, wenn Saulich etwa einem Unternehmer erzählt, dass sie Compliance macht. Sie lacht. Was wie ein Witz klingt, ist in Wirklichkeit bitter ernst. Denn in der Tat werden Anwälte wie sie gerufen, wenn in Unternehmen nicht alles nach Recht und Gesetz gelaufen ist. Nicht zuletzt wegen der aktuellen Abgasskandale bei gleich mehreren Herstellern rückt die Regelkonformität immer stärker ins Bewusstsein der Entscheider. Und im besten Fall ruft der Vorstandsvorsitzende nicht erst an, wenn die Hütte brennt und bereits ein Vorwurf im Raum steht.

Weltweite Prüfung.

Compliance. Das sind für Saulich vor allem hochgeheime interne Untersuchungen. Deswegen kann sie auch keine Namen von Mandanten nennen. Allgemein bekannt ist allerdings, dass Gibson Dunn an der Seite von Daimler im Vorwurf um die Manipulation von Schadstoffwerten steht.

Ihr Lieblingsmandat war aber keine interne Untersuchung. Die zierliche Frau lehnt sich zurück, in der Erinnerung richtet sie den Blick nach oben und lächelt. Sie spricht von einer weltweiten Prüfung des Compliance-Management-Systems eines deutschen Dax-Unternehmens. Und weltweit heißt hier von China über Saudi-Arabien bis in die USA. „Das war höchst analytische Arbeit und bisher das absolute Highlight meiner Karriere.“ Weltweit. International. In diesem Arbeitsumfeld fühlte sich die junge Anwältin schon immer wohl. „Früher hatte ich immer die Vorstellung, ich würde Diplomatin werden und in ferne Länder reisen.“

Als sie elf Jahre alt war, zog ihre Familie von Nürnberg nach England. Nach dem Abitur an einer deutschen Schule stand für sie fest: Ich studiere Jura. Dafür ging sie zurück nach Deutschland an die Uni Heidelberg. Ein Jahr spezialisierte sie sich an der Uni Genf auf internationales Recht. Sie verfolgte ihre Vorstellung der reisenden Diplomatin mit Praktika beim zweiten Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York City und der deutschen Botschaft in Neu Delhi.

Aber das zweite Staatsexamen machte sie natürlich nicht nebenbei. Also kehrte sie an die Uni zurück. Diesmal nach München. „Das war eine intensive Jurazeit“, erzählt Saulich, „und irgendwie wurde mir immer klarer: Ich möchte doch Anwältin werden.“

Tief eintauchen. Alles aufdecken. Kein Detail übersehen, das ist es, was sie wirklich mag. „Bei der Sachverhaltsaufklärung kann sich von jetzt auf gleich alles ändern“, erzählt sie von ihren internen Untersuchungen. Und wieder ist es in jedem Moment zu spüren: Sie hat ihren Platz gefunden. In einer Großkanzlei, was für viele Berufseinsteiger ein rotes Tuch ist und höchsten Arbeitseinsatz für minimale Karriereperspektiven bedeutet. „Ich wollte es einfach mal zwei, drei Jahre ausprobieren“, war auch Saulichs ursprünglicher Plan. Heute, sechs Jahre später, ist sie immer noch bei Gibson Dunn.

Das liegt vor allem auch an ihrem Team. Zu ihrem Chef, dem renommierten Compliance-Partner Dr. Benno Schwarz, kam sie eigentlich durch Zufall. Für eine interne Untersuchung war in seinem Team Not am Mann. Das Mandat hatte Italienbezug. Katharina Saulich spricht Italienisch. Und schon fand sie sich mitten in ihrem ersten Compliance-Fall. Am Ende standen zwei Wochen in Rom und Mailand für Interviews im betroffenen Unternehmen an. „Am letzten Tag sagte Benno zu mir: ‚Führ du doch mal das Interview, ich sitze ja daneben‘“, erzählt Saulich begeistert von dem ihr zugesprochenen Vertrauen. „Das war wirklich der Wahnsinn für mich.“ Das mag wohl auch der Moment gewesen sein, an dem sie ihrem bisherigen fachlichen Fokus, dem Immobilien- und Gesellschaftsrecht, den Laufpass gab. Mittlerweile ist sie voll und ganz Anwältin für Compliance. Seit rund einem Jahr betreut sie auch selber ihre ersten internen Untersuchungen.

Offen für neue Leidenschaften ist sie nicht nur als Anwältin. Im vergangenen Jahr hat sie die Kunst für sich entdeckt. „Dieser Moment, wenn man sein erstes eigenes Kunstwerk in der Wohnung aufhängt, das ist einfach unbeschreiblich“, erzählt sie. Dabei hat sie sich nie als Kunstliebhaberin verstanden. Genauso wenig wie sie sich jemals als Compliance-Anwältin gesehen hat. Und jetzt schlägt ihr Herz dafür. Für den Job, wo man Staatsanwältin, Journalistin, Detektivin und Rechtsanwältin zugleich sein kann. Daneben wirkt ihr ursprünglicher Traum, als Diplomatin in ferne Länder zu reisen, doch fast eintönig. <<


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